Eine Frau mit Colitis ulcerosa und einem iatrogenen Sarkom
- Dr. med. Thomas Kron
- Patienten-Fall
Kernbotschaften
Werden Colitis-ulcerosa-Patienten längere Zeit mit immunmodulierenden oder -supprimierenden Medikamenten behandelt, sollte auf die Möglichkeit der Entstehung eines iatrogenen HHV8-assoziierten Kaposi-Sarkoms geachtet werden, raten die Pathologin Dr. Anne Kristin Fischer von der Universität in Köln und ihre Kollegen. Anlass der Empfehlung ist die Krankengeschichte einer 45-jährigen Frau mit Colitis ulcerosa.
Die Patientin und ihre Geschichte
Bei der Patientin wurde 2019 Colitis ulcerosa diagnostiziert. Zwei Jahre später sei in der Koloskopie eine floride (aktive) Entzündung aufgefallen. Die Patientin sei nach refraktärer Firstline-Therapie über mehrere Monate immunsuppressiv mit Vedolizumab, Infliximab und Prednisolon behandelt worden. Da auch diese Behandlung nicht angeschlagen habe, sei eine Proktokolektomie vorgenommen worden. Zum Zeitpunkt der Operation habe die Frau lediglich 20 mg Prednisolon pro Tag erhalten.
Die histologischen Befunde
Das Proktokolektomie-Präparat zeigte nach Angaben der Pathologin eine starke ulzeröse Entzündung mit Granulationspolypen, darüber hinaus viele schwerpunktmäßig submukosale rötlich-bräunliche, recht scharf umgrenzte Knoten. Histologisch habe sich eine aktive Colitis ulcerosa mit Kryptenumbau und Kryptendestruktion ohne Dysplasien gezeigt. Die mukosalen und submukosalen Herde hätten sich als spindelzellige, angedeutet faszikuläre vasoformative Tumoren mit blutgefüllten Spalträumen erwiesen. Dazwischen sei fokal Siderin abgelagert gewesen. Ganz fokal hätten sich zwischen Endothelzellen und Basalmembran globuläre eosinophile Ablagerungen gezeigt. Die endotheliale Natur der Proliferate habe sich anhand ihrer CD34- und ERG-Expression bestätigt. Die vasoformativen Endothel- und Spindelzellproliferate hätten intensiv nukleär das „long- acting nuclear antigene 1“ (LANA1) des HHV8) exprimiert. Eine Zytomegalieinfektion sei immunhistochemisch ausgeschlossen worden.
Die Diagnose
Laut Fischer und ihren Kollege handelte es sich somit um ein multifokales HHV8-positives Kaposi-Sarkom des Kolons bei über 24 Monate bestehender therapierefraktärer Colitis ulcerosa, das aufgrund therapeutischer Immunsuppression unter anderem mit Vedolizumab einer iatrogen induzierten Form zuzuordnen sei. Das Staging mittels CT habe keine Hinweise auf Metastasen ergeben. Auch die angeschlossene Gastroskopie sei unauffällig gewesen. Serologische Untersuchungen hätten eine HIV-Infektion der Patientin ausgeschlossen.
Diskussion
Das Kaposi-Sarkom ist, wie die Autoren erklären, ein angioproliferativer, HHV8-assoziierter Tumor. Ursächlich sei insbesondere der Befall von Endothelzellen durch das HHV8-Virus. Vier Unterformen seien bekannt:
- die klassische/sporadische Form
- die endemische/afrikanische Form
- die iatrogene und
- die AIDS-assoziierte Form.
In den westlichen Industrienationen sei ein HIV-unabhängiges Kaposi-Sarkom sehr ungewöhnlich, berichten Fischer und ihre Kollegen weiter. Bekannt seien transplantationsassoziierte Fälle, insbesondere nach Nierentransplantation. In der englischsprachigen Fachliteratur werde zunehmend über HIV-negative gastrointestinale Kaposi-Sarkome bei therapierefraktärer Colitis ulcerosa berichtet. Einschließlich der eigenen Beobachtung seien ihres Wissens nach insgesamt 30 Fälle publiziert worden. Bei unterschiedlichen Autoimmunerkrankungen, so bei Colitis ulcerosa, Morbus Crohn, rheumatoider Arthritis, Psoriasis oder Psoriasisarthritis scheine die Therapie mit mehreren Immunsuppressiva oder Immunmodulatoren als seltene Komplikation die Entstehung eines Kaposi-Sarkoms zu begünstigen. Bemerkenswert sei, dass es sich hierbei jeweils um eine aktive bzw. therapierefraktäre Entzündung gehandelt habe. In nahezu allen Fällen sei das Kaposi-Sarkom als Zufallsbefund erst im Operationspräparat festgestellt worden.
In diesem Zusammenhang seien - einschließlich dieses Berichts - drei Fälle eines nicht HIV- assoziierten Kaposi-Sarkoms nach Gabe von Vedolizumab publiziert worden, eines seit 2018 für schwere threapierefraktäre Colitis ulcerosa oder Morbus Crohn zugelassenen Integrin-Antagonisten. Integrin-Antagonisten blockieren, wie die Autoeren weiter erklären , hochselektiv das Adhäsionsmolekül α4β7-Integrin auf der Oberfläche aktivierter T-Lymphozyten. Hierüber werde die Bindung der T-Lymphozyten an mukosale Addressin- Zell-Adhäsionsmolekül-1(MAdCAM1)-Rezeptoren auf dem Endothel intestinaler Blutgefäße und deren konsekutive Einwanderung in das Gewebe verhindert. Es komme zu einer Unterdrückung des weiteren Entzündungsprozesses, folglich aber auch zu einer verminderten T-Zell- vermittelten Immunantwort im Gastrointestinaltrakt. Andere, ebenfalls kontrovers diskutierte mögliche Auslöser eines Kaposi-Sarkoms seien Wirkstoffe aus der Gruppe der Januskinase-Inhibitoren wie Tofacitinib. Als weitere Gruppe kämen TNFα- Inhibitoren wie Adalimumab infrage, unter deren Einnahme auch das Auftreten anderer Malignome wie insbesondere maligner Melanome der Haut beschrieben würden.
Medikamentös spreche das gastrointestinal manifeste Kaposi-Sarkom sehr gut auf eine Therapie mit pegyliertem liposomalem Doxorubicin und Rituximab an.
Für andere Colitis-ulcerosa-Medikamente mit direkter T-Zell-Suppression werde in der Fachliteratur ebenfalls das Auftreten eines therapieassoziierten iatrogenen Kaposi-Sarkoms beschrieben. Zu nennen sei hier das Thiopurin Azathioprin. Auch unter Calcineurin-Inhibitoren-Therapie wie Tacrolimus oder Ciclosporin A werde das Auftreten iatrogener Kaposi- Sarkome berichtet.
Dieser Volltext ist leider reserviert für Angehöriger medizinischer Fachkreise
Sie haben die Maximalzahl an Artikeln für unregistrierte besucher erreicht
Kostenfreier Zugang Nur für Angehörige medizinischer Fachkreise