Eine 80-jährige Frau mit Ovarial-Karzinom und Belastungsdyspnoe

  • Dr. med.Thomas Kron
  • Patienten-Fall
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Kernbotschaften

Bei Krebs-Kranken, die mit PARP-Inhibitoren (Hemmstoffen der Poly(ADP-ribose)-Polymerasen behandelt werden, sollte unbedingt auf respiratorische Symptome geachtet werden. Die Krankengeschichte einer 80-jährigen Frau verdeutlicht, warum dies ratsam ist. Diese Fallgeschichte haben japanische Ärzte im Fachmagazin „Annals of Internal Medicine - Clinical Cases“ vorgestellt.

Die Patientin und ihre Geschichte

Die wegen eines Ovarial-Karzinoms behandelte Frau wurde zur Abklärung einer Belastungsdyspnoe Pneumologen vorgestellt. Die Patientin hatte nach Angaben der Autoren nie geraucht und außer Eierstockkrebs keine relevanten Erkrankungen. Auch die Familienanamnese war unauffällig.

Das Karzinom war sieben Jahre zuvor diagnostiziert worden; die Behandlung bestand zunächst aus 6 Zyklen Paclitaxel und Carboplatin (TC-Chemotherapie), dann wurde die Patientin operiert (totale Hysterektomie, bilaterale Salpingo-Oophorektomie und Omentektomie). Nach insgesamt 21 Zyklen der TC-Chemotherapie wurde eine Erhaltungstherapie mit dem PARP-Hemmer Olaparib begonnen.

Nach 15 Wochen Olaparib-Behandlung ergab eine  Computertomographie den Verdacht auf eine Olaparib-induzierte interstitielle Lungenerkrankung (ILD). Olaparib wurde abgesetzt; verabreicht wurde Piperacillin-Tazobactam. Nach der Behandlung zeigte die CT einen vollständigen Rückgang der Befunde.

Etwa acht Monate nach Absetzen von Olaparib wurde wegen Tumor-Progression erneut eine TC-Chemotherapie begonnen und eine Erhaltungstherapie mit dem PARP-Inhibitor Niraparib eingeleitet. Fünfzehn Wochen nach der Niraparib-Behandlung trat die Belastungsdyspnoe auf, die nun abgeklärt werden sollte.

Befunde, Diagnose und Therapie

Thorakale CT: Milchglastrübung, Bild wie bei einer Hypersensitivitäts-Peumonitis (HP)

Die Autoren hatten den Verdacht auf eine ILD infolge der Therapie mit Niraparib, die sie daraufhin beendeten. Eine CT eine Woche später ergab einen unveränderten Befund.

Bronchoskopie und bronchoalveoläre Lavage (BAL): Die Analyse der BAL-Flüssigkeit ergab deutlich erhöhte Lymphozyten und Eosinophile, was den Verdacht auf eine medikamenteninduzierte ILD stützte.

Die Patientin erhielt Prednisolon; innerhalb von drei Wochen besserten sich die pulmonalen CT-Befunde.

Diskussion

Eine Metaanalyse randomisierter kontrollierter Studien und eine Pharmakovigilanz-Studie ergaben den Autoren zufolge eine Pneumonitis-Inzidenz bei Therapie mit PARP-Inhibitoren von 0,79 Prozent; die mediane Zeit bis zum Auftreten betrug 81 Tage, die Sterberate 16 Prozent.

Um weitere Erkenntnisse zu gewinnen, führten die Autoren eine Literaturrecherche durch, wobei sie sich auf Fallberichte zur PARP-Inhibitor-induzierten ILD konzentrierten. Insgesamt wurden 1576 Artikel gesichtet und zwei Patientinnen mit PARP-Inhibitor-induzierter ILD identifiziert.

Be der einen Patientin handelte es sich um eine 34-jährige Frau mit Brustkrebs, die nach einer 7-wöchigen Behandlung mit Olaparib eine diffuse Milchglastrübung entwickelte. Die Patientin erholte sich nach Absetzen von Olaparib und Therapie mit Kortikosteroid und Antibiotika.

Die zweite Patientin war eine 58-jährige Frau mit Ovarial-Karzinom, die nach einer 7-wöchigen Behandlung mit Niraparib ebenfalls radiologische Hinweise auf eine ILD zeigte. Auch diese Patientin erholte sich nach Absetzen von Niraparib und Therapie mit Methylprednisolon und Antibiotika.

Als Hauptpathogenese der arzneimittelinduzierten Lungenschädigung werden zytotoxische und immunologische Mechanismen angenommen. Der Mechanismus der PARP-Inhibitor-induzierten ILD ist allerdings unklar. Da die CT-Befunde und die Analyse der BAL-Flüssigkeit in aktuellen Fall einer HP ähnelte, könnten den japanischen Autoren zufolge allergische Prozesse beteiligt gewesen sein. Außerdem habe der klinische Verlauf der Patientin auf eine Kreuzreaktivität zwischen Olaparib und Niraparib hingewiesen. Ein Wechsel zu einem anderen PARP-Inhibitor sollte daher sorgfältig erwogen werden, da eine durch PARP-Inhibitoren induzierte ILD lebensbedrohlich sein könne.

Interstitielle pulmonale Veränderungen könnten auch durch viele Immunsuppressiva induziert werden, erklärt Dr. Christoph Lederer vom Zentrum für interstitielle und seltene Lungenerkrankungen am Universitätsklinikum Heidelberg. Dazu zähle etwa Methotrexat, das allerdings nur nach eingehender Abklärung als Ursache erwogen werden sollte, da es zwar mit einer Hypersensitivitäts-Pneumonitis, jedoch nicht mit einer Fibrose assoziiert sei. Auch andere Wirkstoffe könnten zur Entstehung einer ILD führen, so etwa Bleomycin, Nitrofurantoin, Immuncheckpoint-Inhibitoren (beispielsweise Pembrolizumab, Ipilimumab, Nivolumab) und Amiodaron.

Medikamentös induzierte Lungenerkrankungen können laut Lederer und seinen Mitautoren „vielfältige klinische Präsentationen und radiologische bzw. histologische Reaktionsmuster hervorrufen, darunter Alveolitiden, granulomatöse Muster, organisierende Pneumonien, eosinophile Pneumonien oder fibrosierende Entitäten. Dabei lasse sich ein einzelnes Muster fast nie auf ein bestimmtes Medikament zurückführen. Einzelne Medikamente könnten wiederum verschiedene pulmonale Krankheitsbilder induzieren. Die Diagnose einer medikamentös induzierten ILD beruht nach weiteren Angaben von Lederer und seinen Kollegen „in den allermeisten Fällen auf kompatiblen Befunden, nur sehr selten kann eine Kausalität bewiesen werden.“  Essenziell für die Einordnung der Wahrscheinlichkeit eines kausalen Zusammenhangs sei der zeitliche Aspekt zwischen Medikamenten-Applikation und Krankheitsmanifestation. Eine BAL mit Nachweis einer signifikanten Lymphozytose und/oder Eosinophilie könne die Diagnose unter- stützen und sollte auch zur Differenzialdiagnostik einer infektiösen Genese erfolgen. Therapeutisch stehe das sofortige Absetzen des verdächtigen Medikaments im Vordergrund.