Eine 72-jährige Frau mit Schizophrenie und Beinvenenthrombose

  • Dr. med. Thomas Kron
  • Patienten-Fall
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Kernbotschaften

Wenn bei einem Patienten mit einer tiefen Beinvenenthrombose ein auslösendes Ereignis nicht identifiziert werden kann, sollte eine bis dahin unbekannte Tumorerkrankung als Ursache erwogen werden. Daran erinnern Dr. Rosemary Poulose sowie Dr. L. Christian Napp und ihre Kollegen der Medizinischen Hochschule Hannover in einem aktuellen Zeitschriftenbeitrag. Anlass ist die Krankengeschichte einer 72-jährigen Frau.

Die Patientin und ihre Geschichte

Die Frau wurde aufgrund einer paranoiden Schizophrenie seit drei Monaten stationär behandelt. Eine wegen unzureichender Mobilität indizierte subkutane Thrombose-Prophylaxe habe die Patientin verweigert, berichten die Autoren. Drei Monate nach der Aufnahme in die Klinik habe sie über plötzlich aufgetretene Schmerzen und eine Schwellung im rechten Bein geklagt. 

Die Befunde

  • Schwellung des gesamten rechten Unterschenkels und Fußes, die am Knie dorsal in eine feste, nicht verschiebliche Raumforderung überging. 
  • Intakte periphere Durchblutung, Motorik und Sensibilität
  • Beweglichkeit im rechten Knie leicht reduziert 
  • Payr- und Meyer-Zeichen negativ
  • Laboruntersuchung: erhöhte D-Dimere (1,58 mg/l; Normwert 0–0,5 mg/l) 
  • Sonographie: zystenartige Raumforderung in der rechten Kniekehle
  • Duplexsonographie: Thrombose von der rechten Vena poplitea bis in das mittlere Drittel der Venae fibulares 
  • Thrombose -Therapie: Antikoagulation mit Tinzaparin s.c. sowie Kompressionsverband, nach fünf Tagen Umstellung auf Edoxaban 

Weitere Befunde, Diagnose und Therapie

  • Röntgenuntersuchung des rechten Kniegelenks: Tumor der poplitealen Weichteile mit „popcornartigen“ Transparenzminderungen, röntgenologisch nicht eindeutig vom posterioren Tibiaknochen abgrenzbar 
  • Eine Computertomographie mit venöser Kontrastmittelphase:  Markraumkontinuität der Raumforderung und angrenzende chondroide Matrixverkalkung 
  • Kernspintomographie: Raumforderung ebenfalls mit Markraumkontinuität der Basis sowie einem typischen chondroiden Signalverhalten der Kappe mit kräftiger Hyperintensität, Kompression der Vena poplitea 

Diagnose: Thrombose der Poplitealvene und sekundär entartete kartilaginäre Exostose (Chondrosarkom) der Tibia. 

Therapie: Operative Resektion des Tumors; Fortsetzung der präoperativ begonnenen Antikoagulation 

Diskussion 

Wenn eine Thrombose diagnostiziert wird, liegt nach Angaben der Autoren in ca. 15% der Fälle ein bekanntes und in ca. 3–15 % der Fälle ein nicht bekanntes Malignom vor. Zu den häufigsten Krebserkrankungen, die mit einem hohen Risiko für venöse Thromboembolien verbunden seien, gehörten Malignome des Gehirns, des Pankreas, der Lunge, und des Gastrointestinaltrakts. 

Die Leitlinien der Arbeitsgemeinschaft der Wis- senschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften empfehlen, wie die Autoren weiter erklären, „außer einem Basislabor ein individuelles Vorgehen und zunächst die Komplettierung der alters- und geschlechtsspezifischen Vorsorgeuntersuchungen, ggf. inklusive eines Röntgenbilds des Thorax und einer Sonographie des Abdomens“.

Kartilaginäre Exostosen (syn. Osteochondrom) seien gutartige Knochentumoren, die entarten könnten und dann als sekundäres Chondrosarkom bezeichnet würden. Chondrosarkome machen laut Poulose und ihren Kollegen etwa 20 % der malignen Knochentumoren aus. In seltenen Fällen sei berichtet worden, dass sie in Gefäße infiltrierten und metastasierten, wodurch Thrombembolien entstehen könnten.