Eine 63-jährige Frau mit Bauchschmerzen und unklarem radiologischem Befund
- Dr. med. Thomas Kron
- Patienten-Fall
Kernbotschaften
Bei einer älteren Frau mit schon länger bestehenden Unterleibsschmerzen kommen als Ursache zum Beispiel eine Endometriose, Ovarialzysten, Myome und auch maligne Tumoren von Organen im Bauch - und Beckenraum infrage. Eine seltene Ursache, die differenzialdiagnostisch relevant sein kann, haben iranische Ärzte vom Sina Hospital in Tehran bei einer 63-jährigen Frau entdeckt.
Die Patientin und ihre Geschichte
Die 63-jährige Frau wurde wegen chronischer Unterleibsschmerzen, die in letzter Zeit zugenommen hatten, in die chirurgische Abteilung des Sina-Krankenhauses in Teheran eingeliefert. Über andere Symptome wie Übelkeit, Erbrechen, Durchfall, Appetitlosigkeit und Gewichtsverlust habe sie nicht geklagt, berichten die Autoren. Die Anamnese einschließlich der Familienanamnese sei unauffällig gewesen.
Die Befunde
- Unauffällige Vitalparameter, Abdomen weich, kein auffallender Tastbefund
- Die Laboranalyse: außer einer leichten Leukozytose unauffällig
- Radiologische Diagnostik (keine Angaben der Methode): unklare „Masse im Zökum“
Aufgrund der klinischen Symptomatik und des radiologischen Befundes wurden eine Hemikolektomie rechts und eine paraortale Lymphknotendissektion vorgenommen. Die histopathologische Untersuchung (einschließlich immunhistochemischer Färbung) von Gewebe aus Kolon, Zökum, des terminalem Ileum und Appendix ergaben die Diagnose einer Mastozytose. Nach der Operation wurde die Patientin aufgrund ihres kritischen Zustands auf die Intensivstation verlegt, wo sie nach einigen Tagen allerdings starb.
Diskussion
Eine isolierte Mastozytose im Gastrointestinaltrakt sei selten, erklären die iranischen Autoren um Arezoo Eftekhar Javadi; bei der Differenzialdiagnose verschiedener gastrointestinaler Tumore sei jedoch Vorsicht geboten.
Unter Mastozytosen fallen nach Angaben von Dr. Karin Jäger (Medizinische Universität Wien) mehrere seltene Erkrankungen, die durch die klonale Vermehrung von Mastzellen in unterschiedlichen Geweben gekennzeichnet sind. Meist seien Haut und/oder Knochenmark befallen; es könnten aber auch Gastrointestinaltrakt, Leber, Milz und Lymphknoten betroffenen sein Die WHO-Klassifikation teile die Erkrankung in kutane und systemische Mastozytosen und Mastzellsarkome ein. Auf die Haut limitierte Erkrankungen bezeichne man als kutane Mastozytose; bei der Beteiligung eines extrakutanen Organs werde von einer systemischen Mastozytose gesprochen.
Die Mastozytose ist, wie die Wiener Dermatologin weiter erläutert, eine seltene Erkrankung. Die Prävalenz werde auf ca. 1:10.000 geschätzt, bei einer jährlichen Inzidenz von ca. 1:100.000 Personen. Sie könne bereits bei Geburt vorhanden sein oder in jedem anderen Lebensalter auftreten.
Die Behandlung verfolge in Abhängigkeit der Erkrankungskategorie unterschiedliche Ziele und reiche von einer symptomatischen Therapie mit dem Ziel der Beschwerdekontrolle bis hin zu zytoreduktiven Therapien bei den fortgeschrittenen Formen der systemischen Mastozytose, erläutert Dr. med. Frank Siebenhaar vom Institut für Allergieforschung Charité. Da kurative Therapie-Optionen bislang fehlten, stehe die Symptomkontrolle im Fokus der Behandlung der kutanen und indolenten systemischen Mastozytose.
Basis der symptombezogenen Therapie sei die Behandlung mit oralen H1-Antihistaminika der zweiten Generation in Kombination mit H2-Rezeptorblockern. Laut Siebenhaar wird empfohlen, alle erwachsenen Patienten mit einem Notfallset, inklusive einem Epinephrin-Autoinjektor, und einem Notfallpass auszustatten.
Bei gastrointestinalen Beschwerden sprächen einige Patienten gut auf Dinatriumcromoglycat an. Bei Patienten mit Anaphylaxie sollte dem Autor zufolge möglichst eine spezifische Immuntherapie eingeleitet und lebenslang fortgeführt werden. Zur Behandlung der sekundären Osteoporose empfehle sich eine interdisziplinäre Zusammenarbeit. Trotz des Einsatzes hochdosierter Kombinationstherapien könnten jedoch die klinischen Beschwerden bei vielen Patienten nicht ausreichend gut kontrolliert werden. Dies weise auf den hohen Bedarf an neuen und besseren Therapieoptionen hin.
Seit einigen Jahren nehmen laut Siebenhaar die Tyrosinkinase-Inhibitoren (TKI) vermehrt Einzug in die Behandlung der systemischen Mastoztose. Seit 2017 sei der Multikinaseinhibitor Midostaurin zugelassen, eine neue Substanz sei Avapritinib. Die neuere TKI-Generation zeichne sich durch eine erheblich bessere Verträglichkeit aus und erlaube somit „erstmals auch deren Verwendung zur Behandlung der indolenten Formen der Mastozytose“. Avapritinib, als ein erster Vertreter dieser Gruppe, durchlaufe aktuell die klinische Entwicklung. Aufgrund ihres Wirkspektrums am Entstehungsort der Mastozytose, nämlich der KIT-D816V-Mutation, könnten diese Medikamente „einen echten Wandel in der Therapie der Mastozytose hervorrufen“, so Siebenhaar abschließend.
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