Eine 43-jährige Frau mit Herzrasen und Schwindel
- Dr. med. Thomas Kron
- Patienten-Fall
Kernbotschaften
Klagen Patienten über häufige Palpitationen und treten Präsynkopen auf, sollte auf keinen Fall vorschnell die Diagnose Panikattacke gestellt werden, sondern immer ein EKG angefertigt werden. Dies empfehlen die Notfallmedizinerin Dr. med. Saskia Zimmermann und Kollegen vom Universitätsklinikum Jena. Dass die elektrophysiologische Diagnostik in solchen Fällen eine Selbstverständlichkeit sein sollte, verdeutlicht zum Beispiel die Kasuistik einer 43-jährigen Frau.
Die Patientin und ihre Geschichte
Wie Saskia Zimmermann und ihre Kollegen berichten, stellte sich die Frau stellte sich wegen seit ca. zwei Jahren auftretenden passageren Anfällen von Herzrasen und Schwindel in der Universitätsklinik vor. Die Episoden seien unprovoziert, allerdings gehäuft in Stresssituationen, aufgetreten. Bei einer ambulanten Untersuchung einschließlich cMRT sei ein Mitralklappenprolaps diagnostiziert und die Symptomatik als Panikattacke gewertet worden.
Die Fragen nach Brustschmerzen oder Luftnot sowie Konsum von Alkohol und illegalen Drogen habe die Frau verneint; allerdings habe sie geraucht (Nikotinkonsum: ca. 10 „pack years“). Außer einer Faktor-V-Leiden-Mutation seien keine Vorerkrankungen bekannt gewesen, auch habe es in der Familie keine strukturellen Herzerkrankungen oder plötzliche Todesfälle gegeben.
Die Befunde
- Blasse, unruhige, agitierende Frau
- Tachypnoe und Tachykardie, Herzfrequenz ca. 120/min
- Bedside-Monitoring: multiple monomorphe Extrasystolen mit intermittierenden Salven
- 12-Kanal-EKG: nicht-beständige ventrikuläre Tachykardie (VT) mit einer den Autoren zufolge für den rechtsventrikulären Ausflusstrakt („right ventricular outflow tract“ [RVOT]) charakteristischen Morphologie
- Herzenzyme, D‑Dimere, Entzündungsparameter und Schilddrüsenparameter: normwertig
- Leichte Hypokaliämie (3,0 mmol/l) bei respiratorischer Alkalose
Therapie und Verlauf
Wie die Autoren weiter berichten, wurde die Frau entsprechend dem ACLS-Algorithmus der American Heart Association mit Amiodaron und Magnesium behandelt; zudem habe sie Kalium erhalten. Aufgrund der Agitation sei die Patientin mit Midazolam sediert worden; diese Maßnahmen hätten die Beschwerden gelindert; zudem habe sich ein Sinusrhythmus eingestellt.
Eine zusätzliche Diagnostik (Kardio-MRT mit Kontrastmittel, TTE, 24-Stunden-EKG) lieferte keinen Nachweis einer strukturellen Herzerkrankung und eines Mitralklappenprolapses.
Nach Therapiebeginn mit Bisoprolol und fünftägiger Beschwerdefreiheit ohne erneute VT-Intervalle habe die Patientin das Krankenhaus verlassen können.
Diskussion
Rund 80 Prozent aller VT ohne zugrunde liegende strukturelle Herzerkrankung haben nach Angaben der Autoren ihren Ursprung im rechtsventrikulären Ausflusstrakt. Die Hypokaliämie oder Stress seien möglicherweise ein Trigger für die VT gewesen. Die idiopathische RVOT-VT betreffe häufiger Frauen als Männer, zumeist im dritten bis fünften Lebensjahrzehnt.
Diagnostisch verwendet werden könnten eine umfassende Eigen- und Familienanamnese, ein 12-Kanal-EKG während symptomatischer Episoden, eine Echokardiographie sowie ein Langzeit-EKG, eine Kardio-MRT und ggf. auch eine elektrophysiologische Untersuchung, Biopsie, Autoimmunserologie und eine PET-CT.
Die Prognose sei bei RVOT-VT als „benigner“ Form einer ventrikulären Rhythmusstörung meist gut. Prognostisch ungünstige Faktoren seien unter anderen häufige Synkopen, der Übergang in Kammerflimmern und der plötzliche Herztod.
Betablocker, Kalziumkanalblocker (Verapamil) oder Klasse-I-Antiarrhythmika (Flecainid) sowie die Katheterablation seien Behandlungsoptionen, berichten die Autoren weiter; die Ablation habe insgesamt eine höhere dauerhafte Erfolgsrate als die medikamentöse Therapie und werde in der aktuellen ESC-Leitlinie 2022 als Erstlinientherapie bei symptomatischer RVOT-VT empfohlen.
Im Akutfall rieten die aktuellen ESC-Leitlinien bei einem instabilen Patienten zu elektrischen Kardioversion. Bei stabilem Patienten und Verdacht auf eine supraventrikuläre Genese werde ein Vagusmanöver oder die Gabe von Adenosin empfohlen.
Auch bei nichtsupraventrikulärem Ursprung könne Adenosin die VT potenziell beenden. In jedem Fall sollte die VT rasch beendet werden. Auch bei einem stabilen Patienten ist nach weiteren Angaben der Autoren die elektrische Kardioversion möglich „und bei einer Risikokonstellation für eine Sedierung die Gabe von Procainamid oder Amiodaron“. Weitere Therapiemöglichkeiten bei bekanntem Ursprung der VT seien Betablocker oder Verapamil.
Differenzialdiagnostisch zu erwägen seien bei Auftreten von Tachykardien aus dem rechten Ventrikel eine arrhythmogene rechtsventrikuläre Kardiomyopathie, eine kardiale Sarkoidose, eine Myokarditis sowie ein Brugada-Syndrom und fokale Reentry-Tachykardien.
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