Eine 40-jährige Frau mit progredienter Niereninsuffizienz

  • Dr. med. Thomas Kron
  • Patienten-Fall
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Kernbotschaften

Bei Patienten mit akutem Nierenversagen kommt als Ursache unter anderem eine tubulointerstitielle Nephritis infrage. Die Diagnose könne nur durch eine Nierenbiopsie gesichert werden, erklären Dr. med. Tuhama Chahoud-Schriefer und ihre Kollegen vom Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf. In einem Zeitschriftenbeitrag schildern sie die Krankheitsgeschichte einer Frau mit akutem Nierenversagen.

Die Patientin und ihre Geschichte

Die 40-jährige, aus Eritrea stammende Patienten kam zur Abklärung einer progredienten Niereninsuffizienz in die Hamburger Universitätsklinik. Ein Jahr zuvor sei die Nierenfunktion mit einem Serumkreatinin von 0,8 mg/dl normal gewesen. Wegen chronisch diffuser Unterbauchschmerzen habe sie vor einigen Wochen die Notaufnahme des Krankenhauses aufgesucht. Als Ursache der Symptome sei eine Kolpitis diagnostiziert worden. Medikamente habe die Patientin nicht eingenommen. Dokumentierte Vorerkrankungen: Urogenitaltuberkulose mit Ad- nexektomie links und Adhäsionen der belassenen Adnexe rechts.

Die Befunde

  • Afebrile Patientin in stabilem Allgemeinzustand mit unauffälligen Vitalparametern

  • Körperliche Untersuchung ohne wegweisenden Befund

  • Serumkreatinin 2,1 mg/dl

  • C-reaktive Protein 16mg/l

  • Hämoglobinwert 11,4 g/dl

  • Albuminurie im Spontanurin  2,4 g/g Kreatinin.

  • Urinsediment: vereinzelte Erythrozyten ohne Akanthozyten oder Zylinder

  • Abdomen-Sonographie: Nieren beidseits normal groß, morphologisch kein Hinweis auf eine Harnabflussstörung; kein Korrelat für die Unterbauchschmerzen

  • Nierenbiopsie: mittelschwere herdförmige, teils chronisch vernarbende, teils floride nichteitrige interstitielle Nephritis 

Anhand der laborchemischen und histologischen Befunde bestand nach Angaben der Autoren eine tubulointerstitielle Nephritis unklarer Genese. Aufgrund der Vorgeschichte (Urogenitaltuberkulose) sei eine Mykobakteriendiagnostik des Urins veranlasst worden; nach einer Latenzzeit von 6 Wochen sei der kulturelle Nachweis von Mycobacterium-tuberculosis-Komplex im Urin gelungen.

Ausgehenden von den vorliegenden Befunden sei nun von einer interstitiellen Nephritis bei Rezidiv der bekannten Urogenitaltuberkulose ausgegangen worden. Die Nierenbiopsie habe keine granulomatösen Veränderungen und keine säurefesten Stäbchen ergeben.

Therapie und Verlauf

  • Antituberkulöse Therapie mit Rifampicin, Isoniazid plus Vitamin B6, Ethambutol sowie Pyrazinamid, nach zwei Monaten 2-fach-Therapie mit Rifampicin und Isoniazid/Vitamin B6; Therapie-Ende nach sieben Monaten

  • Nierenfunktion nach der Therapie unverändert (Serumkreatinin zuletzt 2,7 mg/dl, glomeruläre Filtrationsrate 21 ml/min). Eine erneute Mykobakteriendiagnostik des Urins sei negativ gewesen.

Diskussion

Die akute tubulointerstitielle Nephritis (ATIN) ist nach Angaben der Autoren eine häufige und unter- diagnostizierte Entität des akuten Nierenversagens. Die Diagnose könne nur durch eine Nierenbiopsie gesichert werden. Fehle wie im Fall der 40-jährigen Patientin eine Medikamenten-Exposition, sollten infektiöse Ursachen und eine Nierenbeteiligung bei Systemerkrankungen abgeklärt werden.

Basismaßnahme sei das Absetzen der auslösenden Medikation oder die Therapie der infektiösen Ursache bzw. zugrunde liegenden Systemerkrankung.

Nach Absetzen der auslösenden Medikation komme es in den meisten Fällen zu einer Erholung der Nierenfunktion. In bis zu 40% der Fälle werde allerdings nur eine partielle Remission erreicht, am ehesten bedingt durch eine rasche Transformation der inflammatorischen Läsionen in eine interstitielle Fibrose und Tubulusatrophie.

Insbesondere bei der TB-assoziierten Form der ATIN ist, wie die Autoren weiter betonen, eine rechtzeitige Diagnose für die renale Prognose bedeutsam. Denn sei eine fortgeschrittene Niereninsuffizienz bei TB-assoziierter ATIN bereits eingetreten (glomeruläre Filtrationsrate < 15 ml/min), würden 75 % der Patienten innerhalb eines Jahres dialysepflichtig.

Trotz unsicherer Datenlage werde derzeit in den meisten klinischen Zentren eine Steroidtherapie be- gonnen (1 mg/kgKG, Ausschleichen über 4–6 Wochen), sollte sich die Nierenfunktion nicht innerhalb von 3 bis 5 Tagen nach Absetzen des auslösenden Medikaments bessern. Es gebe Hinweise darauf, dass ein zeitnaher Beginn der Steroidtherapie mit einem besseren renalen Ergebnis assoziiert sei. Eine kurzfristige Steroidtherapie sollte frühzeitig erwogen werden.