Kernbotschaften
Bei akutem, weniger als sechs Wochen andauerndem Pruritus ist eine gezielte Stufendiagnostik indiziert. Für die Therapie hat sich Naloxon i.v. als schnelle und effektive Option bei massivem Pruritus auf primär unveränderter Haut gezeigt. So lauten die Empfehlungen eines Dermatologen-Teams um Dr. med. Katharina C. Jäger von der Hautklinik des Klinikums Ludwigshafen. Anlass ist die Krankengeschichte eines 59-jährigen Mannes, der sich im August 2021 notfallmäßig wegen starkem Jucken ohne Hautveränderungen vorstellte.
Der Patient und seine Geschichte
Nach Laparotomie vor 20 Jahren seien wegen einer schmerzhaften Narbenhernie 1 Woche zuvor in einem anderen Krankenhaus eine Herniotomie und Hernioplastik durchgeführt worden. Seitdem leide der Patient an extrem starkem Pruritus. Gegen eine langjährige biopolare Störung erhielt er Quetiapin, Venlafaxin und Olanzapin. Fremdanamnestisch habe es Hinweise auf Drogenmissbrauch in der Vergangenheit gegeben (aktuell nicht). Bekannt sei eine Penicillin-Allergie. Vor der Vorstellung im Klinikum Ludwigshafen aufgrund des Pruritus sei eine Therapie mit Prednisolon p.o. versucht worden. Bei der Vorstellung habe der Patient täglich 6 bis 8 Tabletten Hydroxyzin (25 mg) eingenommen, was den am gesamten Körper bestehenden Pruritus jedoch nur wenig gelindert habe.
Klinische Befunde und Diagnose
- Untersuchung der Haut unauffällig (Ausnahme die Operationsnarbe), nur geringe Kratzspuren
- Die klinische Diagnose lautete: „akuter Pruritus auf primär unveränderter Haut unklarer Genese“.
- Eine neurologische Untersuchung ergab den Autoren zufolge keine Hinweise auf eine neurologische Ursache des Pruritus. In der psychiatrischen Untersuchung sei eine Manie bei bipolarer Störung diagnostiziert worden. Empfohlen wurde eine Anpassung der Psychopharmaka-Medikation. Zudem wurde eine Therapie mit Lithium eingeleitet.
- Labordiagnostik: großes Blutbild, Leber-, Nieren-, Schilddrüsenwerte, Gesamt-Eiweiß, HbA1c, Bilirubin, Harnsäure, Lipase, Ferritin, Transferrin, Kalzium, Phosphat und LDH waren unauffällig, ebenso ein Urintest
- Hepatitis- sowie HIV-Serologie ohne Anhalt für eine akute oder chronische Infektion.
Therapie und Verlauf
Zur Durchbrechung des schweren Pruritus wurden einmalig Prednisolon 80 mg p.o. und Clemastin (10 mg über 24 h im Perfusor) verabreicht. Additiv wurden kühlende Externa angewendet. Wegen ausbleibender kompletter Reduktion des Pruritus beendeten die behandelnden Ärztinnen und Ärzte die Therapie mit den Antihistaminika (Clemastin und Hydroxyzin) und dem Steroid. Stattdessen leiteten sie eine intravenöse Therapie mit Naloxon 0,4 mg täglich über 4 h an 5 aufeinanderfolgenden Tagen ein. Bereits nach der ersten Gabe von 0,4 mg Naloxon sei es zu einer deutlichen Reduktion des Pruritus gekommen. Nach Beendigung der Therapie habe der Patient ohne jegliche Juckempfindung aus dem Krankenhaus entlassen werden können, berichten die Dermatologen.
Diskussion
Bei Pruritus auf primär unveränderter Haut müssen nach Angaben von Katharina C. Jäger und ihren Kollegen in erster Linie internistische, neurologische und psychische Erkrankungen und Medikamente als Auslöser geprüft werden. Im Fall des 59-jährige Mannes sei die Ursache unklar geblieben; vermutet werden könnte eine „passagere metabolische Störung evtl. im Rahmen der kürzlich zurückliegenden Operation, bei Selbstmedikation im Rahmen der bipolaren Störung oder Drogenkonsum“. Die Verabreichung von Hydroxyethylstärke während der Narkose als möglicher Pruritus-Auslöser sei ausgeschlossen worden, ebenso eine HIV-Infektion; eine nephrogene bzw. hepatische Ursache habe nicht nachgewiesen worden. Die Dauertherapie der Psychopharmaka sei als Ursache des akuten Pruritus unwahrscheinich, „da diese eher für chronischen Pruritus verantwortlich gemacht werden“.
Unmittelbar erfolgreich sei die systemische Therapie mit Naloxon gewesen. Der nichtselektive μ-Opioidrezeptor-Antagonist werde in der Pruritustherapie „off-label“ eingesetzt. Insbesondere bei Patienten mit chronischem Pruritus habe oral verabreichtes Naltrexon das Juckempfinden reduziert. Wie μ- Opioidrezeptoren mit Pruritus zusammenhängen, ist denn Dermatologen zufolge noch nicht abschließend geklärt. Es habe allerdings gezeigt werden können, dass eine Aktivierung des Rezeptors häufig Juckempfinden auslöse sowie eine Hemmung die Symptome lindere.
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