Ein Mann mit einem ungewöhnlichen Befund in der Mundhöhle
- Dr. med. Thomas Kron
- Patienten-Fall
Kernbotschaften
Klagt ein Patient, dass seine Oberkiefer- oder Unterkieferprothese nicht mehr richtig sitzt, ist in erster Linie ein Zahnarzt oder eine Zahnärztin gefragt. Man muss aber kein Zahnmediziner oder Kieferchirurg sein, um mit einem Blick einen krankhaften Befund zu erheben und die weitere Abklärung zu beschleunigen. Für die Prognose eines betroffenen Patienten kann dies relevant sein, wie unter anderen die Krankengeschichte eines Mannes zeigt, die Dr. med. Uli Dirk Haide und seine Kollegen von der Klinik für Mund-, Kiefer-, Gesichtschirurgie & Plastische Chirurgie am Universitätsklinikum Jena berichten.
Der Patient und seine Geschichte
Der 71-jährige Mann habe sich den Autoren zufolge initial wegen einer nicht mehr sitzenden Oberkieferprothese bei seinem Zahnarzt vorgestellt und sei nach der klinischen Untersuchung umgehend an die das Universitätsklinikum Jena überwiesen worden.
Befunde und Diagnose
- Intraorale Untersuchung: etwa 2 × 3 cm messende, derbe, nicht verschiebliche Raumforderung im Bereich des rechten Oberkiefers
- Radiologische Diagnostik: Suspekte Transparenzminderung im Bereich des rechten Oberkiefers im Orthopantomogramm und Kontrastmittel aufnehmende Raumforderung im Bereich des rechten Oberkiefers im Computertomogramm
- Weitere Untersuchungen zeigten keine verdächtigen zervikalen Lymphknoten oder Fernmetastasen.
Die Differenzialdiagnosen waren nach Angaben der Autoren ein Hämangiom, eine arteriovenöse Malformation sowie eine Metastasierung eines bisher unerkannten Primärkarzinoms. Die histologische Untersuchung nach Biopsie der intraoralen Geschwulst ergab ein malignes Hämangioperizytom (HPC).
Therapie und Verlauf
Resektion des Hämangioperizytoms; die histopathologische Aufarbeitung der Resektats zeigte nach Angaben der Autoren ein komplett reseziertes HPC ohne Nachweis einer lymphatischen oder systemischen Metastasierung. Sechs Monate nach der ersten Operation sei der Alveolarkamm des rechten Oberkiefers mit einem autologen Beckenkammtransplantat augmentiert worden. Danach habe der Patient mehrere Implantate und eine Totalprothese des Oberkiefers erhalten. Zum Zeitpunkt des Verfassens dieses Fallberichts sei der Patient seit 6 Jahren frei von Lokalrezidiven und Metastasen.
Diskussion
Das Häman- gioperizytom (HPC) wurde erstmals im Jahr 1942 als vaskuläre Neoplasie beschrieben. Es entwickelt sich aus Zellen, die Blutgefäße umgeben und als Perizyten bezeichnet werden.
Hämangioperizytome können in den verschiedensten Lokalisationen und Geweben auftreten. So berichten zum Beispiel HNO-Ärzte der TU München über einen Mann mit einem HCP der Wange. Ärzte vom Kantonspital Liestal in der Schweiz schildern die Krankheitsgeschichte eines Patienten mit einem sinunasalen Hämangioperizytom, und Marburger Ärzte berichten über einen Patienten mit einem retroperitonealen Hämangioperizytom und mehrfachen Rezidiven - selbst 20 Jahre nach der Erstdiagnose.
Am häufigsten tritt die Neoplasie zwischen dem 40. und 49. Lebensjahr auf. Eine Geschlechtspräferenz habe bisher nicht nachgewiesen werden können. Die 10-Jahres-Überlebensrate betrage ca. 70 Prozent, so Haide und seine Kollegen. Zur Erkennung im Frühstadium seien eine gründliche intraorale Untersuchung, bildgebende Diagnostik (Röntgen, Computer- tomographie mit Kontrastmittel) sowie eine histologische Untersuchung notwendig. Eine frühzeitige Diagnose und die radikale Entfernung aller Tumorzellen seien entscheidend für eine adäquate Behandlung und die Vermeidung von Lokalrezidiven.
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