Ein Mann mit „Alkoholproblemen“, Ibuprofen-Konsum und hohen Leberenzym-Werten
- Dr. med.Thomas Kron
- Patienten-Fall
Kernbotschaften
Bei Verdacht auf einen medikamenten-induzierten Leberschaden (DILI: drug induce liver injury) sollte auch an nicht-steroidale antientzündliche Wirkstoffe (NSAID: nonsteroidal anti-inflammatory drugs) als mögliche „Verursacher“ gedacht werden. Dies raten Kirsten Wong und ihre Kollegen der Universität von Kalifornien in Los Angeles. Anlass ist die Krankengeschichte eines 64-jährigen Mannes.
Der Patient und seine Geschichte
Der 64-jährige Mann kam mit akuten Bauchschmerzen im rechten oberen Quadranten in die Notaufnahme der Klinik in Los Angeles (David Geffen School of Medicine, University of California). Die Anamnese ergab „Alkoholprobleme“, eine Cholezystektomie drei Monate zuvor wegen Cholezystolithiasis und eine Kolostomie (Abdomen-Schusswunde). Der Mann gab an, seit mehr als einem Jahr keinen Alkohol mehr getrunken zu haben, in letzter Zeit nicht gereist zu sein und keine illegalen Drogen zu konsumieren. Wie die Autoren weiter berichten, nahm der Patient wegen chronischer Schulterschmerzen seit etwa zwei Wochen Ibuprofen 600 mg viermal täglich, seit einer Woche Methocarbamol 750 mg viermal täglich und Hydrocodon 5 mg/Acetaminophen 325 mg zweimal täglich.
Befunde, Verlauf und Diagnose
Erhöhte Leberwerte (Aspartat-Transaminase 761 U/L, Alanin-Aminotransferase 763 U/L und alkalische Phosphatase (ALP) 198 U/L)
Gesamtbilirubin 0,8 mg/dL und Lipase 20 U/L
Die Untersuchung auf ein akutes Leberversagen verlief negativ.
Blutbild: unauffällig (einschließlich der Eosinophilenzahl)
Virus-Serologie negativ (Hepatitis A, B, C und E, Herpes-simplex-Virus, HIV, Cytomegalovirus, Epstein-Barr-Virus ), PCR auf SARS-CoV-2 negativ, ebenso Antikörper gegen glatte Muskeln und Mitochondrien
TSH-Wert normal
Der Acetaminophen-Serumspiegel betrug <10 μg/ml (Referenzbereich 10-20 μg/ml), ein toxikologischer Urintest war positiv auf Opiate.
Ultraschall-Befund: dilatierte intra- und extrahepatische Gallengänge, keine Anzeichen einer Striktur oder Obstruktion; Pfortader und Leberarterien durchgängig
Computertomographie des Abdomens: leichte Hepatosplenomegalie mit diffuser Lebersteatose, Pankreas-Kalkablagerungen, chronischer Milzvenenthrombus
Während des Krankenhausaufenthalts des Patienten nahmen die Bauchschmerzen ab, die Leberenzym-Werte sanken (Aspartat-Transaminase-Wert 597 U/L, Alanin-Aminotransferase-Wert 163 U/L und alkalische Phosphatase-Wert 198 U/L)
Diagnose: Angesichts des Ausmaßes der erhöhten Leberenzymwerte, der Besserung nach Absetzen von Ibuprofen und der und der geringeren Wahrscheinlichkeit anderer Ursachen für die akute Leberschädigung war nach Angaben der Autoren das Krankheitsbild des Patienten am ehesten mit einer Ibuprofen-induzierten DILI vereinbar.
Diskussion
Wie die Autoren weiter berichten, ist der Mechanismus von Ibuprofen und anderen NSAID-bedingten Leberschäden unklar; eine Hypothese deute auf eine immunvermittelte Ursache hin. Diese Hypothese werde durch die Tatsache gestützt, dass NSAID-bedingte DILI nicht dosisabhängig zu sein scheinen; außerdem sei bei einer Überdosierung von Ibuprofen ein toxischer Leberschaden sehr selten. Andere Studien hätten einen linearen Zusammenhang zwischen der Behandlungsdauer und dem Risiko für NSAR-bedingte DILI festgestellt. Diese Daten sprächen für eine andere Hypothese: Danach entstehen die Leberschäden durch die Akkumulation der Plasmakonzentration von NSAIDs und ihren toxischen Metaboliten. Ibuprofen werde durch Cytochrom-P450-Enzyme abgebaut und hepatisch durch UDP-Glucuronosyl-Transferasen metabolisiert. Genetische Polymorphismen, die diese Enzyme betreffen, sind den Autoren zufolge nachweislich häufiger bei Personen anzutreffen, die Diclofenac-bedingte Leberschäden entwickelt haben.
Hepatitis B und C, nichtalkoholische Fettlebererkrankungen und Umweltfaktoren wie die Ernährung erhöhten nachweislich das Risiko für DILI, berichten Kirsten Wong und ihre Kollegen weiter. Höheres Alter und weibliches Geschlecht seien ebenfalls mit einem erhöhten Risiko in Verbindung gebracht worden. Nach Angaben der Autoren liegt die Vermutung nahe, dass der Alkohol-Konsum des Mannes und dessen Auswirkungen auf den Leberstoffwechsel ihn für NSAID-bedingte Leberschäden prädisponiert haben könnte.
Dieser Volltext ist leider reserviert für Angehöriger medizinischer Fachkreise
Sie haben die Maximalzahl an Artikeln für unregistrierte besucher erreicht
Kostenfreier Zugang Nur für Angehörige medizinischer Fachkreise