Ein Kind mit intermittierend auftretendem „Tumor“ am Hals

  • Dr. med. Thomas Kron
  • Patienten-Fall
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Kernbotschaften

Bei einer einseitigen Schwellung am Hals besteht oft Verdacht auf einen Tumor. Eine seltene Ursache für einen solchen Befund haben Dr. Nadhi Taera (Klinik für Kinder- und Jugendmedizin Vivantes Klinikum im Friedrichshain) und ihre Kollegen bei einem sechsjährigen Jungen entdeckt. 

Der Patient und seine Geschichte

Die Eltern des Kindes kamen mit ihrem Sohn in die Klinik, weil ihnen eine seit mehreren Wochen bestehende einseitige Schwellung seines rechten Halses aufgefallen war. Diese trete nach Angaben der Eltern intermittierend nur beim Schreien und Luftanhalten auf und sei nicht schmerzhaft. Weitere Symptome  habe das Kind nicht; ein Trauma sei nicht erinnerlich. 

Die Befunde

  • Bei der klinischen Untersuchung lässt sich die Schwellung des rechten Halses laut Nadhi Taera durch Luftanhalten provozieren. Die Schwellung sei reversibel und weder pulsatil noch druckschmerzhaft. 
  • Sonografie des Halses: zunächst unauffällige ipsilaterale Vena jugularis interna.
  • Erneute Sonografie: auffallende Doppelkontur der posteromedialen Gefäßwand der linken Vena jugularis interna.
  • Valsalva-Manöver: Die linke Vena jugularis interna weitet sich in diesem Bereich zu einem sakkulären Aneurysma auf, das sich bis auf die kontralaterale rechte Halsseite ausbreitet.
  • Rechte Vena jugularis interna, beide Arteriae carotides, Schilddrüse, Ösophagus und Trachea sonografisch unauffällig.
  • Kardiologische Diagnostik inklusive Elektrokardiogramm und Echokardiografie ebenfalls unauffällig.

Diagnose und Verlauf

Die sonografisch gestellte Diagnose lautete: Phlebectasia Venae jugularis internae. Wie die Autoren weiter berichten, entschieden sie sich für ein beobachtendes und abwartendes Vorgehen: Über einen Zeitraum von 1,5 Jahren blieb das Kind beschwerdefrei und der vaskuläre Befund gleich groß. 

Diskussion 

Die Phlebectasia jugularis ist den Kinderärzten zufolge eine seltene Anomalie des venösen Systems. Sie betreffe meist die Vena jugularis interna, könne aber auch die Vena jugularis externa oder anterior betreffen. Am häufigsten werde die Erkrankung bei Kinder unter zehn Jahren festgestellt, bei Jungen etwas häufiger als Mädchen, sodass viele Autoren die Erkrankung für kongenital hielten.

Das klassische Symptom einer Phlebectasia jugularis sei eine intermittierende Schwellung bei Erhöhung des intrathorakalen Drucks – wie beim Schreien oder dem Valsalva-Manöver. Weitere klinische Symptome wie eine Dysphagie, Dysphonie oder das Horner-Syndrom seien beschrieben worden und kämen durch den „raumfordernden“ Effekt zustande. Die Darstellung der Phlebectasia jugularis gelingt in den meisten Fällen einfach mittels Sonografie. 

Von einer Phlebectasia jugularis könne ab einem sonografisch gemessenen anterior-posterioren Durchmesser von 1,5 cm gesprochen werden, erklären die Pädiaterin und ihre Kollegen. Daher seien angiografische, computertomografische oder magnetresonanztomografische Verfahren nur in Ausnahmefällen notwendig; sie sollten vor allem zum Ausschluss weiterer Differenzialdiagnosen der Halsschwellung hinzugezogen werden. Dazu zählten Laryngozelen, Halszysten und Tumoren des Halses oder des oberen Mediastinums. Die Prognose der Phlebectasia jugularis sei sehr gut. Spontanrupturen seien bislang nicht beschrieben worden. Selten könne es zu Thrombosierungen, Schluckstörungen oder der Entwicklung eines Horner-Syndroms kommen. Eine Operationsindikation bestehe daher nur bei symptomatischen Patienten.