Ein junger Mann mit tödlicher Anaphylaxie beim Sex

  • Dr. med. Thomas Kron
  • Patienten-Fall
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Kernbotschaften

Eine schwere allergische Reaktion auf Erdnüsse ist kein ungewöhnliches Ereignis. Ungewöhnlich und vielleicht ein wenig delikat sind dagegen die Umstände, die bei einem Allergie-Patienten zu einer tödlichen Anaphylaxie geführt haben. Über diesen Fall berichten Dr. Samira Jeimy und ihre Kollegen von der University of Western Ontario im Fachmagazin „Allergy, Asthma & Clinical Immunology“.

Der Patient und seine Geschichte

Zwei  junge Männer hatten sich über eine Dating-App kennengelernt und dann Oralverkehr. Einer der Männer hatte vor der Begegnung Erdnussbutter gegessen, ohne dass der andere Mann, der eine  Erdnussallergie, eine allergische Rhinitis und schweres Asthma hatte, davon wusste. Während der insertiven Fellatio entwickelte der Allergiker eine Dyspnoe und kollabierte, so dass sein Partner einen Rettungsdienst alarmierte.

Therapie und Verlauf

Fünfundvierzig Minuten später traf der Rettungsdienst ein, intubierte und reanimierte den kollabierten Mann und verabreichte ihm Adrenalin. Nachdem der Spontankreislauf wiederhergestellt war, wurde der Patient mit Noradrenalin, Epinephrin und Salbutamol versorgt und in das örtliche Krankenhaus eingeliefert. Dort starb er jedoch am nächsten Tag. Die unmittelbare Todesursache war nach Angaben der kanadischen Autoren eine Lungenentzündung aufgrund einer „hypoxischen ischämischen Enzephalopathie“, die auf einen kardiorespiratorischen Stillstand infolge einer Anaphylaxie zurückzuführen war.

Diskussion

Die Differentialdiagnose für intimitäts-assoziierte Anaphylaxien ist breit gefächert und umfasst Latexüberempfindlichkeit, systemische Allergie gegen menschliches Seminalplasma, Übertragung von Nahrungsmittel- und Arzneimittelallergenen in Samenflüssigkeit, postorgasmisches Krankheitssyndrom und anstrengungsinduzierte Anaphylaxie. Zudem kann sexuelle Aktivität selbst bei Patienten mit Atemwegsallergien Symptome auslösen (sogenanntes „sexercise-induced asthma", Flitterwochen-Asthma).

Patienten mit Lebensmittel- oder Arzneimittelallergie können laut dem Allergologen Marco Caminati (Universität von Verona) nach dem Küssen einer Person, die das betreffende Lebensmittel oder Arzneimittel eingenommen hat, eine allergische Reaktion zeigen. Allergische Reaktionen seien nach leidenschaftlichen oder platonischen Küssen beschrieben worden und im Allgemeinen leicht oder mäßig ausgeprägt, wobei lokale Angioödeme und/oder Nesselsucht die häufigsten Symptome seien.

Allergische Reaktionen beim Küssen könnten allerdings auch lebensbedrohlich sein, erklärende kanadischen Autoren. Speichelanalysen hätten gezeigt, dass eines der wichtigsten allergenen Erdnussproteine, Ara h 1, bei bis zu zehn Prozent der Personen mehrere Stunden nach der Einnahme persistieren könne. Der Fall des jungen Mannes unterstreiche die Bedeutung der Sensibilisierung für Allergien sowie der Patientenaufklärung, insbesondere von jungen Menschen, die bereits ein erhöhtes Risiko für schwere Anaphylaxien hätten. Der Fall zeige zudem, wie wichtig die Aufklärung über die Indikationen für die Applikation von Adrenalin, die richtige Technik und die unverzügliche Anwendung bei Verdacht auf Anaphylaxie sei. Zu diskutieren sei, ob Partner vor Beginn von Intimitäten eigene Allergien offenlegen sollten.