Ein junger Mann mit krampfartigen Bauchschmerzen

  • Dr. med. Thomas Kron
  • Patienten-Fall
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Kernbotschaften

Blei wird als Streckungsmittel für illegale Drogen wie Heroin und Marihuana verwendet. Auf das giftige Schwermetall sollten allerdings nicht nur Drogen-Konsumenten achten, sondern auch Anhänger bestimmter traditioneller Heilmittel, wie die Krankengeschichte eines jungen Mannes zeigt, die Dr. med. Victor Suárez und seine Mitarbeiter vom Universitätsklinikum Köln in der „Deutschen Medizinischen Wochenschrift“ 

Der Patient und seine Geschichte

Der 24-jährige Mann stellte sich nach Angaben der Autoren wegen krampfartigen Unterbauchschmerzen und Leistungsknick in der Notaufnahme vor. Eine zuvor erfolgte Abklärung während eines stationären Krankenhausaufenthaltes habe keinen richtungsweisenden Befund erbracht. Abgesehen von ehemaligem Kokain- und Cannabis-Abusus hätten keine Vorerkrankungen bestanden. Auf Nachfrage habe der Patient berichtet, von einem Freund einem indisches Präparat erhalten zu haben, und zwar ein ayurvedisches Heilmittel; davon habe er seit etwa einem Monat täglich zwei Kapseln eingenommen. 

Die Befunde

  • Patient in reduziertem Allgemein-, aber normalem Ernährungszustand
  • Unauffällige Vitalparameter 
  • Diffuser abdomineller Druckschmerz
  • Blass-graues Hautkolorit und leichter gingivaler Saum 
  • Keine Hinweise auf ein fokal-neurologisches Defizit 
  • Erhöhte Leberenzym-Werte und Lipase-Spiegel 
  • Normozytäre, normochrome Anämie 
  • Kein Mangel an Vitamin B12, Folsäure und Eisen l
  • Normale Nierenfunktion 
  • Erhöhter Ferritin-Wert (671 μg/l)
  • Abdomen-Sonografie und -CT ohne weiterführende Befunde
  • Testung auf Schwermetalle: deutlich erhöhte Blutblei-Spiegel (70 μg/dl, Normwert < 5 μg/dl)
  • Im Urin erhöhte Werte für δ-Aminolävulinsäure (42 mg/l, Normwert < 4,5 mg/l)
  • Peripherer Blutausstrich: basophile Tüpfelung der Erythrozyten 
  • Nachweis von Blei auch in den Haaren (12,1 μg/g)

Die Analyse der vom Patienten eingenommenen Kapseln ergab den Autoren zufolge 34 mg Blei pro 2 Kapseln. Dies entspreche etwa dem 136-Fachen der zulässigen Dosis. 

Therapie und Verlauf 

Der Patient erhielt eine Chelatortherapie (intravenös 250 mg Dimercaptopropansulfonat, DMPS, alle 4 Stunden). Die Dosis wurde schrittweise reduziert, nach 4 Tagen dann Umstellung auf orale Gabe (DMPS 100 mg 3x täglich p. o.). Der Blutblei-Spiegel sei nach fünf Tagen unter dieser Therapie von initial 70 μg/dl auf 57 μg/dl gesunken, berichten die Autoren. Die Beschwerden seien rückläufig gewesen, so dass der Patient in gutem Allgemeinzustand habe entlassen werden können. Bei einer Kontrolle nach 3,5 Monaten sei der Patient symptomfrei und in sehr gutem Allgemeinzustand gewesen. Der Blutblei-Spiegel habe bei 30 μg/dl gelegen; Hb-Wert und die Spiegel von Leberenzymen und Lipase seien normal gewesen. 

Diskussion und Empfehlungen

Die Blei-Belastung der Bevölkerung habe seit den 1980er Jahren durch das Verbot bleihaltiger Farben und die Umstellung auf bleifreies Benzin kontinuierlich abgenommen, berichten Victor Suárez und seine Kollegen. Weniger bekannt sei, dass auch mit Blei kontaminierte Drogen und traditionelle Naturheilmittel eine Bleivergiftung verursachen könnten. Etwa 20 Prozent der ayurvedischen Heilmittel enthielten mindestens ein Schwermetall in potenziell toxischer Dosierung; hiervon sei Blei das am häufigsten nachgewiesene Schwermetall.

Die Symptome einer Bleivergiftung seien unspezifisch; initial hätten die Patienten häufig abdominelle Beschwerden („Bleikoliken“) in Verbindung mit Blutbild-Veränderungen. Zielführend sei die gründliche Anamnese zu Beruf, Wohnung, Hobbies, Medikamenten inklusive alternativer Medizin und Drogenkonsum. Bei Verdacht sollte die Indikation zur Bestimmung der BLL (blood lead level) sowie der δ-Aminolävulinsäure im Urin großzügig gestellt werden.