Ein jugendlicher Trampolin-Springer mit Blut im Urin und Flankenschmerz

  • Dr. med. Thomas Kron
  • Patienten-Fall
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Kernbotschaft

Ein Jugendlicher hat eine Makrohämaturie und Flankenschmerzen, aber weder ein Trauma, eine Harnwegsinfektion, eine Urolithiasis sowie Tumoren und auch keine Gerinnungsstörung. Auch eine Glomerulonephritis ist ausgeschlossen worden. MRT und Duplexsonographie haben schließlich den Weg zur Diagnose der Ursache geebnet, wie ein Autorenteam um Alexander Cox vom Universitätsklinikum Bonn berichtet hat.

Der Patient und seine Geschichte

Der 12-jährige Junge kam wegen einer rezidivierenden Makrohämaturie mit linksseitigen Flankenschmerzen in die Klinik. Eine Urolithiasis sei zuvor bereits ausgeschlossen worden. Die Anamnese hinsichtlich Traumata, Infektionen, Diarrhöen, Gerinnungsstörungen, Manipulationen oder Medikamenteneinnahmen sei unauffällig gewesen. Ähnliche Symptome habe der Junge zwei Jahr zuvor schon einmal gehabt, damals ausgelöst durch wiederholtes „Salto-Schlagen“ im Meerwasser. Zum Zeitpunkt der aktuellen Vorstellung sei der Junge „leidenschaftlich gerne Trampolin“ gesprungen. Während der beiden Episoden habe er, so die Autoren, einen deutlichen Wachstumsschub durchgemacht. 

Klinischer Befund 

  • Akute linksseitige Flankenschmerzen, unter den Schmerzepisoden wiederholt ausgeprägte Makrohämaturie, sonst unauffällig,
  • Aufnahmelabor und auch Gerinnungsstatus ebenfalls unauffällig, kein von-Willebrand-Syndrom. C3- und C4-Kompliment sowie Antistreptolysin-O-Titer im Serum normwertig,
  • ANCA, Anti-PR3 sowie Anti-MPO negativ,
  • Urinstatus bei Aufnahme: Mikrohämaturie und Proteinurie, minimale Leukozyturie, sterile Urinkultur,
  • 24-h-Sammelurin am 3. Aufnahmetag unauffällig (bei sistierender Hämaturie),
  • Urosonographie: Beide Nieren unauffällig, in der Harnblase Sedimentation mit Verdacht auf Koagelbildung,
  • Abdomen-MRT am Aufnahmetag: keine Raumforderung, jedoch bildmorphologische Zeichen eines „anterioren Nussknackersyndroms“,
  • MR-Angiographie: keine arteriovenöse Fistel, aber ebenfalls Zeichen des „Nussknackersyndroms“; dabei werde die linke Nierenvene zwischen der anterior verlaufenden A. mesenterica superior und der dorsal gelegenen Aorta abdominals eingeengt, wodurch der venöse Abfluss der linken Niere kompromittiert werde. 
  • Ergänzende Duplexsonographie: Sowohl die knapp sechsfach höhere Flussgeschwindigkeit im komprimierten Anteil der Nierenvene als auch das Verhältnis der Diameter von 4,1:1 (5,7 vs. 1,4mm; Norm < 4,2:1 bzw. < 3,7:1) sprachen laut  Cox und seinen Kollegen für ein relevantes Nussknackersyndrom.

Therapie und Verlauf 

Konservative Therapie bei deutlicher Besserung der Beschwerden unter körperlicher Schonung sowie adäquater Analgesie, jungem Alter sowie stabiler Nierenfunktion; außer zu einer Gewichtszunahme sei zu einem Verzicht auf das Trampolin-Springen geraten worden. Der junge Patient sei inzwischen seit 12 Monaten beschwerdefrei. 

Duplexsonographische Kontrolle ein Jahr nach der Erst-Vorstellung: Maturationstendenz bestätigt; Verhältnis der Durchmesser des komprimierten zum dilatierten Anteil der Nierenvene nun bei 1,8:1 (4,5 vs. 2,5mm). Nur das Verhältnis der Flussgeschwindigkeiten sei mit 4,2:1 (71 vs. 17 cm/s) noch grenzwertig erhöht gewesen. 

Diskussion und Empfehlungen

Das Nussknackersyndrom ist den Autoren zufolge eine seltene Differentialdiagnose einer Makrohämaturie, das häufig protrahiert diagnostiziert wird. Eine genaue Aussage zur Prävalenz sei allerdings derzeit nicht zu treffen. Am höchsten sei die Inzidenz in der zweiten Lebensdekade sowie im mittleren Erwachsenenalter. Das rasche Wachstum sowie die Entwicklung der Wirbelkörper in der Pubertät scheinen nach Angaben von Cox und seinen Kollegen einen spitzen aortomesenterialen Winkel zu begünstigen. Dieses klassische, anteriore Nussknackersyndrom werde vom sehr seltenen posterioren Syndrom unterschieden, bei dem es zu einer Kompression der Nierenvene zwischen der Aorta und dem Wirbelkörper komme. Die Symptome seien jedoch identisch. Außer den klassischen Symptomen Mikro-/Makrohämaturie, Flanken- und/oder Beckenschmerzen sowie Proteinurie könne die venöse Stauung auch zu einer Varicocele testis bzw. im fortgeschrittenen Stadium insbesondere bei Frauen zum pelvinen Stauungssyndrom führen. Die diagnostischen Möglichkeiten seien vielfältig und variabel. Bei unklarem Befund einer Duplexsonographie könne die MR-Angiographie ergänzend eingesetzt werden. 

Bei hoher Spontanmaturationsrate sollte insbesondere bei Kindern sowie Patienten mit geringer Symptomatik primär konservativ behandelt werden. Kinder sollten hierbei mindestens 24 Monate beobachtet werden, da eine Spontanmaturationsrate von > 75 % besteht.