Ein englischer „Prinz“ und seine noch immer unklare Todesursache

  • Dr. med. Thomas Kron
  • Medizinische Nachrichten
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Kernbotschaften

Ein prominenter englischer „Berufssoldat“ leidet seit mehreren Jahren an einer chronischen Krankheit, die durch wiederholte Krankheitsschübe gekennzeichnet ist. Im Alter von 45 Jahren stirbt er schließlich. Lange wird angenommen, dass der Mann an einer chronischen Dysenterie gelitten habe. Doch britische Wissenschaftler haben große Zweifel an dieser Annahme. Gesichert ist bislang immerhin, dass der Tod des Mannes für England von großer Bedeutung gewesen ist.

Der Patient und seine Geschichte

Bei dem Mann handelt es sich um Eduard Plantagenet, geboren 1330 und besser bekannt vielleicht als Edward von Woodstock und vor allem als der Schwarze Prinz. Seine militärische Karriere begann Edward bereits als Jugendlicher: Mit nur 16 Jahren erlebte er seine Feuertaufe in der berühmten Schlacht von Crécy (1346; 100-jähriger Krieg). Seine chronische Erkrankung habe vermutlich nach seinem Sieg in der Schlacht von Nájera in Spanien im Jahr 1367 begonnen, vermuten der britische Militärexperte Dr. James Robert Anderson (21. Engineer Regiment, Claro Barracks, Ripon) und seine Kollegen.

Edward rastete damals in der nordspanischen Stadt Valladolid. Es war Sommeranfang und „sein Heer litt große Not und Hunger, da es an Brot und Wein mangelte“. Eine Chronik geht den Autoren zufolge davon aus, dass bis zu 80 Prozent des Heeres des Prinzen an „Dysenterie und anderen Krankheiten" starben.

Edwards Reise von Spanien nach Frankreich ist in Chandos Herald's Life of the Black Prince" dokumentiert. Dort heißt es: „Bald danach kam der Prinz von Aquitanien nach Angoulême, und während er dort war, begann die Krankheit, die für den Rest seines Lebens andauerte.“

Vor der Belagerung von Limoges im Jahr 1370 wurde er als „krank liegend in seinem Bett“ beschrieben. 1372 bestieg der Schwarze Prinz während der gescheiterten Befreiung von Thouars ein Schiff für seinen letzten Feldzug, was nach Angaben der britischen Autoren darauf hindeutet, dass sich seine gastrointestinalen Symptome gebessert haben könnten. In den Jahren 1374-75 gibt es dann kaum Berichte über militärische Aktionen Edwards, was auf ein mögliches Aufflackern seiner Krankheit hindeutet. Im April 1376 erkrankte er dann schwer. Am 8. Juni 1376 starb der Schwarze Prinz.

Diskussion

Woran ist der Schwarze Prinz erkrankt und gestorben?  Laut Anderson und seinen Mitautoren ist es unwahrscheinlich, dass er, wie meist angenommen, an den Folgen einer chronischen Dysenterie gestorben ist, etwa an der im mittelalterlichen Europa weit verbreiteten Amöbenruhr. Infektionen mit Entamoeba histolytica verlaufen meist asymptomatisch, können jedoch zu einer intestinalen Amöbiasis (Amöbenruhr) und/oder zum Amöbenabszess (extraintestinale Amöbiasis) führen. Charakteristisch für die intestinale Amöbiasis sind außer Fieber und Allgemeinsymptomen schleimig- blutige Diarrhoen. Chronifizierungen sind selten, es besteht jedoch ein hohes Rezidivrisiko.

Laut Anderson ist es fraglich, dass der Schwarze Prinz mit chronischem Durchfall gesund genug für eine Schiffsreise gewesen wäre. Möglicherweise wäre er nicht einmal an Bord willkommen gewesen. Zweifel an der Annahme, Edward habe an einer chronischen Dysenterie gelitten, hat vor wenigen Jahren auch der auf die Geschichte des Prinzen spezialisierte Historiker Dr. David Green publiziert („Journal of Medieval History“). Auch Green favorisiert andere Erkrankungen als  eine chronische Dysenterie, etwa eine Fistel, Nierenentzündung oder Zirrhose oder auch eine Kombination dieser Erkrankungen.

Ein weiterer„ Kandidat“ für die chronische Krankheit des Prinzen könnte laut Anderson auch eine chronisch entzündliche Darmerkrankung sein. Möglicherweise seien sogar Komplikationen einer solchen Erkrankungen aufgetreten, etwa eine perianale Fistel. Als Hinweis darauf könnte die Tatsache interpretiert werden, dass der Chirurg John Arderne, der zur selben Zeit wie Edward auf einem Feldzug in Frankreich gewesen sein soll, 1376 eine Abhandlung über proktologische Erkrankungen (Treatises of fistula in ano, haemorrhoids, and clysters) geschrieben hat. Allerdings ist unklar, ob er den Schwarzen Prinzen jemals behandelt hat.

Eine mögliche Ursache des Leidens von Edwards könnte auch die Brucellose gewesen sei; sie war laut Anderson im mittelalterlichen Europa weit verbreitet; bekannt sei auch, dass auf Kriegszüge nur der Adel bestimmte, mit dem Brucellose-Erreger kontaminierte Lebensmittel erhalten habe. Infrage komme zudem die Malaria. So habe im 14. Jahrhundert der Schriftsteller Geoffrey Chaucer von einem tertianischen Fieber (Fieber jeden dritten Tag) geschrieben, was als Hinweis auf Malaria interpretiert werden könne, insbesondere auf den Malaria-Erreger Plasmodium vivax, der im mittelalterlichen Frankreich und Spanien weit verbreitet gewesen sei. Zur Malaria passten laut Anderson auch der schwankende Verlauf der Krankheit von Edward und die zunehmende Verschlechterung gegen Ende seines Lebens. 

Fazit des Autors: Der Schwarze Prinz erlag schließlich eher einer Krankheit als einer Kriegsverletzung, obwohl er fast ununterbrochen in Kriegen kämpfte. Zu seinem Tod könnten mehrere verschiedene Infektionen oder Entzündungen geführt haben. Dazu gehörten Malaria, Brucellose, chronisch entzündliche Darmerkrankungen oder auch langfristige Komplikationen einer akuten Dysenterie. Eine chronische Dysenterie sei jedoch sehr unwahrscheinlich.