Ein 76-jähriger Mann mit einer neuen autoinflammatorischen Erkrankung
- Dr. med. Thomas Kron
- Patienten-Fall
Kernbotschaften
Bei einem 76-jährigen Mann haben Hamburger Rheumatologen um Dr. Martin Krusche (UKE) eine neue autoinflammatorische Erkrankung, das sogenannte VEXAS-Syndrom, diagnostiziert. Erstmals beschrieben wurde das Syndrom 2020.
Der Patient und seine Geschichte
Der 76-Jährige klagte seit Januar 2018 über rezidivierende Fieberepisoden, Dyspnoe, Polyarthralgien, sowie Schmerzen und Schwellung der Augen. Im Juli 2021 stellte er sich nach Angaben der Autoren erstmalig mit erneuten Fieber-Schüben und deutlich erhöhten serologischen Entzündungszeichen in der Notaufnahme des Hamburger Universitätsklinikums vor. Zuvor waren bereits mehrere Befunde erhoben worden, darunter eine Alveolitis und Lungenfibrose, eine Polyarthritis sowie eine beidseitige Uveitis anterior. Nach einer Knochenmarkpunktion war der Verdacht auf einen toxischen Knochenmarkschaden gestellt worden. Therapieversuche mit Methotrexat 20mg s.c. (über acht Monate) sowie Tocilizumab 162mg s.c. (über zehn Monate) seien erfolglos gewesen. Über einen Zeitraum von über zwei Jahren sei der Patient nur unter erhöhter Steroid-Dosis (>12mg/Tag) klinisch kontrollierbar gewesen, berichten die Hamburger Autoren weiter.
Die aktuellen Befunde
- Bei Aufnahme ein deutlich erhöhtes CRP mit 302 mg/l (< 5 mg/l), eine makrozytäre Anämie (HB 9,3 g/dl), MCV 107fl (80–96/fl) und eine Thrombozytopenie von 147mrd/l (150–400 mrd/l)
- Erreger- und autoimmunserologische Diagnostik unauffällig
- Thorax-CT: subpleurale, vorwiegend retikuläre Zeichnungsvermehrung mit Lungenfibrose und Milchglasinfiltraten
- Bronchoskopie: gemischt-lymphozy- täre, eosinophile Alveolitis
- PET-CT: generalisierter deutlich erhöhter Knochenstoffwechsel des Stammskelettes und der proximalen Extremitäten „als Ausdruck eines Hyperinflammationssyndroms“ (DD: hämatoonkologische Grunderkrankung)
- Erneute Knochenmarkpunktion: toxischer Knochenmarkschadens, Differenzialdiagnose myelodysplastisches Syndrom mit auffälliger Vakuolisierung der Proerythroblasten sowie der Promyelozyten
- Molekulargenetische Diagnostik: eine Missense-Variante c.122T > C; p.Met41Thr mit einem Frequenzanteil von 0,828 im UBA1-Gen als hämatopoetisches Mosaik (hemizygot), sodass, wie die Autoren weiter berichten, die Diagnose eines VEXAS-Syndroms gestellt werden konnte.
Diskussion
Das VEXAS-Syndrom wurde erstmalig 2020 im „New England Journal of Medicine“ beschrieben. Das Akronym VEXAS steht für „Vacuoles, E1 enzyme, X-linked, Autoinflammatory, Somatic“. Die Erkrankung tritt nach Angaben von Krusche und seinen Kollegen erst im fortgeschrittenen Erwachsenenalter auf. Es handelt sich um eine autoinflammatorische Systemerkrankung. Die Erkrankung beruht, wie die Autoren erklären, auf einer erworbenen somatischen Mutation des UBA1-Gens. Dieses kodiere für das E1-Enzym, welches wiederum für die Ubiquitinierung von Proteinen zuständig sei. Aufgrund der Lage des Gens auf dem X-Chromosom betreffe die Erkrankung überwiegend Männer (in der zweiten Lebenshälfte).
Häufige Symptome sind nach Literaturangaben („Modern Rheumatology“ und „British Journal of Dermatology“) unter anderen:
- Fieber (65 - 94%)
- Aurikuläre Chondritis (32 - 67 %)
- Nasale Chondritis (16 - 56 %)
- Alveolitis (41 - 49 %)
- Thrombosen der unteren Extremitäten 35 - 41 Prozent
Die Erkrankung verlaufe häufig sehr schwerwiegend und komplikationsreich, berichten die Hamburger Rheumatologen weiter. Die Mortalität in der 2020 im „NEJM“ beschriebenen Kohorte habe 40 Prozent betragen. Viele Patienten müssten eine intensive immunsuppressive Therapie erhalten. Außer verschiedenen antiinflammatorischen Therapiekonzepten (etwa Interleukin-1, Interleukin-6 oder JAK-Blockade) würden meist hohe Steroid-Dosen zur Krankheitskontrolle benötigt. Weiterhin gebe es erste kleine Fallserien, die bei einem Teil der VEXAS-Patienten mit MDS (myelodysplastisches Syndrom) den Nutzen von Azacitidin nahelegten. Etablierte Therapiekonzepte gebe es bisher nicht.
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