Ein 63-jähriger Mann mit Spontanabgang eines Kolontumors

  • Dr. med. Thomas Kron
  • Patienten-Fall
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Kernbotschaften

Kolonlipome sind meist endoskopische Nebenbefunde, bei denen keine Therapie erforderlich ist. Überschreitet ihr Durchmesser jedoch zwei Zentimeter, können sie Blutungen, Ileus und Invagination verursachen. Ein ungewöhnliches „Schicksal“ eines Kolonlipoms haben ein 61-jähriger Patient und seine Würzburger Gastroenterologen und Chirurgen erlebt. Über die Krankengeschichte des Mannes berichten Prof. Dr. Wolfgang Scheppach (Medizinische Klinik, Schwerpunkt Gastroenterologie & Rheumatologie, Klinikum Würzburg Mitte, Standort Juliusspital) in einem aktuellen Zeitschriftenbeitrag.

Der Patient und seine Geschichte

Der 61-jährige Mann wurde wegen seit drei Wochen bestehenden und  zunehmenden, Oberbauchschmerzen in einer gastroenterologischen Schwerpunktpraxis koloskopiert. Entdeckt wurde den Autoren zufolge ein im linksseitigen Colon transversum gelegener, das Lumen verlegender Tumor von weicher Konsistenz. Bei der initialen Dickdarmspiegelung sei die Raumforderung nicht passierbar gewesen und habe leicht geblutet. Die histologische Untersuchung der Gewebeproben habe entzündliche Veränderungen der Kolonschleimhaut, aber keinen Anhalt für Tumorgewebe gezeigt.

Der Patient wurde stationär eingewiesen. Zuvor habe er nicht unter Stuhlunregelmäßigkeiten gelitten, eine Koloskopie zur Darmkrebsvorsorge habe er noch nicht durchführen lassen, seine Familienanamnese zu kolorektalen Adenomen oder Karzinomen sei unauffällig gewesen, Komorbiditäten hätten nicht bestanden. 

Die Befunde

  • Zum Vorstellungszeitpunkt beschwerdefreier Patient 
  • Hämoglobinwert mit 13,6 g/100 ml im Normbereich
  • Routine-PCR-Test auf SARS-CoV-2 positiv
  • Eine Kontroll-Koloskopie bestätigte den Befund der ambulant vorgenommenen Darmspiegelung. 
  • Biopsien: Dickdarmschleimhaut mit regelhafter Kryptenarchitektur und herdförmiger, deutlich florider Entzündung 
  • Immunhistochemie: kein Anhalt für Malignität

Wegen des positiven PCR-Tests auf SARS-CoV-2 wurde der Patient zunächst auf der COVID-Allgemeinstation isoliert und weiter klinisch beobachtet. Vier Tage später teilte er mit, soeben ein Gewebestück mit dem Stuhlgang aus- geschieden und aus der Toilette geborgen zu haben. 

Die histologische Untersuchung des Gewebes ergab ein ulzeriertes, submukosales Lipom mit entzündlicher Überlagerung der überkleidenden Kolonschleimhaut; kein Anhalt für Malignität .

Am selben Tag wurde nach Angaben der Autoren eine weitere Koloskopie vorgenommen. Dabei hätten sich weiterhin ausgedehnte und partiell nekrotische Tumoranteile im linksseitigen Colon transversum gefunden (allerdings nicht mehr lumenverlegend). Ein Abdomen-CT am Folgetag habe eine partiell fetthaltige Raumforderung im Kolonlumen ohne Wandüberschreitung gezeigt. Die Diagnose lautete: atypisches, partiell nekrotisches Kolonlipom. 

Verlauf und Therapie 

Zwei Wochen später onkologische Transversumresektion mit regionaler Lymphadenektomie; intraoperativ kein Hinweis auf ein organüberschreitendes Wachstum oder eine peritoneale Tumoraussaat, kein Anhalt für Malignität, z. B. ein Liposarkom.

Diskussion 

Lipome sind, wie die Autoren erklären, gutartige Tumoren, die im gesamten Magen-Darm-Trakt auftreten können, am häufigsten im Dickdarm. Kolonlipome seien meist rundliche, glatt begrenzte und gelblich schimmernde benigne Tumoren, die bei Koloskopien zufällig gefunden würden und „aufgrund ihrer typischen Makroskopie belassen werden können“. Während kleine Lipome (≤ 2 cm) meist asymptomatisch seien, könnten große Lipome (> 2 cm) Blutungen und Abdominalschmerzen durch Passagebehinderung verursachen 

Die komplette oder partielle Ablösung eines Lipoms sei derzeit nicht befriedigend geklärt. Spekuliert werde, dass es bei gestielten großen Lipomen leicht zur Stieldrehung kommen könne, was zur Nekrose des Lipoms mit Abtrennung am Stiel führe. Im vorliegenden Fall eines breitbasigen Lipoms war es laut Wolfgang Scheppach und seinen Kollegen wohl zu regressiven Veränderungen mit ausgedehnten Nekrosen gekommen, was die Ablösung eines Lipomknotens verursachte. Die Spontanausscheidung mit dem Stuhl eines abgelösten Lipoms bzw. Lipomanteils sei dabei eine klinische Rarität.