Ein 3-jähriger Junge mit linksseitiger Hörminderung

  • Dr. med. Thomas Kron
  • Patienten-Fall
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Kernbotschaften

Mittelohrhämangiome bei einem Kleinkind sind zwar gutartige Tumoren, können aber lebensbedrohliche Komplikationen hervorrufen. Es ist daher stets wichtig, eine asymmetrische Hörschwäche detailliert zu untersuchen. Das schlussfolgern Dr. Miray-Su Yılmaz Topçuoğlu von der Hals-, Nasen- und Ohrenklinik des Universitätsklinikums Heidelberg und ihre Kollegen aus der Krankengeschichte eines Kindes. 

Der Patient und seine Geschichte

Der dreijährige Junge wurde der HNO-Ärztin und ihren Mitautoren zufolge wegen rezidivierender Mittelohrentzündungen, einem chronischem Paukenerguss und negativem Neugeborenen-Hörscreening des linken Ohrs in der Heidelberger HNO-Klinik vorgestellt.

Die Befunde

  • Ohrmikroskopie: Paukenerguss mit mattem Trommelfell links, normaler Spiegelbefund rechts

  • Tonaudiogramm: deutliche Schallleitungsschwerhörigkeit links, abgeflachtes Tympanogramm links sowie fehlende otoakustische Emissionen links; rechts Normakusis

Therapie und Verlauf

Da eine ambulante sekretolytische Therapie nicht erfolgreich gewesen sei, stellten die Heidelberger HNO-Ärzte die Indikation zur intraoperativen Ohrmikroskopie mit Parazentese und Paukendrainage. Intraoperativer Befund: linkes Trommelfell rötlich und vorwölbend, Normalbefund rechts.

Nach der Parazentese links Blutung aus dem Mittelohr; hinter dem Parazenteseschnitt habe sich eine weiche rötliche Bindegewebsvermehrung im linken Mittelohr gezeigt, berichten Miray-Su Yılmaz Topçuoğlu und Kollegen.

MRT- und CT:  kontrastmittelaffine Weichgewebsvermehrung des linken Mittelohrs, Außerdem asymptomatische Sinusvenenthrombose links sowie eine Osteomyelitis, ausgehend vom linken Mastoid.

Der Junge wurde daraufhin antithrombotisch (Enoxaparin) und antibiotisch (Clindamycin und Ampicillin/Sulbactam) behandelt. Hierunter sei der Sinus sigmoideus erfolgreich rekanalisiert worden, berichten die  Autoren weiter; die Osteomyelitis sei ebenfalls rückläufig gewesen, „jedoch im protrahierten Verlauf“. Deshalb habe das Kind als Antiphlogistikum Naproxen erhalten.

Zehn Wochen nach der eigentlichen Parazentese seien eine Tympanoskopie und eine Mastoidektomie vorgenommen worden. Intraoperativer Befund: vaskuläre Läsion, im gesamten Mittelohr bis zu den benachbarten Strukturen ausdehnend.

Aufgrund des histologischen, klinischen und radiologischen Befundes stellten die Autoren die Verdachtsdiagnose eines Hämangioms.

Eine Resektion sei den Eltern abgelehnt worden. Fünf Monate nach der Tympanoskopie und histologischen Sicherung des Befundes habe das Kind eine ausgeprägte akute eitrige Mastoiditis entwickelt, sodass eine Mastoidektomie durchgeführt worden sei. Nach der Mastoidektomie habe der Patient keine weiteren Symptome mehr entwickelt - bis auf die Schallleitungsschwerhörigkeit auf dem betroffenen Ohr. Bei bleibender Schwerhörigkeit sei zur ausreichenden Gehörrehabilitation eine Versorgung des Kindes mit einem Knochenleitungssystem in die Wege geleitet worden

Diskussion

Nach Angaben der HNO-Ärzte sind bisher nur wenige Fälle von Mittelohrhämangiomen bei Kleinkindern bekannt geworden.

Mittelohrhämangiome könnten rezidivierende Ohrinfektionen mit einhergehender Hörminderung, aber auch schwerwiegende Symptome wie eine Fazialisparese, Mastoiditis, Sinusvenenthrombose sowie Osteomyelitis hervorrufen. Es sei jedoch auch schon von sich spontan zurückbildenden Mittelohrhämangiomen berichtet worden. Mittelohrhämangiome stellten zudem eine wichtige Differenzialdiagnose bei Tumoren des Mittelohrs dar. Mögliche Differenzialdiagnosen sind beispielsweise Glomustumoren, arteriovenöse Malfor- mationen, aberrante Verläufe der Arteria carotis interna, ein Bulbushochstand, Cholesteringranulome, Meningeome oder auch eine polypoid-entzündlich veränderte Mittelohrschleimhaut.

Therapie-Optionen seien die chirurgische Resektion, aber auch das konservative Vorgehen mit engmaschigen klinischen und radiologischen Kontroll-Untersuchungen, sofern der Befund stabil sei.