Ein ehemaliger Raucher mit einer pulmonalen Raumforderung

  • Dr. med. Thomas Kron
  • Patienten-Fall
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Kernbotschaften

Radiologisch entdeckte pulmonale Raumforderungen bei Erwachsenen müssen den Verdacht auf ein Malignom wecken. Aber nicht jede „bildmorphologische Raumforderung ist eine Neoplasie“, erinnern Dr. Maria Brommer und Kollegen der Klinik für Thoraxchirurgie des Universitätsklinikums Freiburg. Dass differenzialdiagnostisch auch an andere Ursachen zu denken sei, zeigt unter anderem die Krankengeschichte eines älteren Mannes, die Brommer und ihre Kollegen Dr. Mirjam Elze und Professor Bernward Passlick berichtet haben.

Der Patient und seine Geschichte

Der 70-jährige Mann stellte sich laut Brommer und ihren Kollegen zur Abklärung bei Verdacht auf ein Lungenkarzinom vor. Klinische Symptome seien persistierender produktiver Husten und Hämoptysen gewesen. Eine ambulante Computertomographie habe eine rechtszentrale Raumforderung mit Unterlappenteilatelektase gezeigt.

Aufgrund von Asthma bronchiale habe der Patient vor allem in den Wintermonaten vermehrt unter Atembeschwerden mit trockenem Reizhusten, bronchialem Engegefühl und pfeifendem Atemgeräusch gelitten. Zudem habe er angegeben, vor etwa einem Jahr „beim Verzehr eines Fertiggerichts aspiriert zu haben. Seitdem habe er persistierende Beschwerden“, berichten die Autoren. In den vergangenen 12 Monaten sei er zwei Mal mit Azithromycin behandelt worden; die Symptome hätten sich danach für jeweils zwei Wochen zurückbildet. Aktuell bestehe „seit ca. 6 Monaten ein zunehmender Husten mit grünlich-gelbem Auswurf. Drei Wochen vor der Erstvorstellung sei es über einen Zeitraum von 4 Tagen zu leichten Hämoptysen gekommen“. Eine B-Symptomatik, klinische Infektzeichen oder maligne Vorerkrankungen seien nicht festgestellt worden. Mit dem Rauchen habe er rund 30 Jahre zuvor aufgehört.

Befunde und Diagnose

  • Schlanker Patient in gutem Allgemeinzustand
  • Auskultatorisch abgeschwächtes Atemgeräusch rechtsbasal mit diskreten Rasselgeräuschen, Herz unauffällig
  • Blutbild, CRP, Leberenzyme, Gerinnungs- und Retentionsparameter unauffällig
  • Computertomographie mit Kontrastmittel: rechtszentrale Raumforderung mit Teilatelek-tase des rechten Unterlappens bei Stenosierung/Verschluss der Segmentbronchien, begleitet von kleinfleckigen Infiltraten; keine tumor-verdächtigen Rundherde oder vergößerte Lymphknoten
  • Bronchoskopie: linkes Bronchialsystem unauffällig, rechts Ober- und Mittellappenostien frei, Schleimhaut jedoch verschwollen, Unterlappenbasiseingang verquollen, aus der Tiefe nachlaufendes eitriges Sekret

Nach Angaben der Autoren wurde Sekret aus dem linken Unterlappen asserviert, zudem seien Gewebeproben entnommen worden. Mikrobiologisch habe sich im eitrigen Bronchialsekret lediglich ein physiologisches Keimgemisch gezeigt. Histologisch ergab sich die Diagnose einer Aktinomykose im rechten Unterlappen mit Nachweis von Actinomyces odontolyticus bei reichlichem Nachweis von Actinomyces mit typischen „Drusen“ sowie leichtgradig reaktiven Veränderungen des hyalinen Knorpels.

Diskussion

Aktinomyzeten sind nach Angaben von Brommer und ihren Kollegen überwiegend fakultativ anaerobe grampositive Stäbchen, die physio- logisch in der Mund- und Darmflora sowie im weiblichen Genitalbereich vorkommen. Es seien über 30 Arten von Aktinomyzeten bekannt. Die häufigsten bei infizierten Menschen nachgewiesenen Vertreter seien Actinomyces israelii, Actinomyces meyeri, Actinomyces odontolyticus und Actinomyces gerencseriae. Die pulmonale oder thorakale Aktinomykose sei nach der orofazialen und abdominopelvinen Form die dritthäufigste Form ((Inzidenz 1:300.000 pro Jahr). 

Die klinischen Symptome und radiologischen Erscheinungsbilder bei der thorakalen Aktinomykose werden den Autoren zufolge häufig infolge der infiltrativen Ausbreitung mit einem Lungenkarzinom oder Tuberkulose verwechselt. Dies führte oft zu einer Verzögerung der Behandlung mit häufig langwierigen Verläufen.

Risikofaktoren für die thorakale Aktinomykose seien schlechte Mundhygiene, Zahnerkrankungen, pulmonale Vorerkrankungen, chronische Bronchitis, Alkohol-, Nikotin- und Drogenabusus, Diabetes, Malnutrition, Hiatushernien, Aspirationsneigung sowie neurologische und psychiatrische Erkrankungen. Männer seien 3-mal häufiger betroffen als Frauen. Der Häufigkeitsgipfel liege zwischen dem 40. und 50. Lebensjahr.

Zu den häufigsten Symptomen der thorakalen Aktinomykose gehörten pro- duktiver Husten, Dyspnoe, subfebrile/ febrile Temperaturen, Gewichtsverlust, thorakale Schmerzen und Hämoptysen. Ohne Therapie könne es zu bronchoösophagealen Fisteln, Pleura- oder Brustwand-Befall und zur Hämoptoe kommen.

Zur Diagnosesicherung eigne sich am besten eine Bronchoskopie mit endobronchialer oder transbronchialer Biopsie. Histopathologisch sei der Nachweis von „Drusen“ beweisend.

Bei gesicherter Diagnose einer Aktinomykose werde je nach Ausprägung eine antibiotische Therapie mit Penicillin G intravenös für 2 bis 6 Wochen gefolgt von einer oralen antibiotischen Therapie mit Penicillin V für 3 bis 12 Monate oder Amoxicillin empfohlen. Alternativ können Clindamycin oder Makrolide verabreicht werden; Resistenzen sind eher selten. Bei adäquater Therapie sei Prognose gut, so die Thoraxchirurgen.