EASD 2022 – Einmal wöchentlich verabreichte Insuline bei Diabetes?
- Univadis
- Conference Report
In einer faszinierenden Sitzung mit dem Titel „Neugestaltung der Insulinerfahrung: Das Potential einmal wöchentlich angewendeter Insuline“, die von Tina Vilsbøll, Dänemark, geleitet wurde, diskutieren Experten, inwiefern die Behandlung mit einmal wöchentlich angewendeten Insulinen eine einfache Alternative zu den belastenden täglichen Insulinspritzen bieten und für Diabetes-Patienten eine bahnbrechende Veränderung darstellen könnte.
Worin besteht der Bedarf? (Athena Philis-Tsimikas, USA)
Angesichts der überwältigenden Anzahl von weltweit etwa 537 Millionen Menschen mit Diabetes im Jahr 2021, deren Anzahl jährlich steigt und von denen bis zu 40 % Insulin benötigen, werden immer neue Insulinstrategien entwickelt. Die Angst vor dem Beginn einer Insulinbehandlung, die mit diabetesbedingten Komplikationen einhergeht, ist jedoch nicht von der Hand zu weisen. Dr. Philis-Tsimikas diskutierte eine Studie, in der ~ 30 % der noch nicht mit Insulin behandelten Patienten mit Typ-2-Diabetes (T2D), denen eine Insulintherapie empfohlen wurde, diese anfänglich ablehnten, und nur 38 % derjenigen die sie ablehnten, diese letztendlich doch begannen. Nach der Einleitung der Insulinbehandlung hält sich jeder dritte Patient nicht an die Therapie, und die Mehrheit bevorzugt eine wirksame Blutzuckerkontrolle ohne tägliche Injektionen. Mehrere Berichte über die inverse Beziehung zwischen der Dosierungshäufigkeit und der Therapietreue sowie über vereinfachte Dosierungsschemata (z. B. tägliche vs. wöchentliche Injektionen von rekombinantem humanem Wachstumshormon bei Mangelzustand), die einen gewissen Erfolg erzielten, gaben den Impuls für die Entwicklung einmal wöchentlich verabreichter Basalinsulin-Analoga. Dr. Philis-Tsimikas stellte zum Schluss heraus, dass einmal wöchentlich angewendete Insuline trotz der drastischen Reduktion der Anzahl an Injektionen von mindestens 365 auf nur 52 eine ähnliche glukosesenkende Wirksamkeit und Sicherheit aufweisen wie täglich angewendete Insuline und „das Diabetesmanagement in Zukunft neu definieren“ könnten.
Optimierungen zur Verlängerung der Halbwertszeit (Juan Frias, USA)
Dr. Frias beginnt mit der Erklärung, weshalb die kurze Halbwertszeit von Protein- und Peptidtherapeutika, die auf ihr geringes Molekulargewicht und ihre Hydrophobizität zurückzuführen ist, durch die sie der Nierenfiltration und dem Lebermetabolismus unterworfen sind, während der klinischen Anwendung eine Herausforderung darstellt. Ansätze wie die Verlangsamung der Absorption aus subkutanem (s.c.) Gewebe (Depotformulierungen) und die Erhöhung des hydrodynamischen Radius (PEGylierung) sowie des Molekulargewichts (durch kovalente Fusion [IgG-Fc] oder nicht-kovalente Bindung an ein Trägerprotein [Albumin]) wurden angewendet, um in vivo einen schnellen Abbau zu verhindern. Das sich in der Entwicklung befindliche, einmal wöchentlich angewendete Basalinsulin Fc (BIF) und das Basalinsulin Icodec weisen eine dieser molekularen Modifikationen auf.
BIF, ein Insulinrezeptor(IR)-Agonist, eine Kombination einer modifizierten einkettigen Insulinvariante und einer humanen IgG2-Fc-Domäne, hat eine Halbwertszeit von 17 Tagen. Diese basiert auf der langsamen Absorption aus dem s.c.-Gewebe, dem durch den neonatalen Fc-Rezeptor vermittelten Recycling und der reduzierten renalen Clearance, der IR-Affinität, dem Potenzial der Stimulation der IR-Phosphorylierung sowie dem mitogenen Potenzial im Vergleich zu Humaninsulin.
Insulin Icodec, ein neuartiges, ultralang wirkendes Analogon mit einer C20-Dicarbonsäure-haltigen Seitenkette, hat eine Halbwertszeit von 196 Stunden. Diese basiert auf einer starken, reversiblen Albuminbindung, einer reduzierten IR-Affinität und der Depotbildung durch Albumin-Bindung. Es wurde entwickelt, indem drei Aminosäuresubstitutionen in das humane Insulinmolekül integriert wurden, die den enzymatischen Abbau reduzieren und die Löslichkeit verbessern.
Die pharmakologischen In-vitro- und In-vivo-Eigenschaften beider Analoga ermöglichen eine einmal wöchentliche Dosierung. Dr. Frias bezeichnet alle Bemühungen, einmal wöchentlich verabreichte Insuline zu erhalten, als „äußerst wichtig“.
Zusammentragen aller Beweise (Chantal Mathieu, Belgien)
Dr. Mathieu konzentrierte sich auf Phase-II-Studien zu BIF und Icodec.
In einer Phase-II-Studie wurden 399 mit Basalinsulin behandelte T2D-Patienten randomisiert einmal wöchentlich angewendetem BIF mit einem von zwei unterschiedlichen Dosierungsalgorithmen oder einmal täglich Insulin Degludec zugewiesen. Nach 32 Wochen erzielte BIF im Vergleich zu Degludec eine vergleichbare langfristige Blutzuckerkontrolle und ein vergleichbares Sicherheitsprofil sowie signifikant reduzierte Hypoglykämieraten (≤ 70 mg/dl). Eine weitere Phase-II-Studie untersuchte die Sicherheit und Wirksamkeit von BIF im Vergleich zu Degludec bei nicht mit Insulin vorbehandelten T2D-Patienten. Nach 26 Wochen zeigten sich ähnliche Veränderungen des Spiegels des glykierten Hämoglobins (HbA1c) und der Raten behandlungsbedingter unerwünschter Ereignisse. Diese Studien dienten als Ausgangspunkt für ein Phase-III-Programm, QWINT, das fünf globale Studien umfasste.
Dr. Mathieu ging zu Icodec über und diskutierte drei Phase-II-Studien, wobei die erste eine 26-wöchige Studie war, die 247 nicht mit Insulin vorbehandelte Erwachsene mit T2D umfasste: die Blutzuckerkontrolle war zwischen einmal wöchentlich verabreichtem Icodec und Insulin glargin U100 vergleichbar. In der zweiten Studie mit 205 nicht mit Insulin vorbehandelten Erwachsenen mit T2D wurden die Sicherheit und Wirksamkeit von Icodec unter der Anwendung verschiedener einmal wöchentlicher Titrationsalgorithmen über 16 Wochen untersucht: es zeigte sich, dass es bei Anwendung aller drei untersuchten Algorithmen wirksam und gut verträglich ist. In der letzten Studie wurden zwei Ansätze der Umstellung auf Icodec im Vergleich zur Umstellung auf einmal täglich verabreichtes Insulin glargin U100 bei 154 T2D-Patienten unter täglicher Basalinsulinbehandlung analysiert. Die Umstellung führte zu einer wirksamen glykämischen Kontrolle und wurde gut vertragen. Ähnlich wie BIF wurde das Phase-III-Programm (ONWARDS; bestehend aus sechs globalen Phase-IIIa-Studien) im Jahr 2021 initiiert, wobei die vorläufigen Daten den einmal wöchentlich angewendeten Insulinen ein ähnliches/besseres Potenzial in Bezug auf die HbA1c-Senkung zusprachen wie/als täglich angewendeten Insulinen.
„Ich glaube, wir leben in spannenden Zeiten. Ich denke, sie werden die klinische Arena betreten“, sagt Dr. Mathieu zum Abschluss ihres Vortrags.
Annäherung an die Klinik (Athena Philis-Tsimikas, USA)
Dr. Philis-Tsimikas präsentierte die erste Phase-IIIa-Auswertung (ONWARDS 2) zu Insulin Icodec. Die 26-wöchige Studie umfasste 526 Erwachsene mit T2D, die von einmal oder zweimal täglich angewendetem Insulin randomisiert (1 : 1) entweder auf einmal wöchentlich angewendetes Icodec oder auf einmal täglich angewendetes Degludec umgestellt wurden. Der primäre Endpunkt des Nachweises der Nichtunterlegenheit von Icodec gegenüber Degludec bezüglich der Senkung des HbA1c in Woche 26 wurde erreicht: Es wurde eine signifikante Senkung des HbA1c festgestellt (geschätzter Behandlungsunterschied [ETD]: -0,22 %; 95 %-KI: -0,37 % bis -0,08 %), ohne signifikanten Unterschied in Bezug auf die geschätzten Hypoglykämieraten. Die klinisch signifikanten Hypoglykämieraten (Blutglukose < 3 mmol/l) betrugen 0,73 und 0,27 Ereignisse/Patientenjahr mit Icodec und Degludec. Darüber hinaus war Icodec sicher und führte zu einem signifikant höheren Gesamtwert der Zufriedenheit mit der Behandlung gemäß des Fragebogens zur Zufriedenheit mit der Diabetesbehandlung (ETD: 1,25; 95 %-KI: 0,41–2,10).
Dr. Philis-Tsimikas fasst ihre Meinung zu den Wegen in die Zukunft zusammen und sagt: „Wir werden die Ergebnisse der klinischen Phase-III-Studien erfahren, die sowohl zu BIF als auch zu Icodec laufen, und ich bin auf alle Ergebnisse gespannt“.
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