Drahtseilakt zum Schutz europäischer Gesundheitsdaten
- Moheb Costandi
- Medizinische Nachrichten
Die Europäische Kommission (EK) hat einen Vorschlag zur Einrichtung eines europäischen Raums für Gesundheitsdaten veröffentlicht. Die Kommission preist ihren Vorschlag als „Quantensprung in der Gesundheitsversorgung für die Menschen in ganz Europa“ an, aber Mitglieder des Europäischen Parlaments haben Bedenken gegenüber der Initiative geäußert. Sie befürchten, dass sie es privaten Akteuren ermöglichen wird, die darin enthaltenen Gesundheitsdaten zu missbrauchen.

Der Europäische Raum für Gesundheitsdaten (European Health Data Space, EHDS) besteht aus einer Reihe von Vorschriften, gemeinsamen Standards und einem Governance-Rahmen zur Bereitstellung einer sicheren Infrastruktur. Innerhalb dieser können Einzelpersonen, Wissenschaftler und politische Entscheidungsträger in den Mitgliedstaaten der Europäischen Union anonymisierte Gesundheitsdaten weitergeben. Abgezielt wird damit auf eine „Stärkung der Handlungskompetenz von Einzelpersonen durch besseren digitalen Zugang zu ihren personenbezogenen elektronischen Gesundheitsdaten und eine bessere Kontrolle darüber“ sowie eine „Förderung eines echten Binnenmarkts für Patientendatensysteme“.
Die COVID-19-Pandemie hat gezeigt, dass der Austausch aktueller Gesundheitsdaten der Schlüssel ist, um Entscheidungen im Bereich der öffentlichen Gesundheit zu treffen und auf Krisensituationen zu reagieren. Des Weiteren hat sie die Einführung digitaler Gesundheitsinstrumente in Europa und anderswo beschleunigt.
Allerdings ist die koordinierte Nutzung digitaler Gesundheitsdaten innerhalb der Europäischen Union derzeit begrenzt, da die Mitgliedstaaten unterschiedliche Standards für die Datennutzung haben. Der EHDS soll dieses Problem lösen, indem mit der Initiative die Datendigitalisierung priorisiert wird, während gleichzeitig Datenschutz und Bürgerrechte in den Vordergrund gerückt werden.
Der Vorschlag baut ergänzend auf der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) der Europäischen Union auf und enthält eine neue Reihe von Vorschriften, die speziell darauf abzielen, wie private Daten im Gesundheitssektor verwendet werden. Mithilfe künstlicher Intelligenz, Middleware für Cloud-Anwendungen sowie Hochleistungsrechnern soll ein Binnenmarkt für die Verwendung digitaler Gesundheitsdaten in Europa geschaffen werden.
Der EHDS stärkt nicht nur Patienten und Gesundheitsdienstleister, sondern würde auch Wissenschaftlern und Forschern besseren Zugang zu mehr aussagekräftigen Gesundheitsdaten ermöglichen, wodurch man sich erhofft, die Identifikation neuer Wirkstoffe, die medizinische Forschung und die Entwicklung neuer Medizinprodukte und Impfstoffe zu unterstützen.
„Der EHDS stellt die Bürgerinnen und Bürger in den Mittelpunkt und ermöglicht ihnen die vollständige Kontrolle ihrer Daten mit dem Ziel, eine bessere Gesundheitsversorgung in der gesamten EU zu erreichen“, sagte Stella Kyriakides, EU-Kommissarin für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit, in einer Pressemitteilung. „Diese Daten, auf die unter Gewährleistung strikter Garantien für den Schutz der Privatsphäre und der Sicherheit zugegriffen wird, werden auch Wissenschaftlern, Forschenden, Innovatoren und politischen Entscheidungsträgern, die an künftigen lebensrettenden Behandlungsmethoden arbeiten, von hohem Wert sein.“
Die 2016 in Kraft getretene DSGVO bietet bereits einen robusten Rahmen zum Schutz personenbezogener Daten, wird aber in den EU-Mitgliedstaaten nicht einheitlich umgesetzt. In Europa werden Unmengen von Gesundheitsdaten generiert, die aber wegen der Datenschutzvorschriften in der DSGVO nur in sehr geringem Maße für sekundäre Analysen zur Verfügung stehen.
Die EK und das Europäische Parlament sind sich jedoch uneinig, wie Sekundärdaten verwendet werden sollen. Die vorgeschlagenen Vorschriften legen Regeln fest, durch die anonymisierte Gesundheitsdaten von Dritten ohne Einwilligung der Patienten eingesehen werden können, aber die Parlamentsmitglieder argumentieren, dass dies die Datenschutzrechte der Bürgerinnen und Bürger verletzen könnte.
Das Parlament schwankt daher zwischen einem Opt-in-Modell, bei dem alle, die personenbezogene Gesundheitsdaten verwenden möchten, eine entsprechende Einwilligung einholen müssten, und einem Opt-out-Modell, bei dem von einer solchen Einwilligung ausgegangen wird, die aber zurückgezogen werden kann.
„Es ist wichtig für uns, die sekundäre Verwendung der Daten zu stärken, da sie eine große Bedeutung für die Erforschung neuer Behandlungen für Patienten und für die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Industrie haben werden“, sagte die Parlamentsabgeordnete Susana Solís Pérez.
In einer im März herausgegebenen gemeinsamen Erklärung forderte die European Public Health Alliance (EPHA) die politischen Entscheidungsträger auf, die Rechte der Patienten zu respektieren und sicherzustellen, dass die wirtschaftlichen Interessen nicht mit den Vorteilen eines Datenaustauschs für die Gesamtgesellschaft in Konflikt geraten.
„Die Ergebnisse der Verarbeitung von sekundären Gesundheitsdaten sollten Gegenstand strenger Datenschutzverpflichtungen sein“, heißt es in der Stellungnahme. „Der EHDS-Vorschlag muss sicherstellen, dass die Daten auf breiter Basis von Wert sind und genutzt werden, um den Stand der Wissenschaft voranzutreiben und bessere Gesundheitsergebnisse zu erreichen, während gleichzeitig die Rechte der betroffenen Personen und der Dateninhaber geschützt werden.“
Der Vorschlag wird nun vom Rat und vom Parlament in Brüssel diskutiert. Die Kommission hofft, dass bis zur Sommerpause des Parlaments im Juni nächsten Jahres eine endgültige Fassung vorliegen wird.
Die Abgeordneten haben am ursprünglichen Vorschlag jedoch bereits mehr als 2100 Änderungen eingebracht. Dazu gehören bessere Datenschutzvorschriften, die das Vertrauen der Patienten in die ordnungsgemäße Verwendung ihrer Daten stärken sollen, sowie Ergänzungen zur Gewährleistung, dass die Öffentlichkeit von allen Forschungsvorhaben profitiert, die mit diesen gemeinsam genutzten Daten durchgeführt werden.
Die endgültige Version des Vorschlags dürfte sich daher vom Originaltext erheblich unterscheiden.
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