Digitalisierung: „Ohne uns geht es nicht“

  • Lisa Braun
  • Medizinische Nachricht
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Die Debatte um eine zielführende Digitalisierung in den Praxen dauert an. Besonders umstritten sind derzeit die ab 2023 geplante Finanzierungsreform der Telematikinfrastruktur (TI), die Opt-out-ePA und das E-Rezept. Bemängelt wird vor allem die fehlende Berücksichtigung derer, die es betreffen soll: die Ärzteschaft.

Kritik an geplanter TI-Pauschale

Die Ausstattungs- und Betriebskosten für die TI in vertragsärztlichen Praxen sollen ab dem 1. Juli 2023 durch eine monatliche Pauschale ausgeglichen werden. So sieht es ein Änderungsantrag der Ampelfraktionen zum Krankenhauspflegeentlastungsgesetz vor. Bei der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) und der Bundesärztekammer (BÄK) stößt diese Neuausrichtung auf scharfe Kritik. „Eine solche Finanzierungslogik wälzt das komplette wirtschaftliche Risiko auf die Praxen ab“, warnt BÄK-Präsident Dr. Klaus Reinhardt. Da die Erstattung von den Kassen bis zu 72 Monate dauern könne und eine dynamisierte Anpassung des ausgehandelten Preises nicht vorgesehen ist, müssten niedergelassene Praxen in hohe finanzielle Vorleistung gehen. KBV-Vorstandsvorsitzender Dr. Andreas Gassen kritisiert zudem, dass gematik und Bundesgesundheitsministerium im Alleingang festlegen würden, was die Praxen für eine funktionierende Digitalisierung alles bräuchten. „Dieser Antrag würgt jegliche Identifikation mit der TI in der Ärzteschaft ab“, ist sich auch KBV-Vorstandsmitglied Dr. Thomas Kriedel sicher.

KBV legt eigene Empfehlung vor

Um den Konsequenzen dieser Neuregelung entgegenzuwirken, schlägt die KBV vor, dass die Preise für Komponenten und Dienste der TI künftig direkt zwischen dem GKV-Spitzenverband und den Herstellern verhandelt werden sollen. Dadurch könne der Anbieter die Höhe des von ihm verlangten Preises nachvollziehbar begründen, da er die Produktions- und Entwicklungskosten genau kenne, der GKV-Spitzenverband könne sich für möglichst wirtschaftliche Preise einsetzen und für die Praxen selbst verliefe der Digitalisierungsprozess kostenneutral. Diesen Vorschlag unterstützt auch die Bundesärztekammer.

„Ohne uns geht es nicht“

Die TI-Pauschale ist jedoch nicht die einzige Herausforderung bei der Digitalisierung vertragsärztlicher Praxen, wie auf der diesjährigen „Digital Health Conference“ des Bitkom-Verbandes deutlich wird. Hier diskutieren der Deutsche Hausärzteverband Baden-Württemberg und die gematik über die Opt-out-ePA und das E-Rezept. „Wir brauchen neue Antworten, die alten passen nicht mehr“, sagt Prof. Nicola Buhlinger-Göpfarth, Vorständin des Deutschen Hausärzteverbandes Baden-Württemberg. Doch das E-Rezept in seiner momentanen Form bezeichnet sie als „Schrott“, in ihrer Praxis habe sie noch kein Patient nach der Opt-out-ePA gefragt und die digitalen Lösungen, die man den Praxen vorsetze, seien nicht funktionsfähig, klagt sie. Wichtig ist ihr ein erkennbarer Mehrwert. Digitale Anwendungen müssten helfen, die Arbeitslast der Ärzteschaft zu reduzieren, die sich in den kommenden Jahren noch weiter erhöhen werde. Zudem wünscht sich Buhlinger-Göpfarth eine stärkere Einbindung der Hausärzteschaft: „Ohne uns geht es nicht.“

Elektronische Identität muss „das 2023-Ereignis“ sein

Der Geschäftsführer der gematik, Dr. Markus Leyck Dieken, betont die Notwendigkeit einer elektronischen Identität. Diese Einführung müsse „das 2023-Ereignis“ sein, dass es in guter Verfassung umzusetzen gelte. Andere europäische Länder, etwa Italien oder Dänemark, seien hier klare Vorreiter, an denen man sich orientieren könne. Hier stimmen Buhlinger-Göpfarth und Dr. Gottfried Ludewig, Senior Vice President Health Industry bei T-Systems International, zu. Ohne eine elektronische Identität könne Digitalisierung nicht funktionieren und eine betriebsfähige Telematikinfrastruktur nicht realisiert werden. Ludewig unterstreicht: „Wir müssen uns alle bewusst werden, dass zu einem modernen Arztberuf der Einsatz von Technologie selbstverständlich dazugehört.“

Opt-out-ePA als Basis

Für Leyck Dieken ist die Opt-out-ePA Kern und Ankerpunkt der Digitalisierungsstrategie. Sie könne als Basis für kommende Anwendungen fungieren, so der Geschäftsführer. Im engeren Sinne stehe aber gar nicht die Technik im Mittelpunkt. „Es geht um das gemeinschaftliche Denken von Gesellschaften.“