Digitale Heimtherapie mit intelligenter Brille verbessert die Sozialisation autistischer Kinder

  • Michael Simm
  • Studien – kurz & knapp
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Kernbotschaften

Eine Brille mit eingebauter Gesichtserkennung kann Kindern mit Autismus-Spektrum-Störungen offenbar helfen, Emotionen besser zu erkennen. Da der Aufwand vergleichsweise gering ist, könnte sich die Methode als Ergänzung zur Standardtherapie eignen.

Hintergrund

Verhaltenstherapien haben sich bei Autismus-Spektrum-Störungen (ASD) als wirksam erwiesen, sie sind jedoch teuer und nur eingeschränkt verfügbar. Eine Möglichkeit, diesem Engpass zu begegnen, könnten Technik-basierte Therapien sein, zu denen bisher allerdings nur wenige Studien vorliegen.

Design

Randomisierte klinische Studie mit 71 Kindern mit der Diagnose ASD (89% männlich, mittleres Alter 8,38 Jahre). Sie erhielten entweder 15 – 20 Stunden pro Woche eine Art von Verhaltenstherapie (Applied Behaviour Analysis) oder zusätzlich zuhause die sogenannte Superpower Glass Intervention. Diese besteht aus einer „intelligenten“ Brille mit integrierter Kamera, die im Zusammenspiel mit einer App auf dem Smartphone die Wahrnehmung von Gesichtern und das Erkennen von Emotionen fördern soll. Dies geschieht, indem die Software Gesichtsausdrücke erkennt und die Interpretation erleichtert, indem verstärkende soziale Hinweise (z.B. „Smileys“) im Display der Brille eingeblendet werden. Die Familien wurden gebeten, diese Intervention 4 Mal pro Woche für jeweils 20 Minuten über eine Dauer von 6 Wochen durchzuführen. Davor und danach wurde die Fähigkeit für soziale Wechselwirkungen auf 4 Skalen gemessen.

Hauptergebnisse

  • Bei einem der 4 primären Studienziele gab es in der Interventionsgruppe im Vergleich zur Kontrollgruppe signifikante Verbesserungen:  Auf der Vineland Adaptive Behaviours Scale Unterskala für Sozialisierung betrug der mittleren Behandlungseffekt von 4,58 Punkten (P = 0,005). Dies sei vergleichbar mit dem derzeitigen Therapiestandard, schreiben die Autoren.
  • Die anderen 3 primären Studienziele waren Veränderungen auf der Skala SRS-II (einem Fragebogen zu sozialen Defiziten), die Domäne Affekterkennung des NEPSY-II-Assesments, sowie ein von dem Team selbst entworfenes Ratespiel zur Emotionserkennung. Bei allen drei Parametern fanden sich zwar ebenfalls Verbesserungen, diese erreichten aber nicht die als signifikant definierte Schwelle von P = 0,0125.

Klinische Bedeutung

Nach Wissen der Autoren ist dies die erste randomisierte klinische Studie, die die Wirksamkeit einer am Leib getragenen digitalen Intervention zur Verbesserung des Sozialverhaltens bei Kindern mit Autismus-Spektrum-Störungen demonstriert. Für diese und weitere „digitale Heimtherapien“ zeichnet sich ein großes Potenzial ab, um die Behandlungsmöglichkeiten zu erweitern bzw. mehr Patienten zu erreichen.

Finanzierung: National Institutes of Health u.v.a. Die Brillen wurden bereitgestellt von Google Inc.