Die Syphilis: Wie diagnostizieren, wie behandeln?

  • Thomas Kron
  • Medizinische Nachrichten
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In früheren Zeiten, lange vor AIDS, COVID und den Affenpocken, da wurden einige Prominente oder sogenannte VIPs, etwa Friedrich Nietzsche und Charles Baudelaire, Opfer einer Infektionskrankheit, die man damals auch als Lustseuche oder Franzosenkrankheit bezeichnete. Heute ist die Syphilis, um die es hier geht, zwar keine typische Erkrankung der Reichen und Schönen mehr. Aber trotz der Therapie-Fortschritte in den fast 120 Jahren, die seit der Entdeckung des Erregers vergangen sind, ist die Syphilis weiterhin eine ernstzunehmende und gefährliche Infektionskrankheit. „Industrieländer international verzeichnen explodierende Zahlen bei sexuell übertragbaren Krankheiten – vor allem bei Syphilis“, hieß es vor wenigen Tagen zum Beispiel im Hamburger Magazin „Der Stern“. „Wir sehen insgesamt einen Trend von zunehmenden Geschlechtskrankheiten", wird Professor Norbert Brockmeyer, Präsident der Deutschen STI-Gesellschaft, zitiert. Bei der Syphilis gebe es seit 2001 Steigerungsraten von teilweise um 20 Prozent, so auch die Infektiologin Dr. med. Hanna Matthews und ihr Kollege Dr. med. Stefan Schmiedel vom Universitätsklinikum. Betroffen von der bakteriellen Infektion sind vor allem Männer, die Sex mit Männern haben. In einem Übersichtsbeitrag zu sexuell übertragbare Erkrankungen haben die beiden Infektiologen unter anderem die Diagnostik und die Therapie bei Syphilis beschrieben. Die durch Spirochäten der Gattung Treponema pallidum subspezies pallidum verursachte Syphilis verläuft, wie sie erinnern, klassischerweise in mehreren Stadien.

Primäraffekt:

ZehnTage bis drei Monate nach der Infektion komme es an der Eintrittspforte, meist genital oder anal, zu einem scharf begrenzten, indurierten und schmerzlosen Ulkus (Primäraffekt), das  in der Regel spontan abheile.

Sekundärstadium:

Nach 9–12 Wochen könnten grippeartige Allgemeinsymptome und Lymphknotenschwellungen sowie ein klassischerweise stammbetontes, makulöses, nicht juckendes Exanthem auftreten. Auch Handflächen und Fußsohlen seien betroffen, die Mundschleimhaut könne ebenfalls Effloreszenzen zeigen (Plaques muqueuses). Darüber hinaus könne es zu Haarausfall (Alopecia syphilitica) oder Condylomata lata kommen.

Tertiärsyphilis:

Persistierten die Erreger, bildeten sich Monate bis Jahre später spezifische, destruierende Granulome (sogenannte Gummen). Diese Tertiärsyphilis könne sich unter anderem zerebral oder auch kardiovaskulär manifestieren.

Insbesondere bei Verdacht auf eine zerebrale Beteiligung der Syphilis (im Sekundär- oder Tertiärstadium möglich) sollte immer eine weitere Diagnostik eingeleitet werden, da die Diagnose einer längeren Therapie bedürfe.

Eine bei Schwangeren unbehandelte Syphilis könne durch diaplazentare Übertragung zu Spätaborten oder einer angeborenen Syphilis (Syphilis connata) führen. Diese zeichne sich durch die Trias Tonnenzähne, Innenohrschwerhörigkeit und Keratitis aus (Hutchinson-Trias). Durch das in Deutschland verpflichtende Screening aller Schwangeren in der Frühschwangerschaft trete die konnatale Syphilis „praktisch nicht mehr auf“.

So wird die Syphilis nachgewiesen

Zur Diagnostik der Syphilis dienten in der Regel der sehr sensitive Treponema-pallidum-Partikel-Agglutinationstest (TPPA) oder der Treponema-pallidum-Hämagglutinationstest (TPHA).

Bei positivem Befund erfolge ein zweiter T.-pallidum-spezifischer Test als Bestätigungstest, in der Regel der Fluoreszenz-Treponema-Antikörper-Absorptionstest (FTA-Abs-Test).

Zur Beurteilung der Krankheitsaktivität werden nach Angaben der Infektiologen zwei weitere (nicht Treponemen-spezifische) Antikörpertests angewendet: der „veneral-disease research laboratory“ (VDRL)-Test und der „rapid plasma reagin“ (RPR)-Test.

Wichtig sei, dass eine Unterscheidung zwischen einer aktiven, behand- lungsbedürftigen und einer ausgeheilten oder behandelten Infektion durch die Tests nicht immer möglich sei und nur in Zusammenschau mit Vorbefunden und Anamnese getroffen werden könne.

So wird ein Syphilis-Patient behandelt

Mittel der Wahl zur Syphilis-Therapie sei Penicillin G. Nur bei Penicillin-Allergie seien andere Antibiotika notwendig. Aufgrund der langen Generationszeit sei eine Behandlungsdauer von mindestens zehn Tagen erforderlich.

Frühsyphilis:

Einmalige malige Injektion eines Depot- Penicillins mit langer Wirkdauer (z. B. Benzathin-Benzylpenicillin 2,4 Mio. I. E. i. m.)

Alternative: Ceftriaxon 2 g i. v. über 10 Tage

Bei Penicillin-Allergie: Doxycyclin 2 × 100 mg über 14 Tage (bei Kindern unter 8 Jahren und Schwangeren kontraindiziert)

Floride Sekundärsyphilis:

Bei einer floriden Sekundärsyphilis bestehe aufgrund der Erregerlast die Gefahr einer Jarisch-Herxheimer-Reaktion. Dabei handelt es sich, wie die Infektiologen erinnern, um eine Reaktion auf Toxine der zerfallenden Treponemen, die 2–8 Stunden nach der ersten Antibiotika-Gabe. Ab dem Sekundärstadium kann daher eine Prophylaxe mit Prednisolon (z. B. 1 mg/kgKG) eine Syphilisreaktion vermeiden.

Spätsyphilis:

Liege der Infektionszeitpunkt > 1 Jahr zurück oder sei er unbekannt, werde von einer Spätsyphilis gesprochen. Therapie in solchen Fällen: Dreimalig Benzathin-Benzylpenicillin 2,4 Mio. I. E. i. m. (am Tag 1, 8 und 15).

Alternative: Ceftriaxon 2 g i. v. über14 Tage gegeben werden. Doxycyclin 2 × 100 mg muss über 28 Tage eingesetzt werden.

Neurosyphilis:

Eine besonders schwerwiegende Folge einer Infektion mit dem Syphilis-Erreger ist bekanntlich die Neurosyphilis. Der Verdacht auf Neurosyphilis ergibt sich laut der Leitlinie entweder aus anamnestischen Angaben über eine frühere Geschlechtskrankheit oder durch eine positive Treponemenserologie bei gleichzeitig bestehenden neurologischen und/oder psychiatrischen Symptomen. Personen mit HIV haben ein erhöhtes Risiko für eine Neurosyphilis, einschließlich atypischer oder asymptomatischer Formen.

Bei klinischem Verdacht auf Neurosyphilis empfehlen die Autoren der Leitlinie folgendes Vorgehen: Syphilis-Suchtests im Serum, Liquoruntersuchung mit Bestimmung von Zellzahl, Protein, Laktat und/oder Liquor-Serum-Glukose-Quotient, Bestimmung der Liquorproteine nach Reiber sowie die Bestimmung eines Liquor-Serum-Antikörper-Index für spezifische Antikörper gegen Treponema pallidum (ITpA- bzw. TPHA- Liquor-Serum-Antikörper-Index), in Abhängigkeit vom klinischen Bild eine zerebrale MRT.

Diagnostisch wird zwischen wahrscheinlicher und sicherer Neurosyphilis unterschieden.

Wahrscheinliche Neurosyphilis:

Ein Patient leidet wahrscheinlich an einer Neurosyphilis, wenn mindestens zwei der nachfolgenden Punkte 1–3 und immer der Punkt 4 gegeben sind:

  1. subakuter oder chronisch-progredienter Verlauf einer neurologisch- psychiatrischen Symptomatik mit Phasen von Verschlechterung und Teilremission
  2. pathologische Liquorbefunde mit gemischtzelliger oder mononukleärer Pleozytose oder Blut-Liquor-Schrankenstörung oder IgG-dominante Immunreaktion im ZNS
  3. günstige Beeinflussung von Krankheitsverlauf und/oder Liquorbefunden (vor allem Pleozytose und Schrankenstörung) durch Antibiotika, die für die Behandlung einer Neurosyphilis empfohlen werden
  4. positiver Ausfall des TPHA-(oder TPPA-)Tests und des FTA-Abs-Tests im Serum

Sichere Neurosyphilis:

Ein Patient leidet sicher an einer Neurosyphilis, wenn außer den Kriterien einer wahrscheinlichen Neurosyphilis noch eine lokale treponemenspezifische Antikörperreaktion nachgewiesen werden kann, messbar über den Nachweis einer intrathekalen Produktion von Antikörpern gegen Treponema pallidum (ITpA = intrathekal produzierte Treponema-pallidum-Antikörper bzw. TPHA- Liquor-Serum-Antikörper-Index).

Die Therapie:

Bei Neurosyphilis (auch okulärer oder otogener Syphilis) sei zu beachten, dass deutlich höhere Medikamenten-Dosierungen notwendig seien, um ausreichende Liquor-Spiegel zu erreichen, erläutern die Hamburger Infektiologen in Übereinstimmung mit der Leitlinie. Konkret bedeutet dies:

24–30 Mio IE Penicillin G verteilt auf 3–5 Einzeldosen über 14 Tage oder Ceftria- xon 2 g i. v. über 14 Tage

Eine alternative Option für Patienten mit Penicillin-Allergie sei auch in diesem Fall Doxycyclin (2 × 200 mg über 28 Tage).