Die „Politik“ ist beschlussfreudig, Omikron im Kommen und Boostern ein Muss

  • Dr. med. Thomas Kron
  • Medizinische Nachrichten
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Nach langem Zögern haben sich die politischen Akteure von Bund und Ländern nun dazu durchgerungen, die Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie zu verschärfen. In einer gemeinsamen Konferenz haben Angela Merkel und die Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten mehrere Maßnahmen beschlossen. So soll es eine einrichtungsbezogene Impfpflicht geben und zudem im Bundestag über eine allgemeine Impfpflicht entschieden werden. Der Ethikrat soll bis Ende des Jahres eine Empfehlung dazu ausarbeiten. Künftig sollen ausser Apothekern etwa auch Zahnärztinnen und Zahnärzte gegen SASR-CoV-2 impfen dürfen. Darüber hinaus soll eine Zweifach-Impfung ohne Auffrisch-Impfung nicht als dauerhaft ausreichende Impfung gelten. Wer sich nicht hat boostern lassen, wird dann als umgeimpft gelten. 

Weitere Beschlüsse: Unabhängig von der Sieben-Tage-Inzidenz der Neuinfektionen haben nur noch Geimpfte und Genesene Zugang zu Kinos, Theatern, Restaurants (2G-Regel). Außerdem kann ein zusätzlicher Test angefordert werden (2G+). Auch der Zutritt zum Einzelhandel ist bundesweit nur noch Geimpften und Genesenen gestattet. Ausgenommen sind Geschäfte des täglichen Bedarfs wie Supermärkte, Apotheken und Drogerien. In allen Ländern gibt es strengere Kontaktbeschränkungen für Ungeimpfte. An den Schulen gilt in allen Stufen eine Maskenpflicht. Und: Die Silvester-Böllerei ist auch in diesem Jahr untersagt.

Laut der EU-Seuchenbehörde (ECDC ) wird Omikron bald die dominierende Corona-Variante sein. Es gebe mehrere noch ungeklärte Fragen bei der neuen Variante, etwa zur Übertragbarkeit und dem Potenzial, dem Immunsystem zu entkommen, teilt die Behörde mit; vorläufige Daten deuteten jedoch auf einen erheblichen Vorteil der neuen Variante gegenüber der Delta-Variante hin. Die EU-Behörde geht davon aus, dass Omikron bereits in wenigen Monaten an mehr als die Hälfte aller COVID-19-Infektionen beteiligt sein wird. 

Wie wichtig Auffrisch-Impfungen sind, zeigen nun auch Studien-Daten von Wissenschaftlern des Deutschen Zentrums Immuntherapie am Universitätsklinikum Erlangen: Nach der im Fachmagazin „Annals of Rheumatic Diseases“ publizierten Studie schützt eine Auffrisch-Impfung gegen SARS-CoV-2 auch Menschen, die zuvor auf zwei Impfungen keine Immunantwort entwickelt haben. „Wir hatten bereits in einer früheren Studie zeigen können, dass Patientinnen und Patienten mit Autoimmunerkrankungen wesentlich häufiger als gesunde Menschen keinen adäquaten Immunschutz nach zweimaliger Corona-Impfung aufweisen“, so Studienleiter Dr. David Simon in einer Mitteilung der Universität.

In der aktuellen Studie mit 66 sogenannten „Impf-Versagern“ hätten die meisten dieser Patienten eine robuste Immunantwort gegen das neue Coronavirus gebildet. Insgesamt wurde nach Angaben der Autoren bei 49,2 % der Patienten eine Serokonversion und bei 50,0 % eine neutralisierende Antikörperaktivität nachgewiesen. Die humoralen Impfantworten hätten sich nicht zwischen den Patienten unterschieden, die zu Beginn der Behandlung positive (59,3 %) oder negative (49,7 %) T-Zell-Antworten gezeigt hätten. Patienten, die weiterhin mit mRNA-basierten Impfstoffen geimpft worden seien, hätten eine ähnliche Impfreaktion gezeigt wie Patienten, die auf vektorbasierte Impfstoffe umgestellt worden seien.

Ein Team von Wissenschaftlern mehrerer deutscher Universitäten und wissenschaftlicher Einrichtungen hat den Pathomemchanismus dafür gefunden, dass die Lunge bei COVID-19-Patienten ungewöhnlich lange funktionsunfähig bleibt und die Patienten eine langwierige ECMO-Therapie benötigen. Wie die Wissenschaftler in der Fachzeitschrift „Cell  erläutern, kommt es bei COVID-19 ähnlich wie bei der idiopathischen Lungenfibrose zu einer Fibrosierung des Lungengewebes, wobei an diesem Prozess Makrophagen eine wesentliche Rolle spielen.

„Patientinnen und Patienten mit schwerem COVID-19 haben oft ein sehr stark ausgeprägtes Lungenversagen“, sagt Professor Dr. Leif Erik Sander (Medizinische Klinik mit Schwerpunkt Infektiologie und Pneumologie der Charité). „Die weitgehende Zerstörung ihrer Lungenstruktur erfordert eine invasive Beatmung oder sogar eine ECMO-Behandlung über längere Zeit und geht leider mit einer sehr hohen Sterblichkeit von etwa 50 Prozent einher.“ Aktuellen Daten zufolge ist die Sterberate von ECMO-Patienten in Deutschland mit 68 Prozent sogar besonders hoch. 

Als Grund für die lange Dauer des Lungenversagens bei COVID-19-Patienten hatte das Forschungsteam unter anderem eine spezielle Form des ARDS im Verdacht, bei der Lungengewebe fibrosiert. Schon relativ früh in der Pandemie war bei einzelnen Patienten ein solcher Umbau des Gewebes aufgefallen. Die aktuelle Studie des interdisziplinären Forschungskonsortiums bestätigt nun, dass das schwere Covid-19-bedingte Lungenversagen tatsächlich sehr häufig von einer ausgeprägten Fibrosierung des Lungengewebes begleitet wird. Mikroskopische Untersuchungen hätten darauf hingewiesen, dass  es sich beim COVID-19-Lungenversagen um ein  sogenanntes fibroproliferatives ARDS handele, also einer besonders schweren Form des Lungenversagens. Das könne erklären, warum die Betroffenen so lange beatmen werden müssten. Die Wissenschaftler konnten nun nachweisen, dass bei schwerem COVID-19 Makrophagen ähnliche Eigenschaften wie bei der idiopathischen Lungenfibrose“ hätten.Danach treten die Makrophagen bei schwerem COVID-19 mit bestimmten Zellen des Bindegewebes in Kontakt, die an der Bildung von Narbengewebe beteiligt sind, Diese Zellen vermehren sich stark und produzieren dann große Mengen Kollagen. Untersuchungen an Zellkulturen zufolge beeinflusst SARS-CoV-2 selbst die Makrophagen so, dass diese die Fibrosierung möglicherweise befeuern.