DGE-Kongress 2022: Wie süße Speisen das Sozialverhalten fördern

  • Michael Simm
  • Konferenzberichte
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Kernbotschaften

Eine Ernährung mit süß schmeckenden Nahrungsmitteln macht Menschen im Experimente hilfsbereiter und sozialer. Dabei spielt die Hirnregion des anterioren cingulaten Cortex eine entscheidende Rolle. Dies berichtete Professor Michael Schaefer von der Medical School Berlin auf dem 59ten Kongress der Deutschen Gesellschaft für Ernährung, der dieses Jahr unter dem Motto: „Ernährung und Gehirn“ stattfand.

Hintergrund / Neue Erkenntnisse

Hinter der Präferenz für süße Nahrungsmittel stecken vermutlich evolutionäre Gründe. Dieser Geschmack markiert nämlich energiereiche Stoffe, während bittere Substanzen oft giftig und gefährlich sind. Umgekehrt scheint eine positive Stimmung auch die Geschmackswahrnehmung zu beeinflussen.

So wurden in einer Studie in Singapur (Chan et al. 2013) Probanden in unterschiedliche Stimmungen versetzt, wonach „romantisch-verliebte“ Studienteilnehmer destilliertes Wasser als süßer beurteilten als Probanden mit einer neutralen Grundstimmung. In einer US-amerikanischen Studie (Meier et. al 2012) erhielten die Teilnehmer zunächst süße oder salzige Snacks zugelost, nach deren Konsum angeblich dringend Teilnehmer für eine weitere Studie gesucht wurden. Jene, die zuvor Süßes gegessen hatten, waren bereit, durchschnittlich 23 Minuten ihrer Zeit zu opfern, nach salzigen Snacks waren es etwa 15 Minuten und ganz ohne Verpflegung ca. 13 Minuten.

Diesen Effekt konnte Schaefer kürzlich in einer eigenen Untersuchung mit mehr als 500 Teilnehmern replizieren. Mittels funktioneller Kernspinresonanztomographie (fMRT) und einem anschließenden Tests zum Sozialverhalten (Diktator-Spiel, bei dem der Proband 15 € zwischen sich und dem anonymen Mitspieler aufteilen darf) suchte er zudem nach den neuronalen Korrelaten des „Süßeffektes“. Eine Kontrollaufgabe („wie finden Sie dieses Produkt?“) sollte klären, ob Süßes sich spezifisch auf das Sozialverhalten auswirkt oder nur allgemein die Stimmung verbessert.

Das Ergebnis der randomisierten Studie mit jeweils 60 Wiederholungen: Nach der Aufnahme von 1,5 Milliliter Fructose-Lösung waren die Probanden hochsignifikant häufiger bereit, dem anonymen Mitspieler einen größeren Teil des Geldes zu geben als nach der 1,5 Milliliter Kochsalzlösung oder einer neutralen Probe (künstliche Saliva). Bei der Bewertung von Kontrollprodukten gab es hingegen keine Unterschiede. In der Bildgebung korrelierte dies mit einer stärkeren Aktivierung des anterioren cingulaten Kortex (ACC) durch die Süßprobe. Laut Schaefer ist diese Hirnregion „die zentrale Schaltstelle beim Monitoring von Konflikten.“

Eine praktische Anwendung dieser Effekte konnte Schaefer jedoch nicht anbieten. Zwar könne sich süßer Geschmack positiv auf das Sozialverhalten auswirken. Allerdings: „Die Effekte sind klein, es handelt sich um rein experimentelle Befunde, deren Implikationen noch unklar sind.“

Finanzierung: Wirtschaftliche Vereinigung der Zucker, Verein der Zuckerindustrie.