Deutlich mehr Autoimmunerkrankungen nach COVID-19 in Deutschland
- Nicola Siegmund-Schultze
- Studien – kurz & knapp
Kernbotschaften
Eine COVID-19-Erkrankung ist nach der akuten Phase mit einem deutlich erhöhten Risiko für neu auftretende Autoimmunerkrankungen assoziiert - je schwerer die Erkrankung, desto höher das Risiko. Das ergibt eine große kontrollierte Kohortenstudie aus Deutschland. Am stärksten nehmen systemische, autoimmune Vaskulitiden zu wie M. Behçet, Arteriitis temporalis und M. Wegener. Aber auch Hashimoto-Thyreoiditis, M. Basedow und rheumatoide Arthritis treten nach überstandener SARS-CoV-2-Infektion häufiger auf als in vergleichbaren Kohorten ohne COVID-19.
Hintergrund
Die Prävalenz des Post-COVID-Syndroms (PCS; Symptome > 12 Wochen nach akuter SARS-CoV-2-Infektion) wird international und auf nationalen Ebenen intensiv untersucht. Die Pathogenese des PCS ist nicht vollständig geklärt. Virus-getriggerte Inflammation, Autoimmunität, Endothelschäden an den Blutgefäßen und Viruspersistenz gelten als wahrscheinliche Ursachen (zit. n. [1]). Autoantikörper wurden sowohl in der Akutinfektion, als auch bei PCS nachgewiesen, zum Beispiel gegen Typ-1-Interferone, proinflammatorische Zytokine und Zellkernstrukturen (1, 2). Bislang gibt es wenig aussagekräftige Daten zu Inzidenzen der verschiedenen Autoimmunerkrankungen nach einer akuten COVID-19-Erkrankung. Eine große kontrollierte Kohortenstudie füllt diese Lücke, und zwar auf Basis der Daten von 6 Krankenversicherungen in Deutschland (3).
Design
- Studienform: kontrollierte Kohortenstudie auf Basis der Daten von AOK Plus, Barmer, DAK, IKK, Techniker Krankenkasse und InGef
- Studienteilnehmer:
- 641 407 Versicherte nach COVID-19 (> 12 Wochen nach Infektion) mit labordiagnostisch bestätigter SARS-CoV-2-Infektion und eine im Verhältnis 1 : 3
- gematchte Kontrollgruppe aus 1 560 357 Versicherten ohne COVID-19 im selben Zeitraum (Matching für Alter, Geschlecht, Vorerkrankungen)
- Analyseparameter: Inzidenzraten (IR) von Autoimmunerkrankungen innerhalb der kommenden 6 Monate nach Einschluss der Teilnehmerinnen und Teilnehmer
Hauptergebnisse
- Die Wahrscheinlichkeit für die Neudiagnose einer Autoimmunerkrankung war nach COVID-19 im Beobachtungszeitraum um 42,63 % höher als ohne COVID-19.
- Die Inzidenzraten (IR) von Neudiagnosen betrugen nach symptomatischer SARS-CoV-2-Infektion 15,05/1000 Personenjahre und für gematchte Kontrollpersonen 10,55/1000 Personenjahre (Ratio der IR [IRR]: 1,43).
- Am höchsten waren die Unterschiede bei systemischen, autoimmunen Entzündungen der Blutgefäße, darunter
- Morbus Wegener (IRR: 2,51),
- Morbus Behçet (IRR: 2,42) und
- Arteriitis temporalis mit Riesenzellarteriitis (IRR: 1,78).
- Ebenfalls häufiger waren die
- autoimmune Sarkoidose mit einer IRR von 2,14,
- das Sjögren Syndrom (IRR: 1,44),
- die rheumatoide Arhtritis (IRR: 1,42) und autoimmune Schilddrüsenerkrankungen wie
- Hashimoto-Thyreoiditis (IRR: 1,42) und
- Morbus Basedow (IRR: 1,41).
- Nach stationär behandeltem COVID-19 traten Autoimmunerkrankungen häufiger als bei ambulant behandelten Patienten (IRR: 1,38 vs. 1,75) und bei intensivmedizinisch Therapierten war die Wahrscheinlichkeit am höchsten (IRR: 2,28).
Klinische Bedeutung
„In allen Alters- und Geschlechtsgruppen traten Autoimmunkrankheiten in der Zeit nach der SARS-CoV-2-Infektion signifikant häufiger auf“, erläutert Prof. Jochen Schmitt vom Universitätsklinikum Dresden, Seniorautor die Studie (4). „Diese Ergebnisse beziehen sich auf die Nachverfolgung von Betroffenen mit einer Wildtyp-Infektion, Erkenntnisse über andere Varianten haben wir aktuell nicht“, so Schmitt weiter.
Um die Zusammenhänge zwischen COVID-19 und den Erkrankungen zu verstehen, sei weitere Forschung erforderlich. „Künftige Analysen sollten einen Fokus auf chronische Erkrankungen legen, die in der Pandemie entstanden sind. Dabei ist es wichtig, die Krankheitslast, die uns womöglich lange erhalten bleibt, zu quantifizieren.“
Finanzierung: öffentliche Mittel im Rahmen des vom Robert Koch-Institut geleiteten Projektes „Postakute gesundheitliche Folgen von COVID-19“
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