Der onkologische Fall: Ein Mann mit Adenokarzinom, Immuntherapie und zerebralen Anfällen
- Dr. med. Thomas Kron
- Patienten-Fall
Kernbotschaften
Treten bei Krebs-Patienten, die Checkpoint-Hemmer erhalten, neurologische Symptome auf, sollte dies sorgfältig abgeklärt werden, auch dann, wenn es nur gering ausgeprägte Symptome sind. Dies raten der US-Onkologe Dr. Benjamin Miron (Department of Hematology/Oncology, Fox Chase Cancer Center, Philadelphia) und seine Kollegen. Anlass der Empfehlung ist die Krankengeschichte eines alten Mannes („BMJ Case Reports“).
Der Patient und seine Geschichte
Der rund 70-Jährige suchte wegen Schluckbeschwerden ärztliche Hilfe auf. Als Ursache der Dysphagie wurde ein metastasiertes Adenokarzinom des gastroösophagealen Übergangs diagnostiziert. Medikamentös behandelt wurde der Mann zuerst mit FOLFOX, dann mit Ramucirumab und Paclitaxel als Zweitlinientherapie und schließlich mit Pembrolizumab. Am Tag 1 des zweiten Zyklus von Pembrolizumab berichtete er über drei vorübergehende Parästhesie-Phasen in der linken Gesichtshälfte, von denen die dritte auf die linken oberen und unteren Extremitäten übergriff. Zudem gab er eine passagere Sehstörung des linken Auges an. Zum Zeitpunkt der klinischen Untersuchung war nach Angaben der US-Autoren keines dieser Symptome vorhanden. Pembrolizumab wurde abgesetzt .
Die Befunde
- Die zerebrale MRT zeigte ein einheitliches T2-Signal, das den rechten inferioren frontalen, insulären und anteroinferioren temporalen Kortex sowie den rechten Hippocampus betraf. Diese Befunde waren bei einer erneuten MRT-Untersuchung 5 Tage später unverändert.
- Serologische Untersuchungen auf Herpes simplex Virus 1 und 2, Cytomegalovirus, Epstein-Barr-Virus, Borreliose und Tuberkulose waren negativ.
- Liquor-Befund (Zellzahl, Zytologie, Kultur) war unauffällig.
- Das paraneoplastische Antikörper-Panel war hingegen positiv für Ma2/Ta-Antikörper. Der Nachweis solcher Antikörper ist von diagnostischer Bedeutung bei paraneoplastischen Syndromen wie limbischer Enzephalitis, Hirnstamm-Enzephalitis, Kleinhirn-Degeneration).
Therapie und Verlauf
Auf Anraten des konsultierten Neurologen Beginn einer antikonvulsiven Therapie mit Levetiracetam. Zusätzlich erhielt der Mann Prednison (Dosierung 50 mg). Nach einer 4-tägigen Steroid-Therapie klinische Besserung und ausreichende Kontrolle der neurologischen Symptome.
Ein EEG, acht Wochen nach den ersten Symptomen abgeleitet, lieferte Hinweise auf Anfälle, die im rechten vorderen Temporalbereich begannen und sich dann allmählich über die rechte Hemisphäre ausbreiteten.
Der Patient wurde zur kontinuierlichen EEG-Überwachung und Behandlung der subklinischen Anfälle stationär eingewiesen, von denen angenommen wurde, dass sie sekundär zu einer paraneoplastischen limbischen Enzephalitis (PLE) auftraten.
Weitere antikonvulsive Therapie
- Antikonvulsive-Behandlung mit Levetiracetam (zweimal 1000 mg pro Tag), wegen weiterer subklinischer Anfälle im EEG Behandlung mit Valproinsäure und Steroiden.
- Anfallskontrolle schließlich unter Valproinsäure, Lacosamid, IVIG und Steroiden; nach acht Tagen konnte der Mann das Krankenhaus entlassen.
Kurz nach der Entlassung sturzbedingte inoperable Beckenfraktur; trotz konstantem Befund beim Primärtumor sowie Kontrolle der zerebralen Anfälle litt der Mann weiterhin unter allgemeiner Schwäche und einem subtilen und allmählichen kognitiven Verfall; die Autoren vermuten, dass die Enzephalitis zu diesem fortschreitenden kognitiven Verfall beitrug. Der Gesundheitszustand des Mannes verschlechterte sich in den nachfolgenden Monaten; er starb schließlich 14 Monate nach Beginn der Immuntherapie mit Pembrolizumab.
Diskussion
Diese Fallgeschichte ergänze die insgesamt begrenzte Fachliteratur, die den Zusammenhang zwischen paraneoplastischer limbischer Enzephalitis und der Behandlung mit Checkpoint-Inhibitoren beschreibe, so das Team um Laderman. Die klinische Präsentation des Falles entspricht den US-Autoren zufolge nicht der klassischen Präsentation einer PLE oder immuntherapiebedingten Enzephalitis, die in der Regel mit schweren und akuten Symptomen auffällt. Die immunbedingte Enzephalitis zeige sich am häufigsten mit Verwirrtheit, Aphasie und Unruhe, während die PLE subakut beginne und schnell zu Problemen mit dem Kurzzeitgedächtnis, Krampfanfällen oder anderen psychiatrischen Symptomen wie Verhaltensänderungen, Angst, Depression und Psychose führe.
Aufgrund der isolierten neurologischen Symptome und der aktiven Krebs-Erkrankung des Mannes wurde bei ihm zunächst als Ursache ein vaskulärer Prozess oder eine zerebrale Metastase vermutet.
Die paraneoplastische limbische Enzephalitis ist eine von mehreren Ursachen für neurologische Symptome bei Krebs-Patienten. Typische Symptome sind kognitiven Beeinträchtigungen, Persönlichkeitsveränderungen, Verlust des Kurzzeitgedächtnisses, Schlafstörungen und Krampfanfällen. Der am häufigsten bei PLE-Patienten berichtet Tumor ist das kleinzellige Bronchial-Karzinom (rund 50 Prozent); manchmal können Antikörper gegen onkoneurale Proteine im Serum oder im Liquor nachgewiesen werden; ihr Fehlen schließt die Diagnose jedoch nicht aus.
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