Das Vexas-Syndrom - eine seltene Erkrankung mit sehr variablem Erscheinungsbild

  • Dr. med. Thomas Kron
  • Medizinische Nachrichten
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Kernbotschaften

Rund 8000 Seltene Erkrankungen soll es geben, darunter das Vexas-Syndrom. Dabei handelt es sich autoinflammatorisches Syndrom, bei dem das klinische Bild sehr variabel sein kann, da systemische Entzündungen vor allem in der Haut, der Lunge, in Blutgefäßen und im Knorpelgewebe auftreten. Die Erkrankung beruht auf einer erworbenen somatischen Mutation des UBA1-Gens. Dieses kodiert für das E1-Enzym, welches wiederum für die Ubiquitinierung von Proteinen zuständig ist. Betroffen sind überwiegend Männer in der zweiten Lebenshälfte. 

Ein Mann mit Hautsymptomen und Chondritis

Außer mehreren Übersichtsarbeiten liegen zum Vexas-Syndrom inzwischen vor allem Kasuistiken vor, so etwa die Krankengeschichte eines 70-jährigen Mannes, der sich wegen papulöser und ringförmiger Läsionen am Rumpf und an den Gliedmaßen sowie Fieber und Müdigkeit in einem Krankenhaus in Brest in Frankreich vorstellte. Wie die Autoren um Dr. Cécile Legeas (Brest teaching Hospital) im Fachmagazin „Joint Bone Spine“ berichten, war der dermatologische Befund (Biopsie-Befund mit eingeschlossen) mit der Diagnose Lupus profundus kompatibel. Die Therapie mit Hydroxychloroquin habe sich jedoch als nutzlos erwiesen. Aufgefallen seien eine Chondritis und eine Cheilitis. Eine zweite Hautbiopsie habe dann Hinweise auf ein Sweet-Syndrom (akute febrile neutrophile Dermatose) geliefert.Eine daraufhin eingeleitete Steroidtherapie (1mg/Kg/Tag) bewirkte den Autoren zufolge rasch eine Besserung.

Leukozyten- und CRP-Wert unauffällig

Zu diesem Zeitpunkt sei das Ergebnis der Laboruntersuchung normal gewesen, berichten die französische Ärztin und ihre Kollegen weiter; insbesondere der Leukozyten- und auch der CRP-Wert seien unauffällig gewesen. Eine PET-CT habe außerdem keine Hinweise auf eine maligne Erkrankung geliefert. Allerdings habe der Patient eine starke Kortikosteroid-Abhängigkeit (20 mg/Tag) entwickelt. Trotz des Fehlens hämatologischer Anomalien wurde der Patient auf die für das Vexas-Syndrom spezifische UBA1-Mutation (p.met41 Leu) untersucht. Das Ergebnis war positiv.

Laut Cécile Legeas unterstreicht dieser Fall, wie wichtig es ist, bei einem atypischen Sweet-Syndrom mit Kortikosteroidabhängigkeit und anderen Anomalien wie Chondritis ein VEXAS-Syndrom zu erwägen, auch wenn keine hämatologischen Anomalien vorliegen.

Ein 76-Jähriger mit Fieber, Luftnot und Gelenkschmerzen

Die Krankengeschichte eines Patienten mit Vexas-Syndrom haben vergangenes Jahr  Hamburger Rheumatologen um Dr. Martin Krusche (UKE) geschildert. Dabei handelte es sich, wie berichtet, um einen 76-jährigen Mann, der seit Januar 2018 über rezidivierende Fieberepisoden, Dyspnoe, Polyarthralgien, sowie Schmerzen und Schwellung der Augen geklagt hatte. Im Juli 2021 stellte er sich nach Angaben der Autoren erstmalig mit erneuter Fieber-Schübe (39,1°C) und deutlich erhöhten serologischen Entzündungszeichen im Hamburger Universitätsklinikum vor.

Zuvor waren bereits mehrere Befunde erhoben worden, darunter eine Alveolitis und Lungenfibrose, eine Polyarthritis der Knie-, Kiefer-, MCP- und Handgelenke, sowie eine beidseitige Uveitis anterior. Nach einer Knochenmarkpunktion war der Verdacht auf einen toxischen Knochenmarkschaden gestellt worden. Therapieversuche mit Methotrexat (über acht Monate) sowie Tocilizumab (über zehn Monate) seien erfolglos gewesen. Über einen Zeitraum von über zwei Jahren seien die Symptome nur unter erhöhter Steroid-Dosis (>12mg/Tag) klinisch kontrollierbar gewesen.

Bei Aufnahme in der Klinik hatte der Mann ein deutlich erhöhtes CRP, eine makrozytäre Anämie und eine Thrombozytopenie. Die Erreger-Diagnostik und die Autoimmunserologie seien unauffällig  gewesen, berichteten die Autoren. Eine Bronchoskopie habe auf eine gemischt-lymphozytäre, eosinophile Alveolitis hin gewiesen, eine Knochenmarkpunktion einen toxischen Knochenmarkschaden ergeben. Die molekulargenetische Diagnostik lieferte dann den Nachweis eines Vexas-Syndroms.

Meist ältere Männer betroffen

Das VEXAS-Syndrom wurde erstmalig 2020 im „New England Journal of Medicine“ beschrieben. Das Akronym VEXAS steht für „Vacuoles, E1 enzyme, X-linked, Autoinflammatory, Somatic“. Die Autoren um den US-Rheumatologen Professor Daniel Lindsley Kastner (National Institutes of Health, Bethesda) beschrieben das Syndrom bei insgesamt 25 Männern mit Mutationen im UBA1-Gen. Wie Kastner und seine Kollegen berichteten, erfüllten die meisten dieser 25 Patienten die klinischen Kriterien für ein Entzündungssyndrom (relapsierende Polychondritis, Sweet-Syndrom, Polyarteritis nodosa oder Riesenzellarteriitis) oder für eine hämatologische Erkrankung (myelodysplastisches Syndrom oder multiples Myelom) oder beides. Mutationen wurden in mehr als der Hälfte der hämatopoetischen Stammzellen gefunden, darunter auch in den myeloischen Zellen des peripheren Blutes, nicht aber in Lymphozyten oder Fibroblasten. Bei Beginn der Symptome waren die Patienten im Mittel 64 Jahre alt.

Bislang keine etablierten Therapiekonzepte

Häufige Symptome bei Vexas-Syndrom sind nach Literaturangaben („Modern Rheumatology“ und „British Journal of Dermatology“) unter anderen: 

  • Fieber (65 - 94%)
  • Aurikuläre Chondritis (32 - 67 %)
  • Nasale Chondritis (16 - 56 %)
  • Alveolitis (41 - 49 %)
  • Thrombosen der unteren Extremitäten 35 - 41 Prozent

Die Erkrankung verläuft häufig sehr schwerwiegend und komplikationsreich, berichteten die Hamburger Rheumatologen. Die Mortalität in der 2020 im „NEJM“ beschriebenen Kohorte habe 40 Prozent betragen. Viele Patienten mussten intensive immunsuppressiv behandelt werden. Außer verschiedenen antiinflammatorischen Therapiekonzepten (etwa Interleukin-1, Interleukin-6 oder JAK-Blockade) werden meist hohe Steroid-Dosen zur Krankheitskontrolle benötigt. Etablierte Therapiekonzepte gebe es bisher nicht.