COVID-19-Sterblichkeit: Jeder 7. Todesfall durch Luftverschmutzung

  • Dr. med. Thomas Kron
  • Studien – kurz & knapp
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Kernbotschaften

Luftverschmutzung ist einer systematischen Literaturanalyse zufolge ein relevanter Kofaktor der COVID-19-assoziierten Sterblichkeit. Etwa 15 Prozent der weltweiten COVID-19-Todesfälle seien auf Luftverschmutzung zurückzuführen, berichten Wissenschaftler um den Mainzer Kardiologen Professor Thomas Münzel.

Hintergrund

Luftverschmutzung ist nach Angaben der Mainzer Autoren mit einer erhöhten Sterblichkeit assoziiert, vermittelt insbesondere durch kardiopulmonale Erkrankungen. Die Lancet-Kommission für Umweltverschmutzung und Gesundheit geht davon aus, dass Umweltverschmutzung weltweit eine führende Ursache für Krankheiten und vorzeitige Todesfälle sei. 2015 sei die Umweltverschmutzung für etwa 16 Prozent der weltweiten Todesfälle „verantwortlich“ gewesen, dies entspreche der 3-fachen Zahl von Todesfällen durch AIDS, Tuberkulose und Malaria. Laut einem Bericht der Europäischen Kommission betragen die sozialen Kosten der Kombination von Lärm und Luftverschmutzung jährlich eine Billion Euro. Im Vergleich dazu seien die sozialen Kosten durch Alkoholkonsum bzw. Rauchen mit 50–120 Milliarden und 544 Milliarden relativ gering. Als Hauptursachen vorzeitiger Todesfälle im Zusammenhang mit Luftverschmutzung gelten kardio- sowie zerebrovaskuläre Erkrankungen.

Eine längere Exposition gegenüber Luftschadstoffen kann möglicherweise sogar dann mit einem erhöhten Risiko für kardiovaskuläre Erkrankungen einhergehen, wenn die Werte der Schadstoffe unter den von der EU und der WHO festgelegten Grenzwerten liegen, haben kürzlich erst Forscher des Karolinska Instituts (Stockholm) und des Helmholtz Zentrums München in einer großen europäischen Studie gezeigt („The Lancet Planetary Health“ ).

Der Verlust an Lebenserwartung aufgrund von Luftverschmutzung werde auf 2,9 Jahre geschätzt, was einer geschätzten weltweiten Übersterblichkeit von 8,8 Millionen/Jahr entspreche, so auch die Autoren der aktualisierten europäischen Empfehlungen für die Primär- und Sekundärprävention atherosklerotischer Herz-Kreislauf-Erkrankungen („European Heart Journal“).

Einen Zusammenhang zwischen Luftverschmutzung und erhöhter Sterblichkeit gibt es auch bei Patienten mit COVID-19. So hätten Beobachtungen zu Beginn der Pandemie gezeigt, dass die Sterberaten von COVID-19-Patienten vor allem in Regionen mit stärkerer Luftverschmutzung erhöht seien, berichten die Mainzer Wissenschaftler. Die Sterblichkeit von Patienten mit COVID-19 ist vor allem dann erhöht, wenn sie auch kardiovaskuläre Erkrankungen haben. Ein Ziel der vorliegenden Arbeit bestand darin, einen Überblick zu Studien zum Zusammenhang von Luftverschmutzung und der COVID-19- Mortalität zu geben. 

Design

Selektive Literaturrecherche von Studien bis Anfang April 2021 zum Zusammenhang von Luftverschmutzung und COVID-19- Mortalität.

Hauptergebnisse

  • Aktuelle Untersuchungen belegen, dass etwa 15 % der weltweiten COVID-19-Todesfälle auf Luftverschmutzung zurückzuführen sind. 
  • Der Anteil der luftverschmutzungs-bedingten COVID-19-Todesfälle in Europa liegt bei 19 %, in Nordamerika bei 17 % und in Ostasien bei 27 %. 

Klinische Bedeutung

Die Beteiligung der Luftverschmutzung an COVID-19-Todesfällen wurde laut Münzel und seinen Kollegen mittlerweile durch verschiedene Studien aus den USA, Italien und England bestätigt. Luftverschmutzung und COVID-19 führten zu ähnlichen Schäden des kardiopulmonalen Systems, die möglicherweise den Zusammenhang zwischen Luftverschmutzung und erhöhter COVID-19-Mortalität erklärten.

Der hier gezeigte Umweltaspekt der COVID-19-Pandemie verlangt nach Angaben der Mainzer Autoren danach, „dass man verstärkt nach wirksamen Maßnahmen zur Reduzierung anthropogener Emissionen, die sowohl Luftverschmutzung als auch den Klimawandel verursachen, streben sollte“. Die Ergebnisse der vorgestellten Studien legten nahe, dass die Reduzierung der Luftverschmutzung selbst bei relativ niedrigen Feinstaubkonzentrationen erhebliche Vorteile bringen könne. 

Eine drastische Senkung der Luftschadstoff-Belastung fordert auch die Weltgesundheitsorganisation, die in dieser Woche ihre neuen globalen Leitlinien zur Luftqualität (WHO: Air Quality Guidelines) veröffentlicht hat. 

Finanzierung: Open Access ermöglicht und organisiert durch das Projekt DEAL