COVID-19, Populismus und die Übersterblichkeit
- Dr. med. Thomas Kron
- Medizinische Nachrichten
Populistische Regierungen schneiden bei der Bekämpfung der Corona-Pandemie und ihrer Folgen schlechter ab als nicht populistische Regierungen. Dies betreffe etwa Länder wie Großbritannien, Ungarn oder Indien, heißt es in einer Mitteilung des Kiel Institut für Weltwirtschaft (IfW Kiel). Die Übersterblichkeit – also die Zahl an Todesfällen oberhalb der auch ohne die Pandemie erwartbaren Todesfälle – sei in populistisch regierten Ländern im Durchschnitt mehr als doppelt so hoch wie in nicht-populistisch regierten Ländern. Dies zeige ein kürzlich erschienenes Forschungspapier unter Mitwirkung des IfW Kiel.
„Die Zahlen sind eindeutig – Populisten sind in der Corona-Pandemie die klar schlechteren Krisenmanager und für viele vermeidbare Tote in den von ihnen regierten Ländern verantwortlich“, sagt Michael Bayerlein, der an dem Institut zu Populismus forscht. Gemeinsam mit einem internationalen Team wertete er das Krisenmanagement während der Corona-Pandemie im Jahr 2020 von 42 Ländern aus, die Mitglied der OECD sind oder zu den BRICS-Staaten gehören. Ziel war es, Unterschiede zwischen populistischen und nicht-populistischen Regierungen herauszufinden. Insgesamt elf Regierungen stuften die Autoren dabei als populistisch ein, darunter die Regierungen in Polen, der Slowakei, Tschechien, Ungarn, Großbritannien, Brasilien und Indien.
Der Studie zufolge liegt die Übersterblichkeit in nicht populistisch geführten Ländern bei gut acht Prozent, in populistisch geführten bei knapp 18 Prozent. Bei sonst 100 Todesfällen verursacht die Corona-Pandemie demnach in nicht populistisch geführten Ländern acht zusätzliche Tote, in populistisch geführten Ländern 18 zusätzliche Tote, mehr als doppelt so viele. Im Durchschnitt aller betrachteten Ländern liegt die Übersterblichkeit bei zehn Prozent.
Ursächlich für die deutlich höhere Übersterblichkeit ist nach Angaben der Autoren die bei ähnlichen Infektionszahlen höhere Bewegungsaktivität der Bevölkerung in populistisch regierten Ländern. Zur Messung nutzen die Autoren Mobilitätsdaten von Google, die zeigen, wie stark bestimmte Orte, etwa Lebensmittelgeschäfte oder Parks, während der Pandemie besucht waren. Die Daten zeigen, dass der Bewegungsindex in populistischen regierten Ländern mit einem Wert von 20 doppelt so hoch ist wie der Wert in nicht-populistisch regierten Ländern mit 10.
Hohe Mobilität, wenige Kontaktbeschränkungen
Für die höhere Mobilität nenne das Autorenteam zwei Gründe, heißt es in der Mitteilung. Zum einen erließen populistische Regierungen weniger Maßnahmen zum Infektionsschutz, insbesondere zur Kontaktbeschränkung. Zum anderen sei die Kommunikation populistischer Regierungen darauf ausgelegt, die Gefahren durch das Virus zu verharmlosen und wissenschaftliche Erkenntnisse zu diskreditieren, was die Bevölkerung davon abhalte, ihre Bewegungsaktivität von sich heraus einzuschränken.
„Unsere Studie belegt erstmals, dass Populisten bei der Bekämpfung der Corona-Pandemie schlechte Arbeit leisten, was sich auch direkt in den Todeszahlen niederschlägt. Die hohe Übersterblichkeit wird getrieben durch eine zu hohe Mobilität, die wiederum wird hervorgerufen durch fehlende Beschränkungen und eine Anti-Corona-Propaganda“, so Bayerlein. „Die einzig gute Nachricht: Der eindeutige Zusammenhang zwischen Mobilität und Todeszahlen heißt auch, dass sich die Menschen selbst schützen können, indem sie ihre Kontakte während der Pandemie freiwillig einschränken.“
Populismus und Impf-Verweigerung - eine Korrelation
Auf die Bedeutung des Populismus für den Umgang mit einer Pandemie hat, wie von Univadis kürzlich berichtet, vor zwei Jahren auch der Soziologe Jonathan Kennedy (Queen Mary University of London) in einem Aufsatz zur Impf-Skepsis hingewiesen. Untersuchungen hätten gezeigt, dass die Unterstützung für populistische Parteien in Westeuropa in hohem Maße mit einer zögerlichen Haltung gegenüber Impfungen korreliere. Die Unterstützung populistischer politischer Parteien und die zögerliche Haltung gegenüber Impfungen scheinen dem Soziologen zufolge durch dasselbe Gefühl bedingt zu sein: Misstrauen und Feindseligkeit gegenüber Eliten und Experten. Der Zusammenhang zwischen Populismus und Impf-Verweigerung werde deutlich, wenn man sich Daten auf individueller Ebene ansehe. So habe eine Umfrage von Forschern der Universität Cambridge und YouGov gezeigt, dass ein Drittel der UKIP-Wähler geglaubt habe, dass vermeintlich schädliche Wirkungen von Impfstoffen absichtlich vor der Öffentlichkeit verheimlicht würden, verglichen mit zehn Prozent der Labour-Wähler und elf Prozent der Wähler der Konservativen. In ganz Europa habe es ähnliche Muster gegeben; so hätten beispielsweise 12 Prozent der Macron-Wähler an Verschwörungstheorien über Impfstoffe geglaubt; bei den Wählern von Marine Le Pen seien es 44 Prozent gewesen.
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