COVID-19: Lockern, neue STIKO-Empfehlungen und noch ein Antikörper
- Dr. med. Thomas Kron
- Medizinische Nachrichten
Da die Omikron-Variante zwar ansteckender ist als die Delta-Variante, aber offenbar zu weniger schweren Erkrankungen führt, werden Rufe nach Lockerungen lauter. Finanzminister Christian Lindner etwa sprach sich laut „tagesschau.de" für die bundesweite Abschaffung der 2G-Regel im Einzelhandel aus. Sie richte wirtschaftlichen Schaden an, ohne dass sie einen wirksamen Beitrag zur Pandemiebekämpfung leiste. Auch Markus Söder macht sich für Lockerungen stark. Freiheitsrechte dürften nicht mehr zurückstehen, wenn sichergestellt sei, dass das Gesundheitssystem nicht überlastet werde, so Söder in der „Bild am Sonntag". Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach und Vizekanzler Robert Habeck hingegen warnen vor einer voreiligen Lockerung der Corona-Beschränkungen. „Unsere Strategie ist bisher gut aufgegangen", so Lauterbach in der „Bild am Sonntag". „Wenn wir aber jetzt zu früh lockern, stellen wir unseren eigenen Erfolg unnötig infrage und riskieren neue, gefährliche Infektionen und eine Verlängerung der Welle.“ „Natürlich brauchen wir eine Öffnungsperspektive, aber die Lockerungen müssen zum richtigen Zeitpunkt kommen", wird Robert Habeck zitiert.
Zweite Auffrischimpfung und ein Proteinimpfstoff
Die STIKO hat ihre COVID-19-Impfempfehlung aktualisiert und empfiehlt ausser den bisherigen COVID-19-Impfstoffen den Impfstoff Nuvaxovid des Herstellers Novavax zur Grundimmunisierung von Personen ab 18 Jahren. Ausserdem empfiehlt die Kommission eine 2. Auffrischimpfung mit einem mRNA-Impfstoff nach abgeschlossener Grundimmunisierung und erfolgter 1. Auffrischimpfung bei gesundheitlich besonders gefährdeten bzw. exponierten Personengruppen. Von Nuvaxovid sind zwei Impfstoffdosen im Abstand von mindestens drei Wochen zu geben. Die Anwendung von Nuvaxovid während der Schwangerschaft und Stillzeit wird zum jetzigen Zeitpunkt nicht empfohlen.
Es handelt sich bei Nuvaxovid um einen Proteinimpfstoff mit einem Wirkverstärker (Adjuvans). Der Impfstoff enthält keine vermehrungsfähigen Viren. In den Zulassungsstudien zeigte der Impfstoff laut STIKO eine mit den mRNA-Impfstoffen vergleichbare Wirksamkeit. Aussagen zur klinischen Wirksamkeit gegen die Omikron-Variante könnten aktuell noch nicht getroffen werden. Laut STIKO ist die Datenlage zu Nuvaxovid noch limitiert.
Zur 2. Auffrischimpfung rät die STIKO Menschen ab 70 Jahren, Bewohnern und Betreuten in Einrichtungen der Pflege, Menschen mit Immunschwäche ab 5 Jahren sowie Menschen, die in medizinischen Einrichtungen und Pflegeeinrichtungen arbeiten. Die 2. Auffrischimpfung soll bei gesundheitlich gefährdeten Personengruppen frühestens 3 Monate nach der 1. Auffrischimpfung mit einem mRNA-Impfstoff erfolgen. Personal in medizinischen und pflegerischen Einrichtungen soll die 2. Auffrischimpfung frühestens nach 6 Monaten erhalten. Aktuelle Daten zeigen, dass der Schutz nach 1. Auffrischimpfung gegen Infektionen mit der momentan zirkulierenden Omikron-Variante innerhalb weniger Monate abnimmt. Dies ist insbesondere für Menschen ab 70 Jahren und für Personen mit Immunschwäche bedeutsam, da diese das höchste Risiko für einen schweren COVID-19-Verlauf nach einer Infektion haben. Personen, die nach der 1. Auffrischimpfung eine SARS-CoV-2-Infektion durchgemacht haben, wird keine weitere Auffrischimpfung empfohlen. Laut STIKO ist die Datenlage zur Effektivität und zur Sicherheit einer 2. Auffrischimpfung noch limitiert. Es wird jedoch angenommen, dass die 2. Auffrischimpfung ähnlich gut verträglich ist wie die 1. Auffrischimpfung.
Monoklonaler Antikörper Sotrovimab jetzt verfügbar
Seit wenigen Tagen gibt es mit Sotrovimab (Handelsname Xevudy) eine weitere Option zur Behandlung von COVID-19-Patienten in Deutschland. In der EU ist das Medikament seit Dezember 2021 zugelassen. „Unsere ersten klinischen Erfahrungen zeigen, dass der Antikörper in der Frühphase der Infektion bei #Omikron bei Risikopatienten gut wirkt und gut verträglich ist“, berichtet der Kölner Intensivmediziner Professor Dr. Christian Karagiannidis( Lungenklinik Köln-Merheim) auf Twitter.
Sotrovimab ist ein humaner monoklonaler Antikörper, der an die Rezeptor-bindenden Domäne des Spike-Proteins von SARS-CoV-2 bindet. Basis der Zulassung sind Daten aus einer Studie mit 1057 Covid-19-Patienten, die zeigen, dass die Behandlung mit dem Antikörper die Zahl der Krankenhausaufenthalte und Todesfälle bei Patienten mit mindestens einer Grunderkrankung, die ein Risiko für einen schweren Verlauf von Covid-19 darstellt, deutlich verringert. Nach der Behandlung mit dem Antikörper wurde nur ein Prozent der Patienten (6 von 528) innerhalb von 29 Tagen nach der Behandlung länger als 24 Stunden in ein Krankenhaus eingewiesen; in der Placebo-Gruppe betrug der Anteil dagegen sechs Prozent (30 von 529), von denen zwei Personen starben. Während die neutralisierende Aktivität gegenüber der Delta-Variante uneingeschränkt gegeben ist, deuten die Daten derzeit darauf hin, dass die Neutralisierung bei der Omikron-Variante zwar um den Faktor 3 reduziert, jedoch noch gegeben ist.
Immunologisches Gedächtnis schützt langfristig vor Coronavirus
Nach einer Infektion mit SARS-CoV-2 verbleiben Gedächtnis-B-Zellen noch lange im Blut verbleiben; sie sind auch dann noch vorhanden, wenn keine Antikörper im Körper mehr nachweisbar sind. Das haben Wissenschaftler vom Institut für Klinische Neuroimmunologie der LMU-München herausgefunden, dass Gedächtnis-B-Zellen lange nach Infektion im Blut verbleiben – sogar wenn keine Antikörper im Körper mehr nachweisbar sind. Gedächtnis-B-Zellen könnten Genesenen zu einem länger anhaltenden Schutz vor einem schweren COVID-19 Verlauf verhelfen, heißt es in einer Mitteilung der Universität.
„Gedächtnis-B-Zellen bilden nach einer Infektion eine stille Reserve, die bei einer erneuten Infektion mit dem gleichen Erreger sofort aktiviert werden kann und für eine schnelle Abwehrreaktion mit der Ausschüttung von Antikörpern sorgt“, sagt Prof. Dr Edgar Meinl, Arbeitsgruppenleiter am Institut für Klinische Neuroimmunologie.
Das Team um Meinl hat im Blut von 17 Patienten spezifisch nach Gedächtnis-B-Zellen gefahndet. Ergebnis: Bei allen Patienten nach COVID-19, auch bei denen, die die spezifischen Antikörper verloren hatten, fanden die Forscher Gedächtnis-B-Zellen im Blut, die Antikörper gegen das Spike-Protein von SARS-CoV-2 produzieren konnten („iScience“).
Junger Mann mit Gürtelrose nach Impfung
Nach einer Impfung gegen SARS-CoV-2 kann es auch bei jungen, ansonsten gesunden Menschen in seltenen Fällen zu einem Zoster kommen, wie Professor Dr. med. Joachim Dissemond (Klinik und Poliklinik für Dermatologie, Venerologie und Allergologie, Universitätsklinikum Essen) und seine Mitautoren anhand der Krankheitsgeschichte eines Zoster-Patienten erläutert haben. Dieser Fallbericht zeige den weltweit bisher jüngsten publizierten gesunden Patienten mit Zoster nach Impfung gegen SARS-CoV-2, schreiben die Autoren.
Der 20-jährige Patient stellte sich dem Bericht zufolge mit neu aufgetretenen schmerzhaften, vesikulösen Hautveränderungen zervikal linksseitig in der Essener Klinik vor. Vorerkrankungen seien keine bekannt gewesen, Medikamente habe der Patient nicht eingenommen. Die Frage nach einer vermehrten UV-Exposition habe er verneint. 14 Tagen zuvor hatte er die erste Dosis des Vektor-Impfstoffes von Astrazeneca erhalten.
Die Untersuchung habe im Bereich der Dermatome C3–4 linksseitig multiple, gruppiert stehende Vesikulae auf erythematösem Grund ergeben. Laborchemisch hätten sich ebenso wie in der Röntgenuntersuchung des Thorax keine relevanten pathologischen Befunde gezeigt. Serologisch seien Infektionen mit dem HI-Virus sowie mit den Hepatitis-Viren A–C ausgeschlossen worden. Der PCR-Test auf SARS-CoV-2 war negativ. Behandelt wurde der Patient mit Aciclovir; zudem erhielt er Analgetika.
Helfen Cortison und B-Vitamine gegen das Post-COVID-Syndrom?
PreVitaCOV geht am 1. Februar an den Start. Die vom Würzburger Institut für Allgemeinmedizin geleitete Pilotstudie ist eine der ersten medikamentösen Therapiestudien zu langfristigen Symptomen nach einer Infektion mit COVID-19. „Es gibt bislang keine wirksame Therapie gegen das Post-COVID-Syndrom. Es gibt lediglich Empfehlungen der S1-Leitlinie zur Linderung der Beschwerden und Vermeidung der Chronifizierung“, berichtet Professorin Ildikó Gágyor. Sie leitet gemeinsam mit Professorin Anne Simmenroth das Institut für Allgemeinmedizin am Uniklinikum Würzburg, beide sind auch als Hausärztinnen tätig. Vermutet wird, dass Gewebeschäden und chronische Entzündungsprozesse die Symptome hervorrufen. Eine Viruspersistenz sowie Fehlregulationen von Zell- und Gewebsfunktionen werden ebenfalls als Ursachen von Long COVID diskutiert. In der Studie PreVitaCOV wird die Wirksamkeit einer Therapie mit Cortison und Vitamin B1, 6 und 12 untersucht. Die vierarmige randomisierte kontrollierte Pilotstudie ist laut einer Mitteilung der Universität eine der ersten Therapiestudien zu Post-COVID; sie wird vom Bundesministerium für Bildung und Forschung gefördert.
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