COVID-19: Kritische Bilanz nach zwei Jahren Coronapandemie durch internationale Experten

  • Dr. Nicola Siegmund-Schultze
  • Studien – kurz & knapp
Der Zugang zum gesamten Inhalt dieser Seite ist nur Angehörigen medizinischer Fachkreise vorbehalten. Der Zugang zum gesamten Inhalt dieser Seite ist nur Angehörigen medizinischer Fachkreise vorbehalten.

Kernbotschaften

Eine internationale Kommission mit deutscher Beteiligung zeigt zentrale Versäumnisse in den ersten beiden Jahren der Coronapandemie auf. Grundlegende Aufgaben der Datenerfassung von Infektionszahlen, Verläufen und Belastungen der Gesundheitssysteme, aber auch der zeitnahen Aufklärung der Bevölkerung, der Transparenz und Prävention seien bei der Pandemie missachtet worden. Viele Regierungen hätten zu langsam und inkohärent reagiert. Auch die globale Kooperation müsse verbessert werden (1). Teilweise deckt sich die Kritik mit der von Ärzten in Deutschland (2).

Hintergrund

Am 31. Dezember 2019 wurde der Ausbruch einer neuen Lungenentzündung mit unbekannter Ursache in China offiziell bestätigt. Rasch entwickelte sich eine globale Seuche. Bislang gibt es weltweit 605 Millionen bestätigte COVID-19-Fälle, so die Weltgesundheitsorganisation, darunter 6,4 Millionen mit tödlichem Verlauf (3). Die Dunkelziffer gilt international als hoch. So werden die COVID-19-Todesfälle auf 17,2 Millionen Menschen geschätzt (1). Im Juli 2020 hat das Editorial-Board der Zeitschrift Lancet eine Kommission aus international renommierten Wissenschaftlern zusammengestellt, die Empfehlungen für die bestmögliche Bekämpfung der neuen Viruserkrankung erarbeiten sollten. Nun liegt der finale Bericht vor.

Design

  • Berichterstatter: 28 internationale Experten, darunter deutsche, aus den Bereichen Epidemiologie, Global Health, Impfung, Ökonomie und Finanzwesen, zusammengestellt von den Herausgebern der Fachzeitschrift Lancet.
  • Aufgaben: Systematische Datensammlungen und Bewertungen des COVID-19-Infektionsgeschehens und dessen Auswirkungen auf Gesundheitssysteme, Gesellschaft und wirtschaftliche Lage.
  • Ziele: aktuelle, wissenschaftlich basierte Berichte der Kommission, der erste Report vor der Generalversammlung der Vereinten Nationen am 14. September 2020 in New York, der finale Bericht vom 14. September 2022 (1).

Hauptergebnisse

Positiv sind nach Einschätzung der Kommission

  • die öffentlich-privaten Kooperationen bei der Entwicklung mehrerer Vakzine in Rekordzeit,
  • die finanzielle Unterstützung für private Haushalte und für Unternehmen in Ländern mit hohem Bruttoinlandsprodukt und
  • die Notfallfinanzierungen durch Weltwährungsfond und Weltbank.

Negativ sind nach Einschätzung der Kommission

  • zu späte Wahrnehmung des initialen Ausbruchs als international relevant,
  • anfängliche Unterschätzung von Luft als entscheidendem Transmissionsmedium des Virus,
  • Fehlen einer zeitnahen systematischen Sammlung von Daten auf den nationalen Ebenen als Basis für Regeln der Prävention und für die Kommunikation mit Mitarbeitern der Gesundheitssysteme und der Allgemeinbevölkerung,
  • unzureichende Kooperation und Ressourceneinteilung,
  • nicht erfolgreiche Bemühungen, den Ursprung der Epidemie aufzuklären inklusive der Möglichkeit, dass das Virus durch Mängel der biologischen Sicherheit aus Labors in die Umwelt gelangt sein könnte, und
  • Unterschätzung der Folgen von systematischen Fehlinformationen über das Virus, aber auch mangelnde Information der Bevölkerung durch Regierungen über Wissenslücken.

Klinische Bedeutung
Die Versäumnisse haben nach Einschätzung der Kommission weltweit zu Millionen vermeidbarer Todesfälle durch COVID-19 geführt und sollten behoben werden. Ausgeprägter als bei anderen Pandemien sei das Misstrauen in der Bevölkerung gegenüber Informationen durch Regierungen oder Behörden und gegenüber Vorschriften. Dies gelte auch für westliche Industrienationen. In Deutschland wird dies ebenfalls bemängelt (2).

Gegen systematische Desinformationen und Verschwörungstheorien sei zu inkonsequent vorgegangen worden, so die Kommission. Andererseits habe man die Möglichkeit, dass die Pandemie von einer Sicherheitslücke in einem Labor ihren Ausgang genommen haben könnte, durch die Wissenschaft nicht klären lassen und diese Hypothese verfrüht unter Verschwörungstheorien subsummiert. Evidenz und Transparenz für die Menschen müssten verbessert werden, um Vertrauen zu schaffen.

Zentrale Basisprävention gegen SARS-CoV-2 sollten die Impfungen bleiben, so die Kommission. Diese sollten weiterhin kontinuierlich gefördert werden, nicht nur saisonabhängig. Dasselbe gelte für kostengünstige Testmöglichkeiten auf das Virus.

Finanzierung: öffentliche Mittel.