COVID-19: Isolationspflicht, Long COVID und weniger geimpfte Kinder

  • Dr. med. Thomas Kron
  • Medizinische Nachrichten
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Vier Bundesländer wollen die Isolationspflicht für Corona-Infizierte aufheben. Dies gehe aus Angaben des baden-württembergischen Gesundheitsministeriums hervor, heißt es unter anderem im Hamburger Nachrichtenmagazin „Der Spiegel“. Dem Ministerium zufolge handele es sich um Baden-Württemberg, Bayern, Hessen und Schleswig-Holstein. Die Länder führten angepasst verpflichtende Schutzmaßnahmen wie eine begrenzte Maskenpflicht positiv getesteter Personen sowie dringende Empfehlungen ein, heißt es außerdem. Als Termin für die Abschaffung der Isolationspflicht in Bayern habe Gesundheitsminister Klaus Holetschek (CSU) den 16. November genannt. Die vier Bundesländer berufen sich nach Medien-Angaben „unter anderem auf Erfahrungen aus Nachbarländern wie Österreich, wo es seit Sommer 2022 absonderungsersetzende Schutzmaßnahmen gibt. Aus diesen Ländern seien keine negativen Erkenntnisse bekannt. „Wir läuten eine neue Phase im Umgang mit der Pandemie ein", so Baden-Württembergs Gesundheitsminister Manne Lucha (Grüne) laut „Tagesschau.de“. Es sei Zeit, den Menschen wieder mehr Eigenverantwortung zu übertragen. Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach habe die Ankündigung der vier Bundesländer kritisiert. Er halte das für einen Fehler. Es würde zu einem Flickenteppich unterschiedlicher Regelungen in Deutschland führen. Es gebe auch keinen medizinischen Grund, auf die Isolationspflicht zu verzichten, wird der SPD-Politiker zitiert.

Paxlovid® senkt möglicherweise das Risiko von Long-COVID

Hinweise auf eine mögliche Prävention von Long-COVID kommen laut einem aktuellen Bericht von „Medscape“ aus den USA. Bislang seien die Studienergebnisse allerdings nur als Preprint veröffentlicht. Dem Bericht zufolge arbeiteten die Forscher mit einer Datenbank des US Department of Veterans Affairs, um Patienten mit positivem Test auf SARS-CoV-2 zu identifizieren: zwischen dem 01. März 2022 und dem 30. Juni 2022. Sie alle hatten mindestens 1 bekannten Risikofaktor für schweres COVID-19.  Innerhalb von 5 Tagen nach dem positiven Test behandelten Ärzte 9217 Patienten mit Nirmatrelvir; Paxlovid® enthält Nirmatrelvir und Ritonavir. Hinzu kamen 47.123 Patienten ohne diese Pharmakotherapie als Kontrollgruppe. 

Im Vergleich zur Kontrollgruppe war die Behandlung mit Nirmatrelvir mit einem verringerten Risiko für postakute Beschwerden verbunden (HR 0,74), einschließlich eines verringerten Risikos für 10 von 12 postakuten Folgeerkrankungen im Herz-Kreislauf-System (Herzrhythmusstörungen und ischämische Herzkrankheit), Gerinnungs- und hämatologische Störungen (tiefe Venenthrombose und Lungenembolie), Müdigkeit, Lebererkrankungen, akute Nierenerkrankungen, Muskelschmerzen, kognitive Beeinträchtigungen und Kurzatmigkeit. Nirmatrelvir war auch mit einem verringerten Risiko eines postakuten Todes (HR 0,52) und eines postakuten Krankenhausaufenthalts (HR 0,70) verbunden.

Kinder werden seltener geimpft als vor COVID-Pandemie

Im Zuge der COVID-19--Pandemie ist es zu einem deutlichen Rückgang der Impfquoten bei Kindern und Jugendlichen gekommen, wie aus einer Sonderanalyse im Rahmen des Kinder- und Jugendreports der DAK-Gesundheit hervorgeht. Demnach wurden im vergangenen Jahr hochgerechnet auf die Bevölkerung rund 680.000 weniger Mädchen und Jungen geimpft als noch vor der Pandemie im Jahr 2019.

Besonders deutlich ist laut der Analyse die Abnahme bei der Gesamtimpfung gegen Tetanus, Diphtherie, Pertussis und Poliomyelitis (Tdap-IPV) mit einem Minus von 23 Prozent. Den Daten zufolge erhielten 2021 rund 166.000 weniger Kinder und Jugendliche die Vierfachimpfung als im Vergleichsjahr 2019. Noch stärkere Rückgänge seien bei den Erstimpfungen zu erkennen, betonte die DAK-Gesundheit. So sank die Erstimpfungsquote der Tdap-IPV-Impfung um 31 Prozent. Auch gegen Meningokokken C wurden 200.000 (19 Prozent) weniger Kinder und Jugendliche geimpft als im Jahr vor der Pandemie. 

Gleiches gilt für HPV-Impfungen zur Krebsvorsorge. Laut Analyse sanken die Gesamtimpfungen 2021 um 13 Prozent und Erstimpfungen um gut ein Viertel (24 Prozent) gegenüber 2019. Dabei fiel der Rückgang bei Jungen (minus 26 Prozent) deutlicher aus als bei Mädchen (minus 22 Prozent). Hinzu kommt, dass die HPV-Erstimpfungsquoten für Jungen aus Familien mit hohem sozio-ökonomischen Status vor und während der Pandemie signifikant geringer ausfielen als bei Jungen aus Familien mit mittlerem sozio-ökonomischen Status. Für Mädchen zeigten sich indes weitestgehend unabhängige Erstimpfungsquoten, berichtete die Kasse.

Ein Sonderstellung in den DAK-Analysen nimmt die Masern-Mumps-Röteln-Impfung ein: Während die Dreifach-Impfung im Jahr 2021 um 18 Prozent zurückging, stieg die Vierfach-Impfung gegen Masern, Mumps, Röteln und Windpocken um 18 Prozent an, sodass der Rückgang ausgeglichen wurde. Die sei sicherlich auf die Masernimpfpflicht zurückzuführen, heißt es in einer Mitteilung der DAK.

DAK-Chef Andreas Storm und der Bundesverband der Kinder- und Jugendärzte (BKJV) warnen vor den Folgen der Impflücke und sehen akuten Handlungsbedarf: „Wir beobachten schon länger einen Rückgang der Impfquoten bei Kindern und Jugendlichen. In der Corona-Pandemie hat sich dieser negative Trend verstärkt“, sagt Andreas Storm, Vorstandschef der DAK-Gesundheit und plädiert für eine breite Aufklärungskampagne, um Eltern verstärkt über den Nutzen von Impfungen und das Risiko einzelner Krankheiten aufzuklären.“

Corona-Impfung: Rheumatologen veröffentlichen aktualisierte Stellungnahme

Die Deutsche Gesellschaft für Rheumatologie hat ihre Empfehlungen zur Impfung gegen COVID-19 der aktuellen Entwicklung gemäß überarbeitet und nun publiziert. Die Stellungnahme basiere auf neuen wissenschaftlichen Daten und den geltenden Empfehlungen der Ständigen Impfkommission (STIKO), heißt es in einer Mitteilung der Fachgesellschaft. Dreh- und Angelpunkt für einen guten COVID-Schutz bleibe demnach die Impfung.

Je nach Art und Aktivität ihrer entzündlich-rheumatischen Erkrankung können Rheuma-Betroffene zur Gruppe derjenigen Patienten zählen, die im Falle einer SARS-CoV-2-Infektion besonders gefährdet sind. Auch manche Rheuma-Medikamente tragen dazu bei, das Infektions- und Komplikationsrisiko der Patienten zu erhöhen. „Wie hoch das Risiko für einen schweren Erkrankungsverlauf im Einzelfall ist, sollte mit dem behandelnden Rheumatologen besprochen werden“, so Professor Dr. med. Christof Specker, Direktor der Klinik für Rheumatologie & Klinische Immunologie am Evangelischen Krankenhaus der Kliniken Essen-Mitte und Sprecher der Ad-hoc-Kommission COVID-19 der DGRh.

Unabhängig von der Einstufung als Risikopatient wird jedoch grundsätzlich empfohlen, sich mit einer Grundimmunisierung sowie einer Auffrischimpfung gegen SARS-CoV-2 zu schützen. Dies gilt für Rheuma-Kranke ebenso wie für die Gesamtbevölkerung. Eine durchgemachte Infektion, die in einem zeitlichen Abstand von mindestens drei Monaten zu einer Impfung aufgetreten ist, wird dabei in ihrer Schutzwirkung mit einer Impfung gleichgesetzt.

Da der Impfschutz mit der Zeit, aber auch in Abhängigkeit von Alter und Vorerkrankungen nachlasse, stelle sich sechs Monate nach dem dritten Antigenkontakt die Frage nach einer zweiten Auffrischimpfung, heißt es in der Mitteilung weiter. „Eine solche Impfung – in der Regel die vierte – empfiehlt die STIKO allen über 60-Jährigen, sowie Personen mit einem krankheitsbedingten Risiko für schwere Verläufe“, erläutert Professor Dr. med. Hendrik Schulze-Koops, stellvertretender Sprecher der Ad-hoc-Kommission COVID-19 der DGRh und 2. Vizepräsident. Dabei werde einem der neuen, an die Omikron-Variante angepassten Vakzine der Vorzug gegeben - auch wenn Studiendaten hierzu naturgemäß noch fehlten und die im kommenden Winter vorherrschende Virusvariante noch nicht bekannt sei.

Bei Personen mit besonderer Gefährdung sei wiederum sechs Monate später auch eine weitere Auffrischimpfung möglich. „Dies ist eine Einzelfallentscheidung, die aufgrund individueller Risikofaktoren getroffen wird“, betont Schulze-Koops und verweist auf die STIKO-Empfehlung, die als Personengruppen etwa Hochbetagte, Immundefiziente und Bewohner von Altenheimen nennt.

Im rheumatologischen Fachbereich gelten außer älteren Personen auch diejenigen als besonders gefährdet, die immunsuppressive Medikamente wie Rituximab, Abatacept, hochdosierte Glukokortikoide, Cyclophosphamid oder Mycophenolat einnehmen. Bei diesen Patienten sei auch nach mehreren Impfstoffdosen das Ausbleiben einer schützenden Immunantwort möglich. Das gelte auch für Menschen, die zum Zeitpunkt der Impfung eine hohe Aktivität ihrer rheumatischen Erkrankung aufwiesen. In diesen Fällen könne es sinnvoll sein, den Spiegel von SARS-CoV-2 Antikörpern im Serum zu bestimmen.

Bei zu geringer Immunantwort und Risikofaktoren für einen schweren Verlauf sei eine Präexpositionsprophylaxe mit spezifischen Antikörpern angezeigt. Breiter sei die Indikation für eine therapeutische Intervention dann, wenn es tatsächlich zu einer SARS-CoV-2-Infektion gekommen sei. „Dann ist grundsätzlich bei allen Personen über 60 Jahren und einer rheumatischen Erkrankung die Gabe von Paxlovid zu erwägen“, sagt Professor Dr. med. Andreas Krause, Chefarzt am Immanuel Krankenhaus Berlin und Präsident der DGRh. Zu beachten sei jedoch, dass das virushemmend wirkende Medikament so schnell wie möglich nach Symptombeginn eingenommen werden müsse, um seine Wirkung zu entfalten und vor der Einnahme sehr genau überprüft werden muss, ob es mit anderen Medikamenten, die der infizierte Patient einnimmt, interagiert. In diesem Fall müssen geeignete Maßnahmen ergriffen werden.

Weil auch Infektionen mit anderen Erregern nicht aus dem Blick geraten sollten, hat sich die STIKO auch mit der Frage befasst, ob und wie die COVID-19-Impfstoffe mit anderen Vakzinen, etwa der jährlichen Grippeimpfung, kombiniert werden können. „Das ist problemlos möglich“, sagt Krause, Chefarzt am Immanuel Krankenhaus Berlin und Präsident der DGRh. Bei gleichzeitiger Impfung solle jedoch darauf geachtet werden, die Vakzine an verschiedenen Stellen zu injizieren – beispielsweise am rechten und linken Oberarm. Generell könne die Corona-Impfung mit allen Totimpfstoffen kombiniert werden, zu denen außer der Influenza-Impfung auch die gegen Pneumokokken zähle. Bei der nasalen Influenza-Lebendimpfung sollte der Stellungnahme zufolge ein Mindestabstand von 14 Tagen vor oder nach einer COVID-19-Impfung eingehalten werden.