COVID-19: Hochrisikopatienten lassen sich durch einige wenige Laborparameter erkennen

  • Dr. Nicola Siegmund-Schultze
  • Studien – kurz & knapp
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Kernbotschaften

Eine deutsche Studie belegt, dass sich das Risiko für schwere Verläufe von COVID-19 bei stationärer Aufnahme der Patienten durch einige wenige Blut- und Urinparameter gut abschätzen lässt. Auf Basis eines Algorithmus, in dem das Ergebnis einer Urinanalyse (Anurie, Osmolarität, Leukozyturie, Hämaturie, Albuminurie) und die Werte für Serumalbumin und Antithrombin-III-Aktivität berücksichtigt sind, können Risikopatientinnen und Risikopatienten frühzeitig identifiziert werden.

Hintergrund
SARS-CoV-2 kann Nierengewebe spezifisch befallen und eine Nierenbeteiligung bei COVID-19 ist mit einem signifikant schwereren Erkrankungsverlauf und einer 10-fach erhöhten Sterblichkeit assoziiert als bei Patienten ohne Nierenbeteiligung. Daher empfehlen die Leitlinien inzwischen eine Urinuntersuchung bei der stationären Aufnahme (1).

Design

  • In einer prospektiven, multizentrischen Kohortenstudie an 4 Universitätskliniken in Deutschland wurde untersucht, ob sich auf Basis bestimmter Urinwerte Hochrisikopatienten für schwere COVID-19-Verläufe identifizieren lassen (2).
  • Die Patienten waren – je nach Risikogruppe – zwischen median 60 und 66 Jahren alt, hatten einen Body Mass Index von median 27,2-27,4 kg/m2 und circa drei Viertel hatten eine chronische Vorerkrankung wie Herzkreislauf-, Lungen- oder Nierenerkrankung.
  • Das Risiko eines schweren COVID-19-Verlaufs wurde abhängig von den Urin- und Blutbefunden in 3 Kategorien klassifiziert: niedrig (normale Urin- und Blutbefunde), mittel (auffällige Urinanalyse mit normalen Blutwerten) oder hoch (auffälliger Urin und pathologisches Serumalbumin < 2 g/dl und/oder Antithrombin-III-Aktivität < 70 %).
  • Ein auffälliger Urinbefund war definiert als Anurie oder mindestens 2 pathologische Urinwerte (Osmolarität bzw. spezifisches Gewicht, Leukozyturie, Hämaturie, Albuminurie/Proteinurie).
  • Am Tag der stationären Einweisung erfolgte eine Urinanalyse sowie die Messung der Serumalbuminkonzentration und der Antithrombin-III-Aktivität.
  • Primärer Studienendpunkt war die Zeit bis zur Aufnahme auf die Intensivstation oder bis zum Tod.

Hauptergebnisse

  • Von 223 gescreenten Patientinnen und Patienten wurden 145 in die Studie eingeschlossen. 43 hatten bei der stationären Aufnahme ein niedriges, 84 ein mittleres und 18 ein hohes Risiko für einen schweren Verlauf.
  • Im Ergebnis war eine auffällige Urinanalyse signifikant mit einem höheren Risiko für eine Intensivbehandlung oder Tod assoziiert (63,7 % versus 27,9 %; Hazard Ratio [HR]: 2,6; p = 0,002), in der Hochrisikogruppe sogar zu 100 %.
  • Patientinnen und Patienten mit pathologischem Urinstatus mussten häufiger mechanisch beatmet werden (44 % versus 14%), benötigten häufiger eine vollständige Lungenersatztherapie (extrakorporale Membranoxygenierung/ECMO: 10,8% versus 2,3%) oder eine Nierenersatztherapie (30,7% versus 11,6%).

Klinische Bedeutung
"Die Daten belegen, dass SARS-CoV-2-assoziierte Urinauffälligkeiten, kombiniert mit 2 einfachen Blutwerten bei der stationären Aufnahme eine Abschätzung erlauben, ob sich die Erkrankung weiter verschlechtert, der Krankheitsverlauf also gefährlich wird oder sogar eine Intensivtherapie notwendig wird“, kommentiert Prof. Oliver Gross von der Universitätsmedizin Göttingen, Erstautor der Studie. „Die Daten bestätigen prinzipiell den Stellenwert von Nierenparametern als Seismograph für den COVID-19-Verlauf und dürften die frühzeitige Erkennung von Risikopatienten erleichtern.“ Der Algorithmus lasse sich bei weiteren Erkenntnissen verbessern und entsprechend anpassen, so die Autoren.

Finanzierung: keine spezifische externe Förderung, Mittel von DFG und BMBF