COVID-19: Fortgesetzter Verlust an Lebenserwartung in Deutschland auch 2021
- Michael Simm
- Studien – kurz & knapp
Kernbotschaften
Nach dem globalen Rückgang der Lebenserwartung infolge der COVID-19-Pandemie im Jahr 2020 haben sich in Westeuropa die 4 Länder Frankreich, Belgien, Schweiz und Schweden davon vollständig erholt, und 3 weitere teilweise. In Deutschland und den USA gingen im Jahr 2021 gegenüber 2020 nochmals etwa 3 Monate an durchschnittlicher Lebenserwartung verloren, während die Länder Osteuropas Einbußen im Bereich von 10 – 25 Monaten erlitten.
Hintergrund
Die durchschnittliche weltweite Lebenserwartung ist seit dem Jahr 1950 von ca. 47 Jahren beständig auf mittlerweile deutlich über 70 Jahre angestiegen. Durch die COVID-19-Pandemie wurde dieser Trend unterbrochen. Sie hat, so die Autoren der aktuellen Untersuchung, „zu einem nie dagewesenen Anstieg der Mortalität geführt, die mit wenigen Ausnahmen auf der gesamten Welt zu Verlusten an Lebenserwartungen geführt hat.“
Design
Abschätzung der Veränderung in der (periodischen) Lebenserwartung (LE) in 29, überwiegend europäischen Ländern, sowie den USA und Chile, Aufschlüsselung nach Altersgruppen und Vergleich mit historischen „Schocks“ der Lebenserwartung.
Ergebnisse
- Die Zugewinne bei der LE haben sich bereits zur Jahrtausendwende in vielen Ländern mit hohem Einkommen verlangsamt, etwa in den USA und Großbritannien.
- Die COVID-19-Krise hat einen „Mortalitätsschock“ ausgelöst, der zu LE-Verringerungen geführt hat, wie es sie in der jüngeren Geschichte der Länder mit hohem Einkommen noch nicht gegeben hat. In Ländern mit mittlerem und geringem Einkommen ist die Situation womöglich noch schlimmer, wie neue Evidenz aus Indien und Südamerika nahelegt, jedoch erlaubt die Datenlage keine genaueren Analysen.
- Zu den wenigen Ländern, bei denen die LE im Jahr 2020 nicht gesunken ist, gehören Norwegen, Dänemark, Finnland (nur Frauen), Neuseeland und Australien.
- Während auf kurzzeitige Rückgänge bei der LE typischerweise eine Umkehr folgt, waren die Auswirkungen der Pandemie im Jahr 2021 heterogen, wobei die vorherigen Infektionsraten, nicht-pharmakologische Interventionen und Impfraten eine Rolle spielten. Neuere Daten deuten an, dass sich die meisten europäischen Staaten teilweise von den Verlusten des Jahres 2020 erholen werden. Dies waren insbesondere (alle P < 0,001):
- Belgien mit + 10,8 Monaten (95%-Konfidenzintervall 9,7 – 11,9),
- die Schweiz mit + 7,7 Monaten (95%-KI 6,4 – 8,8),
- Spanien mit + 7,6 Monaten (95%-KI 7,1 – 8,1),
- Schweden mit + 7,5 Monaten (95%-KI 6,0 – 8,6),
- Italien mit + 5,1 Monaten (95%-KI 4,6 – 5,5),
- Frankreich mit + 5,0 Monaten (95%-KI 4,4 – 5,6) sowie England/Wales und Slowenien.
- In andern Ländern setzten sich die LE-Verluste aus 2020 im Jahr 2021 fort, darunter auch Deutschland (- 3,1 Monate) und die USA (- 2,7 Monate), vor allem aber viele osteuropäische Staaten (Bulgarien – 25,1; Slowakei 23,5; Ungarn 16,4; Polen 12,1).
- Die Autoren fanden außerdem eine Tendenz zu einem jüngeren Alter (unter 60 Jahren) bei den Todesfällen durch COVID-19 und eine Assoziation zwischen reduzierter Lebenserwartung und niedrigeren Impfraten.
Klinische Bedeutung
Die Studie unter Leitung des Max-Planck-Instituts für Demographische Forschung in Rostock zeichnet ein differenziertes Bild der Auswirkungen von COVID-19 auf die Lebenserwartung in Europa. Einige Länder könnten dadurch langfristige Krisen des Gesundheitswesen erleben, befürchten sie.
Finanzierung: European Union Horizon 2020 und diverse weitere Forschungsgelder.
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