COVID-19: Drei Antigenkontakte sind entscheidend für einen guten Schutz

  • Dr. Nicola Siegmund-Schultze
  • Studien – kurz & knapp
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Kernbotschaften

Anhaltend effektive humorale und zelluläre Immunantworten auf SARS-CoV-2 bilden sich erst nach drei Antigenkontakten im Abstand von > 3 Wochen aus, also zum Beispiel nach zwei Impfdosen plus einer überstandenen Durchbruchsinfektion. Dies gilt besonders für die Omikronvariante. Der Genesenenstatus mit nur einer durchgemachten Infektion entspricht in Bezug auf die Qualität der Immunantwort nicht einer vollständigen Impfung. Deshalb schlägt die Deutsche Gesellschaft für Virologie vor, drei Antigenkontakte zur Basis für die Coronaregeln zu machen und dabei Infektion und Impfdosis als jeweils einen Antigenkontakt zu werten.

Hintergrund
Für einen Schutz vor SARS-CoV-2 sind nicht nur virusspezifische Antikörpertiter wichtig, die Antikörper müssen auch eine hohe Bindungskraft (Avidität) und virusneutralisierende Effektorfunktionen haben. Außerdem sind zelluläre Immunantworten und Memory-Effekte für einen über längere Zeit anhaltenden Schutz von Bedeutung. Die Fragen nach der Qualität einer Immunantwort und ihrer Dauerhaftigkeit müssen für die verschiedenen Varianten von SARS-CoV-2 (VOC) immer wieder neu untersucht werden. Dies haben Forscher der TU und der LMU München zusammen mit Experten des Max-von-Pettenkofer-Instituts München getan und die Daten hochrangig publiziert (1, 2).

Design

  • Studie 1: Analysen zu Veränderungen von Qualität und Quantität humoraler Immunantworten bei deutschen Probanden nach überstandener COVID-19-Infektion (n = 98; Beobachtung seit der 1. Welle im Frühjahr 2020), bei Impflingen (n = 62) und bei gematchten Kontrollpersonen ohne Infektion (n = 73)
  • Labordiagnostik: Messen von Spike-spezifischen Antikörpertitern und der Neutralisierungsfähigkeit Antikörper von frühen europäischen SARS-CoV-2-Isolaten (B.1.177 EU1) and allen fünf klinisch relevanten VoCs (1)
  • Studie 2: Längsschnittuntersuchung der Immunantworten von 91 SARS-CoV-2-positiven Mitarbeitern der Universitätskliniken München während der 1. und 2. Pandemiewelle und nach nach SARS-CoV-2-Impfungen über 2 Jahre (2)

Hauptergebnisse

  • Eine optimale, qualitativ hochwertige Immunantwort mit starker virusneutralisierender Kapazität der Antikörper entwickelt sich erst nach insgesamt drei Kontakten zum Spike-Protein des Coronavirus (1).
  • Das gilt für Genesene mit zwei Impfungen nach der Infektion, für zweifach Geimpfte mit einer Durchbruchsinfektion nach kompletter Impfung und für dreifach Geimpfte.
  • Durch drei Antigenkontakte in mehrwöchigen Abständen (> 3 Wochen) erhöhen sich sukzessive die Neutralisierungskapazitäten der Antikörper.
  • Diese stufenweisen Verbesserungen der Effektorfunktionen werden gegenüber dem initialen SARS-CoV-2-Virus in Europa (B.1.177 EU1), aber auch für alle untersuchten Varianten inklusive Omikron beobachtet.
  • Nach einer Infektion ohne anschließende Immunisierung nehmen virusspezifische Antikörpertiter teilweise rasch ab, vor allem aber solche mit virusneutralisierenden Fähigkeiten (2).
  • Genesene mit nur kurzfristig nachweisbaren neutralisierenden Antikörpern reagieren verzögert auf eine anschließende erste Impfung.
  • Auf eine weitere Impfdosis sprechen alle Genesenen gut an, und zwar mit B-Zell- und T-Zell-Antworten (2).

Klinische Bedeutung
Die Deutsche Gesellschaft für Virologie zieht aus den neuen Daten den Schluss, dass zwischen Genesenen ohne und mit COVID-19-Impfananamnese klar unterschieden werden müsse (3). „Eine neue Erkenntnis ist, dass Menschen dreimaligen Kontakt mit dem Spike-Protein benötigen, damit es nach jetzigem Wissensstand zu einer sehr guten neutralisierenden Aktivität gegen alle VOCs, inklusive Omikron, kommt“, erläutert auch Studienautorin Prof. Dr. med. Ulrike Protzer von der Universitätsmedizin München (TUM). Für die Neutralisierung der Omikron-Variante bedürfe es mehr und stärker bindender Antikörper als bei anderen Varianten.

Die Fachgesellschaft schlägt vor, drei Antigenkontakte zur Basis für die Coronaregeln zu machen und dabei Infektion und Impfdosis als jeweils einen Antigenkontakt zu werten. In einigen Bundesländern wie Hamburg (4) und Bayern wird dies schon so praktiziert, in anderen Bundesländern wie Nordrhein-Westfalen nicht. Ein einfach Genesener mit einem positiven PCR-Test in den vergangenen drei Monaten würde nach dem Vorschlag der Fachgesellschaft einem nur ein Mal Geimpften gleichgestellt und nicht einer komplett geimpften Person.

Finanzierung: öffentliche Mittel