COVID-19 bei neuropsychiatrischer Vorbelastung nicht gefährlicher als andere Atemwegsinfekte

  • Michael Simm
  • Studien – kurz & knapp
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Kernbotschaften

Das Vorliegen einer neuropsychiatrischen Diagnose korreliert mit einer höheren Wahrscheinlichkeit für Hospitalisierung, Intensivstation und Tod, wenn die Patienten an COVID-19 erkranken, aber auch bei anderen schweren Atemwegsinfektionen (SARIs). Lediglich bei Dementen ist das Risiko unter COVID-19 eindeutig größer als bei einer SARI.

Hintergrund

Neuere Studien deuten darauf hin, dass präexistente neuropsychiatrischer Diagnosen mit einem erhöhten Risiko schwerer Verläufe und Outcomes bei Infektionen mit SARS-CoV-2 einhergehen. Unklar ist aber, ob dieses erhöhte Risiko spezifisch für COVID-19 ist oder ob bei anderen Atemwegsinfektionen ähnliche Assoziationen existieren.

Design

Langzeitvergleich zweier Bevölkerungs-basierter Kohorten von insgesamt ca. 20 Millionen Erwachsenen für den Zeitraum vor der COVID-19-Pandemie (24.1.2015 – 23.1.2020) gegenüber während der Pandemie (24.1.2020 – 31.5.2021). Ausgewertet wurde die QResearch Datenbank mit Einträgen englischer Hausärzte zu Diagnosen von Angst- und Stimmungsstörungen, psychotischen Erkrankungen, Demenz, Depression, Schizophrenie und Bipolarer Krankheit sowie den entsprechenden Verschreibungen. Dem gegenüber gestellt wurden sowohl für COVID-19 als auch andere schwere akute Atemwegsinfektionen (SARIs) die Mortalität, Klinikeinweisungen und Aufenthalte in der Intensivstation.

Ergebnisse

  • Im präpandemischen Zeitraum hatten 223.569 Menschen eine SARI durchgemacht (2 % der Population); während der COVID-19-Pandemie wurden 58.203 Fälle (0,7 % der Population) erfasst.
  • Folgende Diagnosen waren mit einem schweren Verlauf (Klinik, Intensivstation oder Tod) von SARI bzw. COVID-19 assoziiert (Chancenverhältnis HR mit 99 %-Konfidenzintervall):
    • Angststörung: HR 1,16 (1,13 – 1,18) und 1,16 (1,12 – 1,20),
    • Psychotische Störung: HR 2,56 (2,40 – 2,72) und 2,37 (2,20 – 2,55),
    • Demenz: HR 2,13 (2,07 – 2,19) und 2,85 (2,71 – 3,00).

Klinische Bedeutung

Für Patienten mit neurologisch-psychiatrischen Vorbelastungen, die virale Erkrankungen der Atemwege erleiden ist das Risiko ungünstiger klinischer Verläufe bei COVID-19 lediglich bei einer vorliegenden Demenz höher als bei anderen Atemwegsinfektionen, ansonsten aber ähnlich groß. Somit scheint COVID-19 nicht per se gefährlicher, sondern die Bedrohung korreliert vermutlich eher mit der absoluten Zahl an Infektionen durch die jeweiligen Erreger und mit dem mehr oder weniger stark ausgeprägten Impfschutz in der Bevölkerung.

Finanzierung: Wellcome Trust, Oxford Wellcome Institutional Strategic Support Fund, Cancer Research UK.