Coronavirus: Streit um Quarantänepflicht, Kritik an KBV-Chef, Neues zu Antikörpern


  • Dr. med. Thomas Kron
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KBV-Chef Andreas Gassen hat gefordert, alle Isolations- und Quarantänepflichten wegen COVID-19 aufzuheben, um Personalengpässe zu entschärfen. „Wir müssen zurück zur Normalität. Wer krank ist, bleibt zu Hause. Wer sich gesund fühlt, geht zur Arbeit“, so der Orthopäde in der „Neuen Osnabrücker Zeitung“.  „Wir können uns nicht dauerhaft vor dem Virus verstecken“, argumentierte Gassen. Völlig anderer Meinung ist Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach: „Infizierte müssen zur Hause bleiben. Sonst steigen nicht nur die Fallzahlen noch mehr sondern der Arbeitsplatz selbst wird zum Sicherheitsrisiko.“ Die Krankschreibung solle telefonisch erfolgen, verkündete Lauterbach am Wochenende auf „Twitter“.

Widerworte erntet Gassen auch von der niedersächsischen Gesundheitsministerin Daniela Behrens: „Oberster Ärztevertreter fordert das Ende aller #Corona-Schutzmaßnahmen. Das wollte er schon mal. Kurze Zeit später waren übrigens Intensivbetten voll. In #Nds haben wir nicht auf ihn gehört, tun es auch dieses Mal nicht. Ich bezweifle, dass Mehrheit der Ärzte seine Meinung teilt“, twitterte die SPD-Politikerin.

In der FDP hingegen halte man den Vorschlag Gassens für eine gute Sache, heißt es im „Spiegel“. So finde der gesundheitspolitische Sprecher der Fraktion im Bundestag Andrew Ullmann, dass die Isolationsdauer nicht mehr von staatlicher Seite vorgeschrieben, sondern allein durch die Krankschreibung des Arztes oder der Ärztin festgelegt werden sollte.

Die FDP stehe mit ihrer Haltung jedoch ziemlich allein da, heißt es weiter. So habe die Gesundheitspolitikerin Saskia Weishaupt von den Grünen  für ihre Fraktion klargestellt: „Wer Corona hat, muss zu Hause bleiben.“ Menschen sollten an ihrem Arbeitsplatz nicht der Gefahr ausgesetzt sein, sich anzustecken. Auch die gesundheitspolitische Sprecherin der Linksfraktion im Bundestag Kathrin Vogler halte Gassens Vorschlag für „Quatsch“.

Kritisiert wird Gassen auch für seine Äußerung, er wolle sich keine zweite Booster-Impfung geben lassen. Laut RND (RedaktionsNetzwerk Deutschland) habe sich Karl Lauterbach verärgert über Äußerungen des KBV-Chefs zur Corona-Impfung gezeigt. „Ich halte es für problematisch, wenn der Eindruck erweckt wird, die Impfung für Ältere im Herbst sei nicht notwendig“, zitiert RND den Bundesgesundheitsminister. Es sei zumindest für die über 60-Jährigen unumstritten, dass die Booster-Spritze wichtig sei, „um schwere Krankheitsverläufe oder gar Todesfälle zu verhindern“. Von einem Ärztefunktionär erwarte er, „dass er das klarmacht“.

In deutschen Krankenhäusern gibt es derzeit doppelt so viele Corona-Patienten wie im vergangenen Sommer. Zwar sei der Anteil der Intensivpatienten unter den Coronakranken deutlich niedriger, die absolute Patientenzahl aber „doppelt so hoch wie zum gleichen Zeitpunkt des Vorjahres“ , sagte der Vorstandsvorsitzende der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG), Gerald Gaß, den Zeitungen der Funke Mediengruppe. „Die Zahlen verdeutlichen, dass der Herbst für die Kliniken erneut eine extreme Belastungsprobe werden kann.“ Trotzdem seien die steigenden Zahlen Corona-positiv getesteter Patienten im Moment nicht die Hauptsorge in den Krankenhäusern, sagte Gaß weiter. Probleme bereite vor allem der hohe Krankenstand von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern.

Wichtige wissenschaftliche Daten zur Corona-Pandemie hat ein Forschungsteam um Professor Sandra Ciesek von Institut für Medizinische Virologie des Universitätsklinikum Frankfurt veröffentlicht. Laut einer Laborstudie können die von etwa Dezember bis April dominanten Omikron-Varianten BA.1 und BA.2 des SARS-CoV-2-Virus bereits nach drei Monaten den Schutz vor einer Infektion unterlaufen, den Impfungen oder überstandene Infektionen bieten. Außerdem wirkten der Studie zufolge verschiedene Antikörperpräparate sehr unterschiedlich auf die beiden Virusvarianten. 

Das Team um Dr. Marek Widera und Sandra Ciesek hat laut einer Mitteilung der Frankfurter Universität untersucht, wie lange die im Blut enthaltenen Antikörper nach einer Impfung oder überstandenen Erkrankung die Virusvarianten Omikron BA.1 und BA.2 noch neutralisieren konnten. Dazu sammelten sie Blutproben von zweifach und dreifach geimpften Menschen, gaben den flüssigen Blutbestandteil (Blutserum), der Antikörper enthält, zusammen mit SARS-CoV-2-Viren auf kultivierte Zellen und beobachteten, wie viele der Zellen infiziert wurden. Außerdem bestimmten sie jeweils die Menge der Antikörper in den Proben, die das Spike-Protein erkannten.

Ergebnis: Ein halbes Jahr nach der zweiten Impfung hatten die getesteten Seren praktisch keine neutralisierende Wirkung mehr auf die Omikron-Varianten BA.1 und BA.2. Auch der Effekt der Booster-Impfung lies rasch nach: Zwar konnten die Seren kurz nach der Booster-Impfung noch sehr gut schützen, drei Monate später war die Schutzwirkung nur noch sehr schwach, sodass die Mehrheit der getesteten Seren nicht mehr in der Lage war, die beiden Virusvarianten zu neutralisieren. 

Besonders problematisch seien die Ergebnisse für den Einsatz monoklonaler Antikörper, die zum Beispiel Patienten mit geschwächtem Immunsystem vorbeugend verabreicht werden, so Sandra Ciesek in der Mitteilung. Ciesek: „Wir haben beispielhaft drei solcher monoklonalen Antikörper im Labor untersucht und gesehen, dass sie ihre Wirksamkeit sehr stark von der Virusvariante abhängt. Damit wir vulnerable Patientinnen und Patienten mit solchen Präparaten schützen können, ist es daher dringend erforderlich, auch am Patienten zu testen, inwieweit solche Antikörper aktuell verbreitete Virusvarianten neutralisieren können.“