Chronisches Nierenversagen: Hämodiafiltration senkt die Sterblichkeit im Vergleich zur üblichen Hämodialyse

  • Nicola Siegmund-Schultze
  • Studien – kurz & knapp
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Kernbotschaften

Erfolgt die Blutreinigung bei Patienten mit chronischem Nierenversagen über eine Hochdosis-Hämodiafiltration und nicht mit der Standardmethode, der Hochfluss-Hämodialyse, so verringert sich die Gesamtsterblichkeit bereits innerhalb von zweieinhalb Jahren um 23 %. Den größten Benefit haben Patienten unter 50 Jahren. Der statistisch signifikante Unterschied in der Sterblichkeit, den eine internationale, randomisierte Studie ergeben hat, wird als klinisch relevanter Vorteil und als wegweisend für die intermittierende extrakorporale Blutreinigung der Zukunft bewertet (DOI: 10.1056/NEJMoa2304820).

Hintergrund 

Weltweit sind circa 4 Millionen Menschen auf eine dauerhafte Nierenersatztherapie angewiesen, allein in Deutschland sind es Schätzungen zufolge circa 90.000.

Die intermittierende, extrakorporale Blutreinigung erfolgt in der Regel an 3-4 Tagen pro Woche über jeweils 4-5 Stunden, meist über Hämodialyse (HD). Hämofiltration (HF) und Hämodiafiltration (HDF) sind weitere Verfahren. Bei der HDF werden die Diffusion (Prinzip der HD) und die Konvektion (Prinzip der HF) kombiniert, wodurch eine höhere Gesamteliminationsrate von klein- und mittelmolekularen harnpflichtigen Substanzen erreicht wird. In einer von der Europäischen Kommission geförderten internationalen Studie ist die Sterblichkeit von Patienten mit chronischem Nierenversagen bei Anwendung der beiden Dialyseverfahren untersucht worden (1).

Design

  • Studienform: multinational, randomisierte, kontrollierte Studie an 61 Zentren in 8 europäischen Ländern

  • Studienteilnehmer: Erwachsene Patientinnen (37 %) und Patienten (63 %) mit chronischem Nierenversagen, die für mindestens 3 Monate mit einer Hochfluss-Hämodialyse behandelt worden waren und sich auch für eine Hochdosis-HDF eigneten

  • Randomisierung: im Verhältnis 1 : 1 in eine Gruppe, die weiterhin 3 Mal wöchentlich eine Hochfluss-Hämodialyse erhielt, und eine zweite Gruppe, die auf Hochdosis-Hämodiafiltration 3 Mal pro Woche umgestellt wurde

  • Endpunkte: primärer Endpunkt war die Sterblichkeit jeglicher Ursache, sekundäre Endpunkte waren die infektionsassoziierte Sterblichkeit, die kardiovaskuläre und nicht-kardiovaskuläre Mortalität, Nierentransplantation und rekurrierende stationäre Einweisungen

Hauptergebnisse

  • 1360 Patientinnen und Patienten im durchschnittlichen Alter von 62,4 Jahren wurden randomisiert.

  • Das durchschnittliche Konvektionsvolumen bei HDF betrug 25,3 Liter pro Therapiesitzung.

  • Bei einer medianen Beobachtungszeit von 30 Monaten (27-38 Monate) lag die Sterblichkeitsrate in der HDF-Gruppe bei 7,1 Fällen pro 100 Patientenjahre und bei 9,2 Fällen pro 100 Patientenjahre in der Hämodialysegruppe.

  • Nach Stratifizierung um studienrelevante Risiken wie Alter, Geschlecht, Komorbiditäten und Nierenrestfunktion waren 17,3 % der Teilnehmer in der HDF-Gruppe im Beobachtungszeitraum gestorben und 21,9 % in der Gruppe mit Hämodialyse.

  • Dies entsprach einer Risikoreduktion für die Sterblichkeit um 23 % durch Hochdosis-Hämodiafiltration im Vergleich zur Hochfluss-Hämodialyse (Hazard Ratio [HR]: 0,77; p = 0,005).

  • Für Patienten < 50 Jahre war der Vorteil durch HDF am höchsten. Das Sterblichkeitsrisiko reduzierte sich in dieser Altersgruppe um 75 % gegenüber der Hämodialyse (HR: 0,25).

  • Bei Patienten ohne präexistierende kardiovaskuläre Erkrankung und ohne präexistierenden Diabetes mellitus waren die HR für der Sterblichkeit in der HDF-Gruppe mit 0,58 und 0,65 ebenfalls niedriger als in der gesamten HDF-Gruppe.

Klinische Bedeutung 

„Unsere Ergebnisse belegen eindeutig den Überlebensvorteil der Hämodiafiltration gegenüber der Hämodialyse bei der Behandlung von Nierenversagen, was sich in einer Senkung der Gesamtsterblichkeit um 23 Prozent zeigt“, kommentiert Studienleiter Peter Blankestijn, Professor am UMC Utrecht (2). Der Unterschied sei „bemerkenswert“. „Ich bin optimistisch, dass die Hämodiafiltration der neue Behandlungsstandard werden kann“, so Blankestijn.

Finanzierung: Europäisches Horizon Programm 2020