Wer nicht gegen das neue Corona-Virus geimpft ist, muss sich auf mehr Testpflichten einstellen und Schnelltests ab 11. Oktober in der Regel auch selbst bezahlen. Das haben Bundeskanzlerin Angela Merkel und die Ministerpräsidentinnen und -präsidenten in einer Video-Konferenz beschlossen. Ausnahmen gelten für Personen, die nicht geimpft werden können oder für die es keine allgemeine Impfempfehlung gibt. Das sind insbesondere Schwangere und Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren.
Vereinbart wurde außerdem, dass für Personen, die weder geimpft noch genesen sind, die Vorlage eines negativen Corona-Tests ab dem 23. August zur Pflicht für viele Aktivitäten in Innenräumen wird. Der geforderte negative Test kann ein Antigen-Schnelltest sein, der nicht älter als 24 Stunden ist, oder ein maximal 48 Stunden alter PCR-Test. Diese Testpflicht betrifft zum Beispiel Restaurant- oder Friseur-Besuche und die Teilnahme an Gottesdiensten in Innenräumen. Es gilt auch für Besuche in Krankenhäusern, Alten- und Pflegeheimen sowie Einrichtungen der Behindertenhilfe. Auch hier gibt es Ausnahmen, zum Beispiel für Schüler, die regelmäßig getestet werden, und für Regionen mit niedrigen Inzidenzen.
Ziel der Maßnahme ist, die stockende Impfkampagne anzukurbeln, um so eine „Überlastung des Gesundheitssystems“ zu verhindern, wie Jens Spahn in einer ARD-Extra-Sendung sagte. „Das Impftempo hat erheblich nachgelassen“, so die Bundeskanzlerin bei einer Pressekonferenz zu den Beschlüssen. Zudem habe man „trotz der Impffortschritte eine Steigerung des Infektionsgeschehens". Laut Angela Merkel wäre es gut, bei der Impfquote „deutlich über 70 Prozent und hin zu 80 Prozent zu kommen", was im Augenblick nicht als gesichert angesehen werden könne. Aktuell seien 55,1 Prozent der Menschen in Deutschland vollständig geimpft.
Schwerer COVID-19-Verlauf: Häufige Rehospitalisierungen
Mehr als ein Viertel der stationär behandelten Patienten mit COVID-19 mussten nach ihrem Klinikaufenthalt erneut stationär behandelt werden. Das zeigt die erste bundesweite Langzeitstudie, die das Wissenschaftliche Institut der AOK (WIdO) auf Basis der Abrechnungsdaten von AOK-Patienten durchgeführt hat („PLOS ONE“ ). Außer der hohen Rehospitalisierungsrate zeigt sich bei den Erkrankten auch eine hohe Sterblichkeitsquote. Insgesamt 30 Prozent der Patienten starben während des ersten Krankenhausaufenthalts oder in den ersten sechs Monaten danach.
Die Kohortenstudie des WIdO liefert laut einer Mitteilung des Instituts erstmals aussagekräftige Daten zu den längerfristigen Folgen der Covid-19-Erkrankung von hospitalisierten Patienten, und sie macht deutlich, dass die Nachsorge für die Patienten nach der Entlassung aus dem Krankenhaus wichtig ist.
In die Auswertung sind die Daten von insgesamt 8679 bei der AOK versicherten COVID-19-Erkrankten einbezogen worden, die vom 1. Februar bis zum 30. April 2020 nach einer bestätigten SARS-CoV-2-Infektion stationär behandelt wurden. Von diesen Patienten mit einem Durchschnittsalter von knapp 69 Jahren starben 25 Prozent im Krankenhaus. Von den 6235 Überlebenden mussten 1668 (27 Prozent) innerhalb eines halben Jahres nach der ersten Krankenhausbehandlung wieder in einem Krankenhaus aufgenommen werden. Sechs Prozent der entlassenen Patienten starben in den ersten sechs Monaten nach dem Krankenhausaufenthalt – die Hälfte von ihnen nach einer erneuten Krankenhauseinweisung. „Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass bei schweren Verläufen der Erkrankung eine engmaschige Nachsorge durch Haus- und Fachärzte erforderlich ist“, sagt Christian Günster, Leiter des Forschungsbereich Qualitäts- und Versorgungsforschung beim WIdO.
STIKO-Chef: Aktionismus verunsichert
Der Vorsitzende der Ständigen Impfkommission (STKO) Professor Thomas Mertens kritisiert die von der Bundesregierung ab September geplanten Drittimpfungen von Risikopatienten. „Der Aktionismus der Politik verunsichert die Menschen", sagt Mertens der „Welt“. Es werde ein Zeitdruck vermittelt, der gar nicht nötig sei. Bei den Auffrischungsimpfungen komme es „nicht auf eine oder zwei Wochen früher oder später" an.
Mertens: „Die Politik handelt manchmal auch ohne wissenschaftliche Grundlage. Alles nach dem Motto: Besser einmal zu viel, als einmal zu wenig geimpft. Das kann man durchaus so machen, muss es dann aber auch klar deklarieren: Hier handelt es sich um eine politische Vorsorgemaßnahme ohne ausreichende medizinische Evidenz.“
Intensivmediziner sind besorgt
Es bestehe auch in den kommenden Monaten eine enge und lineare Beziehung zwischen der SARS-CoV-2-Inzidenz und der Intensivbettenbelegung. Bereits ab Inzidenzen von 200/100.000 sei erneut eine erhebliche Belastung der Intensivstationen mit mehr als 3000 COVID-19-Patienten zu erwarten, sofern die Impfquote nicht noch deutlich gesteigert werde, warnen Andreas Schuppert (Universitätsklinikum Aachen), Christian Karagiannidis (ARDS- und ECMO-Zentrum Köln-Merheim, Universität Witten/ Herdecke) und Steffen Weber-Carstens (Klinik für Anästhesiologie und operative Intensivmedizin, Charité) in einem aktuellen Zeitschriften-Beitrag.
Wenige Prozentpunkte in der Impfquote hätten eine erhebliche Auswirkung auf die potenzielle Intensivbelegung im Herbst, so die Wissenschaftler; Bemühungen um die Steigerung der Impfakzeptanz sollten daher in den kommenden Wochen im Vordergrund stehen. Für die Intensivmedizin sei die Impfquote der über 35-Jährigen von entscheidender Bedeutung. Die Autoren weisen zudem darauf hin, „dass die Impfquoten in Deutschland auch bei den Älteren derzeit immer noch mit 80 Prozent unzureichend sind und deutlich unterhalb der erreichten Impfquoten in anderen europäischen Ländern liegen".
Die drei Wissenschaftler haben, wie sie erklären, „verschiedene Szenarien mithilfe mathematischer Modelle simuliert, die unter der Annahme bestimmter Voraussetzungen eine Einschätzung hinsichtlich der Auslastung der Intensivbettenkapazitäten im Herbst in bestimmten Grenzen ermöglichen".
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