Brustkrebs-Screening: IQWiG empfiehlt eine Ausweitung auf jüngere und ältere Frauen

  • Dr. Nicola Siegmund-Schultze
  • Studien – kurz & knapp
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Kernbotschaften

Das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) sieht einen medizinischen Vorteil für Frauen zwischen dem 45. und 74. Lebensjahr, regelmäßig am Mammografie-Screening teilzunehmen. Damit würden die empfohlenen Reihenuntersuchungen von bislang 50- bis 69 Jahre alten Frauen auf niedrigere und höhere Altersgruppen ausgeweitet. Der medizinische Nutzen überwiege die Risiken. Der in Studien belegte Vorteil sei allerdings für die einzelne Frau sehr klein. Deshalb müsse eine individuelle Bewertung und Abwägung erfolgen (1).

Hintergrund
Seit 2005 werden in Deutschland alle Frauen zwischen 50 und 69 Jahren im Abstand von 2 Jahren zum Mammografie-Screening eingeladen. Die Reihenuntersuchung richtet sich an asymptomatische Frauen mit durchschnittlichem Brustkrebsrisiko. Im März 2021 hat die EU-Kommission die europäische Brustkrebsleitlinie aktualisiert (2). Darin wird empfohlen, auch Frauen zwischen 45 und 49 Jahren und zwischen 70 und 74 Jahren in ein Brustkrebs-Früherkennungsprogramm aufzunehmen. Der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) hat daraufhin das IQWiG beauftragt zu untersuchen, ob und in welchem Maße jüngere und ältere Altersgruppen von einem regelmäßigen Screening profitieren könnten. Nun liegt der Abschlussbericht des IQWiG vor (1).

Design

  • Untersuchungsform: systematische Literaturrecherche unter Berücksichtigung von Studienregistern, vom G-BA übermittelten Dokumenten und Referenzlisten.
  • Patientenrelevante Endpunkte: Mortalität, Morbidität, gesundheitsbezogene Lebensqualität und unerwünschte Ereignisse.
  • Eingeschlossene Studien:
    • 8 randomisierte kontrollierte Studien mit mehr als 600.000 Teilnehmerinnen im Alter von 45 und 49 Jahren.
    • 2 randomisierte kontrollierte Studien mit circa 18.000 Teilnehmerinnen im Alter zwischen 70 und 74 Jahren.

Hauptergebnisse

  • Bei Frauen zwischen 45 und 49 Jahren sieht das IQWiG einen Nutzen des Mammografie-Screenings in Bezug auf die brustkrebsspezifische Mortalität im Vergleich zu keinem Screening.
  • Bei der Gesamtmortalität habe sich kein statistisch signifikanter Unterschied ergeben.
  • Dies spricht allerdings nicht gegen einen Nutzen des Mammografie-Screenings, denn die Gesamtmortalität werde wesentlich durch das Auftreten anderer Todesursachen beeinflusst, so das IQWiG.
  • Vermutlich sei der Effekt der verringerten Brustkrebsmortalität insgesamt zu klein, um sich auf die Gesamtmortalität auszuwirken.
  • Es könne zwar durch falsch-positive Screeningbefunde zu negativen Konsequenzen inklusive Überdiagnosen kommen, der Schaden sei jedoch nicht so groß, dass er den Mortalitätsvorteil aufwiege.
  • Auch für Frauen zwischen 70 und 74 Jahren reichen die Belege aus, um eine Erweiterung des Mammografie-Screening-Programms zu empfehlen.
  • Zwar sei die Datenlage wegen geringerer Zahl der Teilnehmerinnen nicht so klar wie für die mittleren Altersgruppen und der brustkrebsspezifische Überlebensvorteil etwas geringer als bei Frauen zwischen 50 bis 69 Jahren. Es gebe aber keine Hinweise auf gravierende Unterschiede zur mittleren Altersgruppe.

Klinische Bedeutung
„In beiden Altersgruppen ist der in den bisherigen Studien belegte Vorteil für die einzelne Frau nur sehr klein“, resümiert IQWiG-Leiter Jürgen Windeler (3). „Insofern bleibt eine individuelle Bewertung und Abwägung im Gespräch mit dem Arzt oder mit der Ärztin unerlässlich.“

In Großbritannien läuft seit 2010 eine clusterrandomisierte Studie zu der Fragestellung mit 4,4 Millionen Frauen im Alter von 47 bis 49 und 71 bis 73 Jahren (4, 5). In wenigen Jahren werden von der AgeX-Studie weitere aussagekräftige Ergebnisse erwartet.

Ein Diskussionspunkt in Deutschland könnte sein, ob der Screeningabstand in der niedrigeren und der höheren Altersgruppe auf 3 statt 2 Jahre in der mittleren Altersgruppe verlängert werden sollte. Die EU-Kommission empfiehlt 2-3-Jahresabstände für die jüngeren Frauen und einen 3-Jahresabstand für die älteren (2).

Vor einer Einführung des erweiterten Screenings in Deutschland müsste das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz die strahlenschutzrechtliche Zulässigkeit bestätigt haben.

Finanzierung: öffentliche Mittel