Böse MVZ-Investoren nur eine Mär?
- Presseagentur Gesundheit (pag)
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Die Empörung ist groß: Ein IGES-Gutachten im Auftrag der Kassenärztlichen Vereinigung Bayerns (KVB) sowie eine NDR-Recherche zu Medizinischen Versorgungszentren (MVZ) haben eine Menge Staub aufgewirbelt. Organisationen und Verbände sprechen vom „Ausverkauf der ambulanten Versorgung“. Der Bundesverband Medizinische Versorgungszentren - Gesundheitszentren - Integrierte Versorgung (BMVZ) hält dagegen.
Das Gutachten zeigt unter anderem auf, welchen Anteil an der ambulanten Versorgung die verschiedenen Fachrichtungen im MVZ aufweisen – Augenheilkunde (28,4 Prozent) und Innere Medizin (20,2 Prozent). Mehr als jeder vierte bzw. fünfte Arztgruppenfall wurde von einem MVZ erbracht. Im hausärztlichen Bereich weisen MVZ einen Anteil von 4,2 Prozent am Fallvolumen auf. Die Bedeutung der MVZ in der hausärztlichen Versorgung ist damit zwar geringer als in allen anderen Fachrichtungen. Allerdings weisen hausärztliche Arztgruppenfälle das mit weitem Abstand höchste Fallvolumen auf, so dass im Ergebnis in keiner Fachrichtung mehr Arztgruppenfälle von MVZ erbracht werden als im hausärztlichen Bereich. (siehe Link am Ende des Beitrags)
Investoren und Honorarvolumen – Gibt es einen Zusammenhang?
Als ein zentrales Ergebnis hat das Gutachten ermittelt, dass die Gesamtgruppe der MVZ im Vergleich zu Einzelpraxen im Durchschnitt um 5,7 Prozent höhere Honorarvolumina je Arztgruppenfall abrechnen. Sofern sich ein MVZ im Eigentum von Finanzinvestoren befindet ("PEG-MVZ"), werden aber um 10,4 Prozent höhere Honorarvolumina abgerechnet. Die Interessensvertretung der MVZ nimmt explizit das IGES-Gutachten unter die Lupe, kritisiert die presseöffentliche Aufarbeitung der Materie. „Dass bayerische Investoren-MVZ höhere Honorarumsätze erzielten als Einzelpraxen, ist mindestens irreführend“, meint der BMVZ und zitiert dabei eine Passage aus der Kurzfassung des IGES-Gutachtens: „Der Träger, der am ehesten mit konstant höheren Honorarvolumina assoziiert ist, sind die Vertragsärzte.“
Das passt nicht so ganz zu der vom IGES in ihrer Pressemitteilung gewählten Überschrift: „Investoren-MVZ in Bayern: höhere Honorarumsätze als Einzelpraxen“. Der Bundesverband vermisst in den Analysen dann auch die Berücksichtigung der Vertragsärzte und ähnlicher Konstrukte wie Berufsausübungsgemeinschaften (BAG) oder Arztnetze. Stattdessen fokussiere sich das IGES auf MVZ und besonders auf die in Hand von Private-Equity-Gesellschaften (PEG). Dabei bleibe es einer klaren Definition schuldig. Es sei nicht nachvollziehbar, wann ein MVZ ein PEG-MVZ ist. Der Verband äußert dann auch den Verdacht, dass die IGES-Autoren oder Auftraggeber diesen Begriff „eigens für das Gutachten erfunden“ haben könnten.
Verband: MVZ spielen keine große Rolle
Nur von der Betriebsform auf geringe Qualität zu spekulieren, sei nach Ansicht des Verbands nicht redlich. „Unter den MVZ gibt es ebenso viele hervorragende, gute und weniger gute Praxen, bzw. Ärzte, wie es sie unter allen anderen Praxisformen auch gibt.“ Darüber hinaus spielten MVZ nach rund 20 Jahren in der Versorgung keine besonders große Rolle. Die Versorgungsrelevanz steige nur langsam und liege im ambulanten Sektor derzeit bei zwölf Prozent. Der Untergang der hochwertigen und flächendeckenden Patientenversorgung sei nicht in Sicht, meint der BMVZ und hält fest: „Zumal gerade die PEG-MVZ, wie die IGES-Analyse ganz nebenbei auch herausarbeitet, mit überproportional vielen Zweigstellen, sprich Nebenbetriebsstätten, maßgeblich zu einer dezentralen Versorgung mit Fachärzten beitragen.“
Virchowbund fordert Transparenzregister
Nach der Veröffentlichung des IGES-Gutachtens, flankiert durch eine Pressemitteilung der KV Bayerns sowie einem Beitrag des NDR-Magazins „Panorama“ über Investoren-MVZ, die sich immer weiter ausbreiten würden, gerät die Vertragsärzteschaft in helle Aufregung. Zahlreiche Organisationen warnen vor einer „Investoren-Schlacht“ um deutsche Arztpraxen und fordern die Politik auf, den „Ausverkauf der ambulanten Versorgung“ zu stoppen.
Der Vorstand der KVB warnt davor, dass die Gesundheit der Menschen nicht zum Spekulationsobjekt werden dürfe. Die Politik müsse endlich wirksame Maßnahmen ergreifen, um diese Entwicklung zu stoppen, fordert die KV Hamburg. „Wir müssen sicherstellen, dass Praxen und Medizinische Versorgungszentren dem ärztlichen und psychotherapeutischen Berufsethos verpflichtet bleiben“, sagt deren Vorsitzender John Afful. Es sei nicht hinnehmbar, dass die Gelder des solidarischen Gesundheitssystems in die Taschen von Finanzinvestoren abfließen. Ähnlich äußern sich die Ärztekammer Berlin, die Bundeszahnärztekammer und die Kassenzahnärztliche Bundesvereinigung.
Der Virchowbund verlangt ein Transparenz-Register für MVZ. Zukünftig müsse bei jedem Konstrukt oder jeder Gesellschaftsform der wirtschaftlich Berechtigte sofort und klar erkennbar sein. Zum Beispiel solle sein Name auf dem Praxisschild eines investorengeführten MVZ stehen. Ferner sollten MVZ-Neugründungen nur noch als gGmbH möglich sein. Dadurch werden sie per Rechtsform auf Gemeinnützigkeit verpflichtet und dürften keine hohen Renditen mehr an Anleger ausbezahlen.
Transparenz fordert der BMVZ übrigens auch ein – „idealerweise mit dem Fokus darauf, was eine optimale Versorgung ist und welche Kriterien, an denen sich dann alle Strukturen in gleichem Maße messen lassen müssten, anzulegen sind“.
Link: IGES, Thorsten Tisch, Hans-Dieter Nolting, Versorgungsanalysen zu MVZ im Bereich der KV Bayerns mit besonderem Augenmerk auf MVZ im Eigentum von Finanzinvestoren, Kurzfassung des Gutachtens für die Kassenärztliche Vereinigung Bayerns, März 2022, PDF, 38 Seiten
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