Binge Eating: Ein Neurofeedbacktraining hilft jedem Dritten, die Essanfälle zu kontrollieren

  • Dr. Nicola Siegmund-Schultze
  • Studien – kurz & knapp
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Kernbotschaften

Weltweit erstmals ist in einer Pilotstudie die Behandlung von Essanfällen (Binge Eating) über ein EEG-Neurofeedbacktraining untersucht worden. Mit Hilfe des Einflusses auf die elektrische Aktivität des Gehirns konnten die Patienten ihre Essanfälle um 60 % reduzieren, jeder dritte Studienteilnehmer wurde für mindestens 3 Monate komplett abstinent. Vor einer Routineanwendung müsste die Effektivität des Verfahrens in größeren Studien bestätigt werden.

Hintergrund
Binge Eating ist international die häufigste Essstörung. Betroffene nehmen wiederkehrend große Mengen Nahrungsmittel zu sich mit dem Gefühl, die Kontrolle über das Essverhalten zu verlieren. Statistisch erkranken von 1000 Mädchen und Frauen 28 im Laufe des Lebens an Binge Eating, 19 an Bulimie und 14 an Magersucht (1). Von 1000 Jungen erkranken durchschnittlich 10 an Binge Eating, 6 an Bulimie und 2 an Anorexie. Hinzu kommen Mischformen dieser Essstörungen. Beim Binge Eating sind Veränderungen im Elektroenzephalogramm (EEG) nachgewiesen worden. Dies veranlasste Forscherinnen der Universität Leipzig, Betroffene mit EEG-Neurofeedback zu behandeln (2). Dies ist eine neurokognitive Intervention, bei der die EEG-Aktivität in Echtzeit analysiert und auf einem Computerbildschirm, zum Beispiel durch einen sich bewegenden Ball, visualisiert wird. Dadurch wird die sonst nicht spürbare Gehirnaktivität erlebbar und Patienten können lernen, sie gezielt zu verändern.

Design

  • Studienform: randomisierte, kontrollierte Studie mit 39 Erwachsenen, bei denen eine Binge-Eating-Störung und Übergewicht diagnostiziert worden war,
  • Randomisierung: nahrungsspezifisches oder allgemeines EEG-Neurofeedback,
  • Voraussetzungen für den Studienbeginn: Wartezeit von 6 Wochen,
  • Intervention: 6 Wochen EEG-Neurofeedbacktraining mit 10 Sitzungen à 30 Minuten und einer 3-monatigen Nachuntersuchungszeit.

Hauptergebnisse

  • Beide EEG-Neurofeedbacktrainingsprogramme, das allgemeine und das nahrungsspezifische, hatten einen therapeutischen Effekt.
  • Der Anteil der Betawellen der Hirnaktivität wurde wie angestrebt reduziert und der der Thetawellen über frontozentrale Hirnregionen erhöht.
  • Die objektiven Binge-Eating-Perioden mit den entsprechenden „Craving-Phasen“ wurden insgesamt um 60 % reduziert.
  • Ein Drittel der Teilnehmerinnen und Teilnehmer erreichte eine Abstinenz über den Nachbeobachtungszeitraum von 3 Monaten.
  • Die kognitive Flexibilität bei Exposition gegenüber Nahrung, eines der funktionellen Therapieziele, erhöhte sich lediglich beim nahrungsspezifischen Neurofeedback.

Klinische Bedeutung
Ein EEG-Neurofeedbacktraining hat sich in einer Pilotstudie als erfolgversprechende Methode für die Behandlung von Patientinnen und Patienten mit Binge Eating erwiesen. Das Verfahren wurde von den Patienten sehr gut angenommen und hatte keine Nebenwirkungen. Die klinischen Veränderungen weisen auf spezifische Therapieeffekte hin, die über einen reinen Placebo-Effekt hinausgehen, so die Autoren. Nun sind Studien an größeren Stichproben notwendig, um die Wirksamkeit dieser vielversprechenden Behandlung weiter abzusichern und Wirkmechanismen zu identifizieren

Finanzierung: BMBF und Hochschulmittel