Aus Interesse oder für Geld: Wie wählen Ärzte ihr Fachgebiet?

  • Jennifer Nelson
  • Medizinische Nachricht
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Die Studienkredite für Mediziner in den USA belaufen sich auf mehrere Hunderttausend Dollar, weshalb es verständlich ist, dass Ärzte ein gut bezahltes Fachgebiet wählen möchten.

Die überwältigende Mehrheit der Ärzte, mit denen Medscape gesprochen hat, hat sich jedoch nach eigener Aussage für ein Fachgebiet entschieden, für das sie sich begeistern können, anstatt sich auf das Geld zu konzentrieren. Außerdem rieten die meisten den jungen Ärzten, ihrem Herzen zu folgen und nicht ihrem Geldbeutel.

"Es steht außer Frage, dass viele junge Leute bei der Entscheidung für ein Medizinstudium sofort an Geld denken, aber der Gedanke an einen üppigen Gehaltsscheck wird nie jemanden lange genug motivieren, um hierher zu kommen", sagt Dr. Sergio Alvarez, ein zertifizierter plastischer Chirurg in Miami, Florida, sowie CEO und medizinischer Leiter von Mia Aesthetics, das mehrere nationale Standorte hat.

"Der Weg in die Medizin ist langwierig, und es gibt viele Hürden auf dem Weg, die nur die Engagierten überwinden", so Alvarez.

Leider, sagt er, könnte dieses lange Spiel schon weit fortgeschritten sein, bevor einige erkennen, dass die Gehälter für bestimmte Fachgebiete nicht im Verhältnis zu der immensen Arbeitsbelastung und Verantwortung stehen, die sie erfordern.

"Kurz gesagt: Um ein glücklicher Arzt zu werden, muss die Medizin wirklich eine Berufung sein: eine Leidenschaft! Es gibt viel einfachere Dinge, mit denen man Geld verdienen kann."

Hier ist, was Ärzte über die Wahl zwischen Liebe und Geld sagten.

Das am schlechtesten bezahlte Teilgebiet eines schlecht bezahlten Fachgebiets

Dr. Sophia Yen, Mitbegründerin und Geschäftsführerin von Pandia Health, einem von Frauen gegründeten und von ÄrztInnen geleiteten Geburtenkontrolldienst in Sunnyvale, Kalifornien, und klinische Dozentin an der Stanford University in Stanford, Kalifornien, sagt, man sollte ein Fachgebiet wählen, weil man die Arbeit liebt.

"Ich habe mich für das am schlechtesten bezahlte Teilgebiet (Jugendmedizin) eines schlecht bezahlten Fachgebiets (Pädiatrie) entschieden, aber ich würde es wieder tun, weil ich die Patientengruppe liebe - ich liebe, was ich tue."

Yen sagt, sie habe sich für die Jugendmedizin entschieden, weil sie gerne "ambulante Gynäkologie" betreibt, ohne die chirurgische Ausbildung eines vollwertigen Gynäkologen zu durchlaufen. "Ich mag die Zielgruppe der jungen Erwachsenen, weil man mit den Patienten sprechen kann, während man in der Kinderheilkunde oft mit den Eltern spricht. Bei jungen Erwachsenen kann man einiges bewirken - zum Beispiel einem jungen Menschen etwas über Einwilligung, Alkohol und die Auswirkungen von Marihuana auf das heranwachsende Gehirn beibringen, ungeplante Schwangerschaften und sexuell übertragbare Infektionen verhindern, eine gesunde Ernährung vermitteln und vieles mehr."

"Würde ich mir wünschen, so viel wie ein Chirurg zu verdienen?" Yen sagt ja. "Ich hoffe, dass die Gesellschaft eines Tages den Wert der Zeit, die wir in die Prävention künftiger Krankheiten investieren, erkennt und uns entsprechend bezahlt."

Leider, sagt sie, verdient das Gesundheitssystem mehr Geld, wenn man schwanger wird, einen Herz-Bypass braucht oder sich einer Magenoperation unterziehen muss. Daher werden diejenigen, die Babys zur Welt bringen oder Operationen durchführen, besser bezahlt als jemand, der die Notwendigkeit dieser Leistungen verhindert.

Mit Geld kann man kein Glück kaufen 

Dr. Stella Bard, Rheumatologin in McKinney, Texas, sagt, sie lebe voll und ganz für die Rheumatologie. "Ich habe die Entscheidung für dieses Fachgebiet keine Sekunde lang bereut", sagt Bard. "Ich habe das Gefühl, dass jede einzelne Begegnung mit Patienten eine lohnende Erfahrung ist." Bard betont, dass Geld keine Garantie für Glück ist und dass sie sich glücklich schätzt, jeden Morgen aufzuwachen und das zu tun, was sie liebt.

Karriere oder Berufung? 

Für Alvarez kam die Inspiration, als er seinen Vater bei der Veränderung des Lebens anderer Menschen beobachtete. "Ich habe gesehen, wie viel ein Arzt in den verzweifeltsten Momenten eines Menschen bewirken kann, und das war genug, um im Alter von 10 Jahren die Medizin zu meiner Lebensaufgabe zu machen."

Er sagt, dass es im Medizinstudium viel einfacher ist, sich für ein Fachgebiet zu entscheiden, als man denkt. "Jedes Fachgebiet erfordert eine bestimmte Persönlichkeit oder bestimmte Eigenschaften, und einige werden dich ansprechen, andere nicht."

"Für mich ging es bei der Plastischen Chirurgie um Finesse, Kunst und lebensverändernde Operationen, die alle Menschen, vom Kind bis zum Erwachsenen betreffen und jeden Aspekt des menschlichen Körpers einbeziehen. Die Veränderung des äußeren Erscheinungsbildes eines Menschen hat einen äußerst positiven Einfluss auf sein Selbstvertrauen und sein Selbstwertgefühl, was die plastische Chirurgie zu einer wirklich einschneidenden Erfahrung macht."

Dr. Patricia Celan, die in Kanada eine Weiterbildung in der Psychiatrie absolviert, wählte die Psychiatrie ebenfalls aus Liebe zu diesem Fachgebiet. "Es macht mir Spaß, hilfsbedürftigen Menschen zu helfen und zu erforschen, wie ein Mensch tickt, woher seine Schwierigkeiten kommen und wie man ihm helfen kann, die schwierigen Karten, die er im Leben bekommen hat, zu überwinden."

Sie sagt, es sei unglaublich befriedigend zu sehen, wie jemand nach einer schweren psychischen Erkrankung sein Leben umkrempelt - vor allem diejenigen, die Opfer von Gewalt und traumatisiert wurden - und wieder lernt, Menschen zu vertrauen. 

"Ich hätte in einem besser bezahlten Fachgebiet mehr Geld verdienen können, ja, aber ich bin mir nicht sicher, ob ich mich so erfüllt gefühlt hätte, wie ich es in der Psychiatrie erleben kann."

Celan sagt, dass jeder seine Berufung hat, und dass einige glückliche Menschen ihre tiefste Leidenschaft in besser bezahlten Fachgebieten finden. "Meine Berufung ist die Psychiatrie, und damit bin ich im Reinen, unabhängig vom Geld."

Aus Liebe zur Chirurgie 

"Meiner Erfahrung nach wählen die meisten Menschen ihr Fachgebiet nicht aufgrund des Geldes", sagt Dr. Nicole Aaronson, HNO-Ärztin und Fachärztin für pädiatrische HNO-Heilkunde, Oberärztin an der Nemours Children's Health of Delaware und klinische außerordentliche Professorin für HNO-Heilkunde und Pädiatrie an der Sidney Kimmel School of Medicine der Thomas Jefferson University in Philadelphia, Pennsylvania.

"Der erste Entscheidungspunkt im Medizinstudium ist normalerweise die Frage, ob man eher ein chirurgischer oder ein medizinischer Mensch ist. Ich wusste schon sehr früh, dass ich Chirurgin werden und meine Zeit im OP verbringen wollte, um Probleme mit meinen Händen zu lösen."

Was Aaronson an der HNO-Heilkunde reizte, war die Vielfalt der Erkrankungen, die in diesem Fachgebiet behandelt werden, von Kopf- und Halskrebs über Stimmprobleme bis hin zu Schlafstörungen und Nasennebenhöhlenerkrankungen. "Ich habe mich für dieses Teilgebiet entschieden, weil die Arbeit mit Kindern mir Spaß macht und ich etwas dazu beitragen kann, dass sie ihr Leben so gut wie möglich leben können."

Sie sagt, dass eine relativ einfache Operation wie das Einsetzen von Ohrschläuchen dem Gehör eines Kindes helfen kann und es ihm ermöglicht, in der Schule erfolgreicher zu sein, was dem Kind eine neue Welt von Möglichkeiten für seine Zukunft eröffnet.

"Ich glaube zwar nicht, dass die meisten Menschen ihr Fachgebiet aufgrund der voraussichtlichen Vergütung wählen, aber ich denke, dass alle Ärzte für ihre Zeit, ihren Einsatz und ihren Ausbildungsstand angemessen entlohnt werden wollen", sagt Aaronson.

Die Entscheidung für ein Fachgebiet wegen des Geldes kann zu Burnout und Unzufriedenheit führen

"Für mich war die Entscheidung für die Gastroenterologie nicht nur eine Frage des Geldes", sagt Dr. Saurabh Sethi, ein Gastroenterologe mit den Schwerpunkten Hepatologie und Interventionelle Endoskopie. "Finanzielle Stabilität ist zwar zweifellos wichtig, aber kein Arzt betritt dieses Fachgebiet nur aus Liebe zum Geld. Die treibende Kraft für die meisten Mediziner, mich eingeschlossen, ist die Leidenschaft, Menschen zu helfen und ihr Leben positiv zu verändern."

Sethi zufolge ist die Befriedigung, die sich aus der Bereitstellung einer qualitativ hochwertigen Versorgung und dem verbesserten Wohlbefinden der Patienten ergibt, unbezahlbar. Außerdem ist er der Meinung, dass die ausschließlich auf finanziellem Gewinn basierende Wahl eines Fachgebiets im Laufe der Zeit zu Burnout und größerer Unzufriedenheit führen kann.

"Indem ich meiner Liebe zur Darmgesundheit gefolgt bin und die Patientenversorgung in den Vordergrund gestellt habe, habe ich ein Gefühl der Erfüllung und einen Sinn in meinem Beruf gefunden. Es war eine lohnende Reise und ich bin dankbar für die Möglichkeit, durch mein Fachwissen in der Gastroenterologie zum Wohlbefinden meiner Patienten beitragen zu können."

Die wichtigsten Erkenntnisse: Liebe oder Geld? 

Mehrere Faktoren beeinflussen die Entscheidung von Ärzten für ein Fachgebiet, darunter die Liebe zur Arbeit und die Zukunft des Fachgebiets. Andere Faktoren sind die Berufsaussichten, die praktischen Erfahrungen, die sie sammeln können, Mentoren, Kindheitsträume, die Erwartungen der Eltern, die Komplexität der Fälle sowie der Lebensstil des jeweiligen Fachgebiets, einschließlich der Dienstzeiten, der Bereitschaftsdienste und der Selbständigkeit.

Die Ärzte nannten auch andere Faktoren, die sie bei der Wahl ihres Fachgebiets berücksichtigten:  

  • Persönliches Interesse
  • Intellektuelle Anregung
  • Work-Life-Balance
  • Patientengruppen
  • Zukünftige Möglichkeiten
  • Der Wunsch, etwas zu bewirken
  • Leidenschaft
  • Finanzielle Stabilität
  • Persönliche Erfüllung.

Die überwältigende Mehrheit der Ärzte sagt, dass man mit der Wahl eines Fachgebiets, das man sich auch in 40 Jahren noch vorstellen kann, nichts falsch machen kann.

Dieser Beitrag erschien im Original bei Medscape und wurde von Dr. Petra Kittner übersetzt.