Auch für Smartphone-Nutzer gilt: Weniger kann mehr sein

  • Dr. med. Thomas Kron
  • Medizinische Nachrichten
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Kernbotschaften 

Wer negativen Begleiterscheinungen des häufigen Smartphone-Gebrauchs vorbeugen will, muss nicht völlig abstinent sein. So führte in einer Studie mit über 600 Probanden bereits weniger Zeit, die mit dem Smartphone verbracht wurde, zu mehr Wohlbefinden und einem gesünderen Lebensstil.  

Wie fast alles im Leben haben auch Smartphones gute und negative Seiten. Zu den möglichen unerfreulichen Begleiterscheinungen der Smartphone-Nutzung zählen unter anderen der Handy-Daumen wie auch Nackenschmerzen infolge der enormen Belastung der HWS-Muskulatur bei der übermäßigen Neigung des Kopfes nach vorne während der Smartphone-Nutzung.

Leben ohne Smartphone besser als mit?

Privatdozentin Dr. Julia Brailovskaia und ihr Team wollten nun wissen, ob unser Leben ohne Smartphone nicht besser wäre als mit. Die Psychologin vom Forschungs- und Behandlungszentrum für psychische Gesundheit (FBZ) der Universität Bochum ließ 200 Testpersonen eine Woche komplett auf ihr Handy verzichten und 226 in dieser Zeit ihre Nutzung des Geräts um täglich eine Stunde reduzieren.193 Personen änderten nichts an ihrem bisherigen Verhalten.

Direkt im Anschluss an diese Maßnahme sowie einen und vier Monate später befragten die Forscher alle Teilnehmer mit Blick auf ihre Lebensgewohnheiten und ihr Befinden. Wie viel bewegten sie sich? Wie viele Zigaretten rauchten sie täglich? Wie zufrieden fühlten sie sich? Zeigten sie Anzeichen für Angst oder Depressivität? 

„Wir konnten zeigen, dass sowohl der komplette Verzicht auf das Smartphone, aber auch die einstündige Reduktion seiner täglichen Nutzung positive Effekte auf den Lebensstil und das Wohlbefinden der Teilnehmenden hatte“, fasst Julia Brailovskaia zusammen. „In der Gruppe derer, die die Nutzung reduziert haben, hielten sich diese Effekte sogar länger und waren somit stabiler als in der Abstinenzgruppe.“

Wie die Psychologin und ihr Team außerdem festgestellt haben, änderte die einwöchige Intervention die Nutzungsgewohnheiten bei den Versuchspersonen langfristig: Noch vier Monate nach dem Ende des Experiments nutzten die Mitglieder der Abstinenzgruppe ihr Smartphone durchschnittlich 38 Minuten pro Tag weniger als zuvor. Die Gruppe derer, die im Experiment täglich eine Stunde weniger mit dem Smartphone verbracht hatten, nutzten es nach vier Monaten sogar 45 Minuten weniger pro Tag als zuvor. Zugleich stiegen die Lebenszufriedenheit sowie die Zeit körperlicher Aktivität. Depressions- und Angstsymptome sowie Nikotinkonsum gingen zurück. 

„Es ist nicht nötig, komplett aufs Smartphone zu verzichten, um sich besser zu fühlen“, folgert Brailovskaia. „Möglicherweise gibt es eine optimale tägliche Nutzungsdauer.“

Psychische Störungen durch Technostress?

Mit den möglichen Auswirkungen von digitalen Geräten wie Smartphones auf die Psyche haben sich kürzlich auch die Sozialwissenschaftler Nico Dragano (Universität Düsseldorf), Steffi G. Riedel-Heller (Universität Leipzig) und Thorsten Luna (Institut für Sozialforschung in Saarbrücken) befasst. Im Fokus stand dabei der Begriff „Technostress“. Gemeint ist damit Stress unter anderem durch technische Überflutung (Techno-Overload), technische Komplexität (Techno-Complexity) und Verunsicherung durch Technik (Techno-Insecurity). Zusätzliche Technostress-Erzeuger sind technische Arbeitsplatzüberwachung (Technological workplace surveillance) und Mensch- Maschinen-Interaktion (Stress in human-machine interaction. 

Eine daraus resultierende chronische Aktivierung des Stress-Systems ist ein bekannter Risikofaktor für somatische und psychische Störungen. Ob Technostress jedoch tatsächlich zu psychischen Störungen führt, ist den Autoren zufolge eine Frage, die noch nicht mit ausreichender Sicherheit zu beantworten ist. Denn die Forschung zu Technostress als Risikofaktor für psychische Störungen stehe noch am Anfang, erklären Dragano und seine Kollegen. Empirische Studien seien rar, stützten sich oft auf kleine Stichproben und seien meist Querschnittsstudien. Die Mehrheit dieser Studien. konzentriere sich auf den Zusammenhang von IKT-Nutzung (IKT: Informations- und Kommunikationstechnologien) und Burnout. So habe zum Beispiel eine aktuelle Studie gezeigt, dass die arbeitsbedingte Smartphone-Nutzung nach Feierabend mit Burnout assoziiert sei. Die Autoren betonten daher das „Recht auf Abschalten“ nach der Arbeit, um Burnout vorzubeugen.