ASH 2022 – Wie man venöse Thromboembolien bei Krebspatienten verhindert und behandelt

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Erkenntnis

  • Venöse Thromboembolien (VTEs) treten bei Krebs häufig auf und nehmen mit der Zeit zu.
  • Eine Risikostratifizierung ist für das Abwägen der Risiken und des Nutzens einer primären Thromboseprophylaxe entscheidend.
  • Das Management einer krebsassoziierten Thrombose (CAT) richtet sich spezifisch nach den verschiedenen Zeitpunkten im Verlauf der Krebserkrankung.
  • Die Nutzen-Risiko-Analyse der Antikoagulation muss regelmäßig durchgeführt werden.

Prävention

VTE-bedingte Komplikationen treten bei Krebspatienten häufig auf. Die kumulative Inzidenz von CATs nimmt im Laufe der Zeit aus mehreren Gründen zu. Diese seien unter anderem das längere Überleben der Patienten, häufigere Zufallsbefunde und die Einführung neuer Therapien, erklärte Marc Carrier, Leiter der Abteilung für Hämatologie am The Ottawa Hospital (Kanada) während einer Special-Interest-Sitzung bei der ASH-Jahresversammlung 2022. Er fasste die klinische Relevanz von VTEs für onkologische Patienten sowie die Evidenz zur Wirksamkeit und Sicherheit von Antikoagulanzienregimen zur Primärprävention von CATs zusammen.

VTEs sind mit Morbidität und Mortalität assoziiert und können für Patienten traumatisch und belastend sein. Tatsächlich treten die meisten CATs (bis zu 80 %) bei ambulanten Patienten auf. „Wir sollten darüber nachdenken, wie wir unsere Patienten über Anzeichen und Symptome aufklären, und sie dazu auffordern, bei deren Auftreten einen Arzt aufzusuchen“, empfahl Dr. Carrier. Eine primäre Thromboseprophylaxe ist bei ambulanten Krebspatienten sicher und wirksam, erfordert jedoch eine korrekte Risikostratifizierung anhand eines validierten Scores (d. h. des Khorana-Scores), der durch eine klinische Beurteilung und die ärztliche Erfahrung ergänzt wird.

Bei ambulanten Krebspatienten, die eine systemische Therapie erhalten, empfehlen die ASH-Leitlinien Folgendes:

  • geringes Thromboserisiko: keine Thromboseprophylaxe
  • intermediäres Risiko: entweder Thromboseprophylaxe mit einem direkten oralen Antikoagulans (DOAK) oder keine Thromboseprophylaxe
  • hohes Risiko: Thromboseprophylaxe mit einem DOAK oder mit niedermolekularem Heparin (NMH), wobei die Thromboseprophylaxe bei Personen mit hohem Blutungsrisiko mit Vorsicht angewendet werden sollte.

Behandlung und Sekundärprävention

 „Das Besondere an diesen Leitlinien ist, dass das Gremium zusätzliche entscheidungsrelevante Evidenzen wie die Ressourcennutzung, Kosteneffizienz, gesundheitliche Gleichbehandlung, Akzeptanz und die Machbarkeit hinzugefügt hat“, betonte Radhika Gangaraju, Assistenzprofessorin an der University of Alabama in Birmingham (AL, USA), die die ASH-Leitlinien zur CAT-Behandlung beschrieb. Es werden Empfehlungen für drei konkrete Zeitpunkte gegeben: Erstbehandlung (erste 5–10 Tage nach der VTE-Diagnose), kurzzeitige Behandlung (3–6 Monate nach VTE-Diagnose) und langzeitige Behandlung (> 6 Monate nach VTE-Diagnose).

Algorithmus für eine Antikoagulation bei CAT-Ereigissen:

  • Beurteilung, ob ein Blutungsrisiko oder eine Kontraindikation für eine Antikoagulation besteht
  • Bestimmung von Arzneimittelwechselwirkungen mit DOAK:
  • keine Arzneimittelwechselwirkung: DOAK bevorzugen
  • Wechselwirkungen mit DOAK: NMH bevorzugen (NMH wird auch bei Patienten mit nicht reseziertem intraluminalem gastrointestinalem [GI] oder urogenitalem Krebs, beeinträchtigter GI-Resorption und zur Behandlung einer extensiven VTE bevorzugt)
  • Durchführung einer regelmäßigen Risiko-Nutzen-Analyse der Antikoagulation bei jedem klinischen Besuchstermin
  • Fortsetzung der Antikoagulation bei Nachweis einer aktiven Krebserkrankung und einer metastatischen Erkrankung sowie bei Patienten, die eine Chemotherapie erhalten (Beobachtungsstudien sprechen für das Absetzen von Antithrombotika bei Patienten mit Krebs im Endstadium aufgrund eines hohen Risikos für klinisch relevante Blutungen in den letzten Lebenswochen).

Umsetzung der Richtlinien

Der zweite Teil der Sitzung war den Umsetzungsstrategien bei Krebspatienten mit VTE gewidmet. Trotz der Empfehlungen wird in den USA selten eine ambulante pharmakologische Prophylaxe durchgeführt. Zu den Hindernissen einer Umsetzung zählen:

  • mangelnde Präzision / Nichtverfügbarkeit von Risikostratifizierungswerkzeugen
  • Zeitmangel
  • mangelnde Bekanntheit dieser Empfehlung.

Es wurden zwei Strategien vorgestellt, um diese Lücken zu schließen. Ang Li, Assistenzprofessor am Baylor College of Medicine (Houston, TX), bot einen Überblick über das Potenzial der Nutzung optimierter klinischer Informatik in modernen Systemen elektronischer Patientenakten (ePAs) zur Unterstützung der Einhaltung der Richtlinien bei CATs. Katy Toale, Expertin für klinische Pharmakologie am MD Anderson Cancer Center (Houston, TX), beschrieb das von ihr geleitete Antikoagulations-Managementprogramm, das den sicheren und wirksamen Einsatz dieser Medikamente gewährleisten soll.