Antikörper Donanemab verzögert Progression der frühen Alzheimer-Krankheit

  • Michael Simm
  • Studien – kurz & knapp
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Kernbotschaften

Die intravenöse Gabe des Anti-Amyloid-Antikörpers Donanemab alle 4 Wochen konnte in einer Studie mit mehr als 1700 Patienten mit früher Alzheimer-Erkrankung den Verfall der kognitiven Leistung und bei der Verrichtung von Alltagsaktivitäten gegenüber einem Placebo statistisch signifikant verlangsamen. Über den Studienzeitraum von 1,5 Jahren entsprach dies in etwa einem Gewinn von 4 Monaten. Zudem konnte bei etwa 30 % der Patienten unter Donanemab nach einem halben Jahr eine erhebliche Reduktion der Amyloidlast nachgewiesen werden, was eine Therapiepause ermöglichte.

Hintergrund

Seit die Ablagerung von Amyloid bei der Pathogenese der Alzheimer-Erkrankung impliziert wurde, gab es zahlreiche Versuche, das Fortschreiten der Demenz durch die Beseitigung dieser Ablagerungen zu verzögern. Erst in den letzten beiden Jahren waren die Ergebnisse klinischer Versuche jedoch hinlänglich überzeugend, um zunächst trotz starker Kritik den Antikörper Aducanumab in den USA zuzulassen und kürzlich Lecanemab. Nun wurden zeitgleich mit einer Präsentation auf der Alzheimer's Association International Conference auch Daten zu einem dritten Antikörper (Donanemab) publiziert.

Design

Randomisierte, doppel-blinde, Placebo-kontrollierte Studie der Phase 3 mit 1736 Teilnehmern aus 277 Zentren in 8 Ländern zur Prüfung der Wirksamkeit und Sicherheit des monoklonalen Antikörpers Donanemab bei früher symptomatischer Alzheimer-Erkrankung.

Eingangsvoraussetzung der 18-monatigen Studie waren eine leichte kognitive Beeinträchtigung (MCI) oder Alzheimer mit leichter Demenz, ein Wert zwischen 20 und 28 bei der Mini-Mental State Examination (MMSE), ein Alter zwischen 60 und 85 Jahren, sowie der Nachweis mittels PET-Scans von Amyloid-Ablagerungen ≥ 37 Centiloids sowie einer niedrig/mittleren oder starken Tau-Pathologie.

Die Patienten (Durchschnittsalter 73,0 Jahre, 57,4 % weiblich) erhielten 76 Woche lang alle 4 Wochen intravenös Donanemab oder Placebo. Primäres Studienziel unter 24 erfassten Parametern war die Veränderung des iADRS-Wertes von Studienbeginn bis Woche 76, getrennt erfasst für Patienten mit niedrigen/moderaten Tau-Werten und für die Gesamtpopulation. Der iADRS-Wert wiederum ist eine zusammenfassende Größe aus den 13 kognitiven Komponenten der Alzheimer Disease Assessment Scale (ADAS-Cog13) und Aktivitäten des täglichen Lebens gemäß der Alzheimer Disease Cooperative Study (ADCS-iADL).

Ergebnisse

  • Von 1736 randomisierten Teilnehmern beendeten 1320 (76 %) die Studie.
  • Beim primären Studienziel verschlechterten sich Patienten mit niedriger/moderater Tau-Last unter der Studienarznei binnen 76 Wochen um 6,02 Punkte (95%-Konfidenzintervall - 7,01 bis – 5,03) gegenüber 9,27 Punkten unter Placebo (- 10,23 bis – 8,31). Der Unterscheid von 3,25 Punkten hatte ein 95%-KI von 1,88 – 4,62 und war statistisch signifikant (P < 0,001).
  • Auch in der Gesamtpopulation verschlechterten sich Patienten unter Donanemab langsamer als unter Placebo. Hier betrugen die Werte – 10,2 gegenüber – 13,2. Die Differenz von 2,92 Punkten hatte ein 95%-KI von 1,51 – 4,33 und war ebenfalls statistisch signifikant (P < 0,001).
  • Auf der Clinical Dementia Rating Scale (CDR-SB), die 0 - 18 Punkte hat, verschlechterten sich die weniger stark mit Tau belasteten Patienten unter Donanemab um 1,20 Punkte gegenüber 1,88 Punkte unter Placebo. In der Gesamtpopulation waren es 1,72 versus 2,42 Punkte – ein statistisch signifikanter (P < 0,001) Unterschied von 0,7 Punkten.
  • In der Amyloid-Bildgebung zeigten sich Ödeme und Effusionen bei 24 % der Verum-Empfänger – etwa ein Viertel davon war symptomatisch. In der Placebo-Gruppe gab es dagegen nur bei 2,1 % der Patienten Auffälligkeiten, aber keine Symptome.

Klinische Bedeutung / Kommentar

Auch wenn statistische Signifikanz nicht mit klinischer Relevanz gleichzusetzen ist, so deutet diese Studie doch auf eine Verlangsamung des kognitiven Verfalls bei Patienten im frühen Stadium der Alzheimer-Krankheit durch den Anti-Amyloid-Antikörper Donanemab. Während der erste Vertreter dieser Klasse, Aducanumab nach einer weiterhin umstrittenen Zulassung in den USA nur selten genutzt wird, scheint das Kosten-Nutzenverhältnis für den Nachfolger Lecanemab überzeugender, wie man aus im Juli 2023 erfolgten Standardzulassung schließen darf. Zahlreiche Experten, die sich zur aktuellen Studie geäußert haben, gehen davon aus, dass auch Donanemab in Kürze diesen Status erhalten wird.

Angesichts der hohen Kosten dieser Präparate könnte ein Pluspunkt für Donanemab sein, dass es in 4-wöchigen Abständen verabreicht wurde (statt der 2 Wochen bei Lecanemab). Darüber hinaus waren in der aktuellen Studie Therapiepausen vorgesehen, wenn die Bildgebung eine hinlängliche Clearance des Amyloids zeigte. Fast 30 % der Patienten erreichten diesen Punkt im ersten halben Jahr, mehr als 75 % zum Ende der Studie nach 76 Wochen. Die durchschnittliche Verzögerung der Krankheitsprogression wurde auf etwa 4 Monaten berechnet. Dies ist in der Tat ein beachtlicher Fortschritt. Ob damit allerdings eine „Neue Ära der Alzheimer-Therapie“ eingeleitet wird, wie ein Editorial der Zeitschrift JAMA titelte, darf bezweifelt werden. 

Die Studie wurde von Eli Lilly finanziert.