Antibiotikum aus Korallen in Bakterienkulturen nachgebaut

  • Andrea Hertlein
  • Medizinische Nachrichten
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Kernbotschaft

Hornkorallen auf den Riffen der Bahamas produzieren einen antibiotischen Wirkstoff (Erogorgiaene), der multiresistente Tuberkulose-Erreger abtöten kann. Nun ist es Wissenschaftlern der Technischen Universität München gelungen, das Antibiotikum im Labor biotechnologisch herzustellen. Dies ermöglicht eine kostengünstige, schnelle und nachhaltige Produktion und schützt gleichzeitig die Korallenbestände. Die Ergebnisse wurden kürzlich in Green Chemistry publiziert.

Stoffwechselsynthese in Kolibakterien übertragen

Das neue Verfahren besteht aus zwei Schritten: Die Hauptarbeit machen gentechnisch optimierte Kolibakterien, die sich von Glycerin ernähren – einem Reststoff aus der Biodiesel-Produktion. Die Kolibakterien produzieren ein Molekül, das sich dann mit Hilfe von Enzymen in den gewünschten Wirkstoff verwandeln lässt. Dabei entsteht kein Abfall, da alle Nebenprodukte in einem geschlossenen Kreislauf wiederverwendet werden können, heißt es in einer Mitteilung des Instituts. Das innovative Verfahren wurde mittlerweile zum Patent angemeldet.

Bislang war an einen Einsatz des Wirkstoffs kaum zu denken. Die Hornkoralle enthalte laut der Wissenschaftler nur extrem geringe Mengen Erogorgiaene und stehe zudem unter Schutz – sie als Rohstoffquelle zu nutzen wäre weder wirtschaftlich sinnvoll noch ökologisch vertretbar. „Wenn wir die Riffe der Welt schützen wollen, müssen wir biologisch aktive Naturstoffe, die medizinisch nutzbare Aktivitäten besitzen, auf nachhaltige Weise herstellen“, sagt Professor Thomas Brück, Werner Siemens-Lehrstuhl für Synthetische Biotechnologie.

Die Herstellung mit klassischen chemischen Verfahren ist zwar möglich, aber aufwändig und verbunden mit toxischen Abfällen. Ein Kilo des Wirkstoffs würde um die 21.000 Euro kosten, berichten die Wissenschaftler.

Herstellungskosten deutlich geringer

Die neue Technologieplattform zur Produktion von Naturstoffen mithilfe biotechnologischer Verfahren erfülle, so Brück, sämtliche zwölf Kriterien der Grünen Chemie. Die Herstellungskosten liegen mit 9.000 Euro pro Kilogramm außerdem deutlich unter dem zuvor bekannten Verfahren.

Inzwischen arbeiten die Forscher bereits an der biotechnologischen Herstellung eines weiteren Korallen-Wirkstoffs: Die Substanz Pseudopteropsin hemmt durch einen neuen Wirkmechanismus Entzündungen und ist möglicherweise zur Therapie überschießender Immunreaktionen geeignet. Pseudopteropsin soll nun im Labor aus Erogorgiaene hergestellt werden.