Alkoholabhängigkeit: Psilocybin verstärkt Wirkung einer Psychotherapie erheblich
- Michael Simm
- Studien – kurz & knapp
Kernbotschaften
Nach einer Psychotherapie zur Motivationsförderung plus kognitiver Verhaltenstherapie von 12 Wochen Dauer und der zweimaligen Gabe von Psilocybin reduzierte sich der Alkoholkonsum von Langzeitabhängigen auf 1,17 Standarddrinks / Tag, und damit annähernd doppelt so stark wie in der Kontrollgruppe. Eine vollständige Abstinenz erreichten nach einem halben Jahr 30 % gegenüber 18 %.
Hintergrund
Alkoholmissbrauch und auch Alkoholsucht sind sehr häufig, werden aber verhältnismäßig selten diagnostiziert und – zum Beispiel in den USA – nur in 4 % aller Fälle medikamentös behandelt. Seit 1949 wurden lediglich 3 Wirkstoffe neu zugelassen, doch haben die vergleichsweise geringen Effekte dieser Medikamente dazu geführt, dass man sich nun auch wieder psychodelischen Substanzen zuwendet. Dazu gehört neben LSD auch das „Pilzgift“ Psilocybin, welches einen Rausch mit visuellen Halluzinationen hervorruft. Der Erstautor der aktuellen Studie hat dazu bereits 2015 Daten publiziert, wonach es von Alkoholikern gut vertragen wurde, und über einen Zeitraum von 32 Wochen die Trinkmengen stark reduziert hat.
Design
Doppelblinde, randomisierte klinische Studie, mit 95 aktuell unbehandelten, alkoholabhängigen Teilnehmern im durchschnittlichen Alter von 46 Jahren. Ihnen wurde eine strukturierte Psychotherapie zur Motivationsförderung plus kognitiver Verhaltenstherapie von 12 Wochen Dauer angeboten. Zusätzlich erhielten sie in Woche 4 und 8 jeweils eine 2-tägige Medikamenten-Sitzung mit entweder Psilocybin (25 mg / 70 kg) oder dem Antiallergikum/Schlafmittel Diphenhydramin (50 mg) als Kontrolle. Einschlusskriterium waren mindestens 4 Tage heftigen Trinkens im Vormonat (5 bzw. 4 Drinks / Tag oder mehr bei Männern bzw. Frauen). Ausgeschlossen waren Patienten mit anderen schweren psychiatrischen Erkrankungen oder dem Gebrauch von Halluzinogenen. Primäres Studienziel war der prozentuale Anteil von Tagen heftigen Trinkens in den 32 Wochen nach der ersten Einnahme der Studienarznei.
Ergebnisse
- Die seit durchschnittlich 14,2 Jahren Alkohol-abhängigen Probanden hatten zuvor an durchschnittlich 52,7 % aller Tage einen starken Konsum mit 7,1 Drinks / Tag.
- Nach der Einnahme von Psilocybin sank der Anteil der Tage heftigen Trinkens auf 9,7 % gegenüber 23,6 % in der Kontrollgruppe. Die mittlere Differenz von 13,9 Prozentpunkten hatte ein 95%-Konfidenzintervall von 3,0 – 24,7 und war statistisch signifikant (P = 0,01).
- Der durchschnittliche Alkoholkonsum (Standarddrinks / Tag) war in der Psilocybin-Gruppe ebenfalls niedriger und betrug 1,17 gegenüber 2,26 nach Gabe von Diphenhydramin.
- Gemäß der Einteilung der WHO in Risikogruppen verbesserten sich deutlich mehr Teilnehmer unter Psilocybin um 2 Stufen, und im letzten Monat der Nachverfolgung erreichten mehr von ihnen eine Verbesserung um 1, 2, oder 3 Stufen sowie eine vollständige Abstinenz (30 versus 18 %).
Klinische Bedeutung
Eine echte Verblindung ist mit der Gabe des Halluzinogens Psilocybin kaum möglich; 93.6 % der Teilnehmer errieten die ihnen zugeloste Gruppe, bei den Therapeuten waren es nach der 2. Sitzung 97,4 %. Die robuste und anhaltende Reduktion des Alkoholkonsums durch die Kombination aus Psychotherapie und Studienarznei war dennoch beeindruckend und spricht nach Meinung der Autoren für weitere Studien zur Psilocybin-assistierten Psychotherapie bei alkoholabhängigen Erwachsenen.
Finanzierung: Heffter Research Institute, the New York University-Health and Hospitals Corporation Clinical and Translational Science Institute, sowie Einzelspenden von 5 Individuen.
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