Aktualisierte S3-Leitlinie zur Psychoonkologie erschienen
- Dr. med.Thomas Kron
- Medizinische Nachrichten
Im Rahmen des Leitlinienprogramms Onkologie wurde die S3-Leitlinie „Psychoonkologische Diagnostik, Beratung und Behandlung von erwachsenen Krebspatienten“ aktualisiert. In der überarbeiteten Fassung wurden elf Themen neu aufgenommen, unter anderem zu Besonderheiten spezieller Zielgruppen wie älteren Patienten oder Patienten mit Hirntumoren. Darüber hinaus wurden weitere Kapitel inhaltlich überarbeitet.
Wie von Univadis kürzlich berichtet, leben nach Schätzungen in Deutschland rund 4,5 Millionen Menschen mit oder nach einer Krebserkrankung; ihre Zahl werde sogar noch steigen, prognostizieren dem Bericht zufolge Dr. Angela Grigelat, niedergelassene Psychotherapeutin in München, und Dr. Friederike Mumm, Leiterin der Psycho-Onkologie am Klinikum der dortigen Universität.
Eine Krebserkrankung wird von Betroffenen und ihren Angehörigen häufig als sehr belastend wahrgenommen. Die Diagnose Krebs kann zu akuten Krisen führen, Ängste und das Gefühl von Hilflosigkeit auslösen. Auch die körperlichen Folgen der Behandlungen können als deutliche Einschränkung wahrgenommen werden.
Nach einer Krebstherapie ist die akute Gefahr zwar erst einmal gebannt, aber die psychischen Folgen von Krankheit und Behandlung bleiben oft noch jahrelang: Depressionen, die Angst vor einem Rezidiv, geringe Lebensqualität oder Gedächtnisschwäche. Eine der häufigsten Beschwerden ehemaliger Krebspatienten ist eine anhaltende Erschöpfung, die sich durch Ausruhen oder Schlaf kaum bessert. Während oder unmittelbar nach der onkologischen Behandlung leiden fast alle Patienten daran, langfristig liegt die Prävalenz zwischen 20 und 50 Prozent.
Für die psychoonkologische Behandlung der betroffenen Patientinnen und Patienten geben die Autoren der S3-Leitlinie nun aktualisierte Empfehlungen. Psychologische Interventionen sind nicht-medikamentöse Behandlungen, bei denen etwa Psychologen, Psychotherapeuten oder Sozialarbeiter mit den Patienten zusammenarbeiten. Für diesen Bereich wurden in die Leitlinie drei Kapitel neu aufgenommen: „Psychoonkologische E-Health Interventionen“, „Spezifische psychoonkologische Interventionen in der Palliativphase“ und „Psychoonkologische Krisenintervention“.
„Patienten mit einer nicht-heilbaren Krebserkrankung befinden sich in einer sehr speziellen Situation, da sie sich konkret mit ihrem Lebensende konfrontiert sehen. Im Update der Leitlinie geben wir nun erstmals gesonderte Empfehlungen für diese Betroffenen und ihre Angehörigen, damit sie die bestmögliche Versorgung erhalten und ihre Lebensqualität verbessert wird“, so einer Mitteilung zufolge Professor Joachim Weis (Universitätsklinikum Freiburg). Gemeinsam mit Professorin Anja Mehnert-Theuerkauf (Medizinische Psychologie und Soziologie an der Universität Leipzig) hat er die Aktualisierung der Leitlinie koordiniert.
Unter die Lupe genommen haben die Autoren unter anderem E-Health-Angebote wie Gesundheits-Apps, weil diese in der Versorgungsrealität immer mehr ankommen; gerade in Regionen mit einer geringen Versorgungsdichte könnten diese eine gute Ergänzung sein. Wichtig sei bei diesen Angeboten weiterhin eine persönliche Interaktion zwischen Therapeuten und Patienten, beispielsweise über Telefon oder Videokonferenzen.
Spezielle Empfehlungen für einzelne Zielgruppen
Je nach Tumordiagnose, Beeinträchtigungen, die sich aus der Behandlung ergeben oder der speziellen Lebenssituation, in der sich Betroffene befinden, werden in der Leitlinie spezifische Handlungsempfehlungen für die psychoonkologische Behandlung gegeben. Neu aufgenommen wurden in die Leitlinie Kapitel zu jungen, erwachsenen Krebspatienten (AYAs), geriatrischen Krebspatienten und Menschen, die mit einer Krebsdiagnose leben (Cancer Survivors).
„Bei jungen Krebspatienten ist das Thema Fertilitätserhalt und Familienplanung ein Thema, das wir im Blick behalten müssen. Bei Betroffenen, die älter als 65 Jahre sind, kommen zur Krebserkrankung häufig noch andere altersbedingte Beschwerden hinzu. In Kombination kann das zu verstärkten Ängsten und Depressionen führen“, so Mehnert-Theuerkauf. „Solche spezifischen Besonderheiten führen wir in der Leitlinie auf, damit sie in der psychoonkologischen Versorgung nicht aus dem Blick verloren werden.“
Schlafstörungen und Psychopharmaka
Auch im Bereich Psychopharmakotherapie wurden zwei neue Themen ergänzt: Schlafstörungen und besondere Risiken zu Neben- und Wechselwirkungen von Psychopharmaka bei Krebspatienten. Eine effektive Behandlung von Depressionen, Angststörungen und anderen psychischen Störungen bei Krebspatienten setzt, wie die Autoren betonen, die enge Kooperation zwischen den behandelnden Ärzten, Psychoonkologen und Pflegefachpersonen voraus, sowohl im Hinblick auf die Diagnostik als auch im Hinblick auf eine optimale Behandlung somatischer Ursachen, möglicher Auslöser und Symptome. Bei der Wahl einer individuell geeigneten psychopharmakologischen Therapie sollten alle diese Faktoren mit einbezogen werden. Außerdem seien die Präferenzen der Patienten hinsichtlich psychotherapeutischer und psychopharmakologischer Behandlung zu berücksichtigen.
Notwendig: Einbettung in ein onkologisches Behandlungskonzept
Die Behandlung von Krebspatienten mit Psychopharmaka sollte der Leitlinie zufolge daher immer in ein onkologisches Gesamtbehandlungskonzept eingebettet sein. Dabei sollten vor jeder psychopharmakologischen Behandlung wie auch Psychotherapie die medizinischen Mit-Ursachen bzw. Auslöser berücksichtigt und in das Behandlungskonzept einbezogen werden. Dazu zählten in erster Linie die Diagnostik und Behandlung von tumorbedingten Ursachen: Symptomkontrolle (z.B. Schmerz), ZNS-Affektionen (z.B. Tumoren), endokrine oder Elektrolytstörungen, Entzugssymptome oder Medikamenten-Nebenwirkungen. Eine optimale Symptomkontrolle von Schmerzen, Atemnot, Übelkeit oder Fatigue sollte ebenso vorgenommen werden wie auch eine eventuell notwendige Korrektur von Elektrolytstörungen. Darüber hinaus sollte der Einfluss potenziell depressiogener Medikamente (beispielsweise Steroide, Interferon oder Tyrosinkinase-Inhibitoren) abgeklärt und gegebenenfalls die entsprechende Medikation abgesetzt werden (sofern onkologisch vertretbar). Außerdem sollte die Modifizierung potenziell angstauslösender Medikamente (Kortikosteroide, Metoclopramid oder auch Benzodiazepine) im Vorfeld berücksichtig werden.
Die S3-Leitlinie entstand unter Federführung der Arbeitsgemeinschaft für Psychoonkologie (PSO) in der Deutschen Krebsgesellschaft (DKG) und unter Mitwirkung von 59 Fachgesellschaften. Die Leitlinie wurde von der Deutschen Krebshilfe im Rahmen des Leitlinienprogramms Onkologie gefördert.
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